Bei den Gesprächen gehe es zunächst um die Olympischen Spiele, die nun zu "Friedensspielen" würden. Auf Dauer könne man die Nuklearfrage jedoch nicht ausklammern. Das Ziel Nordkoreas bei den Gesprächen sei einerseits, das Land durch Zusammenarbeit mit dem Süden wirtschaftlich weiter zu entwickeln und andererseits der Wille, auf Augenhöhe mit den USA verhandeln zu können, so Koschyk. Er forderte, davon Abstand zu nehmen, Kim Jong-un als "irre" oder "verrückt" zu bezeichnen. Er repräsentiere zwar eine grausame Diktatur, aber nur im Gespräch mit ihm könne es eine Entwicklung im Korea-Konflikt geben.
Koschyk sagte, der Zusammenhalt der internationalen Gemeinschaft sei entscheidend in dem Konflikt. Nur das beeindrucke Kim Jong-un. Aggressive und martialische Worte wie etwa von US-Präsident Donald Trump hielfen nicht weiter. Die internationale Gemeinschaft müsse dafür sorgen, dass ruhige Gespräche stattfinden könnten - und aufpassen, dass das "zarte Pflänzchen" der Kontaktaufnahme nicht zertrampelt werde.
Das Interview in voller Länge:
Dirk-Oliver Heckmann: Direkte Gespräche zwischen Nord- und Südkorea, das hat es in den vergangenen zwei Jahren nicht mehr gegeben. Doch der nordkoreanische Machthaber Kim hat in seiner Neujahrsansprache das Angebot gemacht und angeboten, Sportler zu den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang zu entsenden, die in wenigen Wochen starten werden. Auch der Heiße Draht zwischen Pjöngjang und Seoul wurde wieder reaktiviert. Heute sind Vertreter beider Seiten in der Grenzregion zusammengekommen, im südkoreanischen Örtchen Panmunjom. Und da gab es auch schon eine Einigung.
Am Telefon ist jetzt Hartmut Koschyk, bekannt als langjähriger parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag. Er war parlamentarischer Staatssekretär und auch Vorsitzender der Deutsch-Koreanischen Parlamentariergruppe. Nach wie vor ist er Vorsitzender des deutsch-koreanischen Forums und damit herzlich willkommen. Schönen guten Morgen, Herr Koschyk.
Hartmut Koschyk: Guten Morgen, Herr Heckmann!
Heckmann: Herr Koschyk, bricht jetzt der Friede aus auf der koreanischen Halbinsel?
Koschyk: So schnell wird der Friede nicht ausbrechen. Aber die Gespräche, die heute in Panmunjom stattgefunden haben, zeigen doch, dass die Chance besteht, dass beide koreanischen Staaten wieder in einen ernsthaften Dialog kommen. Denn es waren hochrangige Delegationsleiter auf beiden Seiten. Vor allem der nordkoreanische Delegationsleiter Ri Son-gwon ist ja ein enger Vertrauter von Kim Jong-Un. Er hat unter ihm seinen Aufstieg genommen. Und man hat ja auch durch den kurzen Bericht, den wir gerade gehört haben, gespürt: Natürlich geht es in erster Linie um die Teilnahme nordkoreanischer Sportler, auch einer vielleicht sehr hochrangigen nordkoreanischen Delegation an den Winterspielen in Pyeongchang. Aber es scheint schon sich um den Einstieg zu handeln in substanzielle Gespräche zwischen beiden koreanischen Staaten.
Heckmann: Was bezweckt Kim Jong-Un aus Ihrer Sicht?
"Kim will das sein Land unangreifbar wird"
Koschyk: Natürlich geht Kim Jong-Un von seiner Grundstrategie nicht ab. Das hat er auch noch mal in seiner Neujahrsansprache betont. Er will, dass das Land auf Augenhöhe mit den USA verhandelt, dass es unangreifbar wird. Er deutet ja die nukleare Aufrüstung als Überlebensgarantie. Auf der anderen Seite die Bereitschaft, mit Südkorea wieder stärker ins Gespräch zu kommen und das Land wirtschaftlich zu entwickeln. Das ist immer seine Strategie gewesen, nukleare Ebenbürtigkeit, Unangreifbarkeit, auf der anderen Seite Entwicklung des Landes. Das geht nur mit dem Süden. Insofern folgt er seiner Strategie. Aber es ist gut, dass die südliche Seite dieses Gesprächsangebot aufgenommen hat, denn nur wenn es zwischen beiden koreanischen Staaten wieder eine direkte Dialogebene gibt, können auch die anderen schwierigen Fragen bis hin zur Nuklearfrage gelöst werden.
Heckmann: Wenn ich Ihnen so zuhöre, Herr Koschyk, dann hört sich das nach einer durchaus rationalen Strategie des Nordkoreaners an und überhaupt nicht nach der Strategie eines Irren, wie er immer dargestellt wird, auch aus den USA.
Koschyk: Das ist ja oft der Grundfehler gewesen, dass man vieles, was von Nordkorea an politischen Maßnahmen gekommen ist, als irrational, als verrückt, als irr bezeichnet hat. Das war schon bei dem Vater des jetzigen Diktators Kim Jong-Un, Kim Jong-Il, der Fall. Und dann, als Kim Dae-jung, der damalige südkoreanische Präsident, und Kim Jong-Il zusammensaßen, dann hat die südkoreanische Seite berichtet, der Mann ist ja gar nicht irre, mit dem kann man sich vernünftig unterhalten. Und auch bei Kim Jong-Un muss man wissen, er sitzt fest im Sattel. Er ist auch ein Stück westlich erzogen. Er war in einem Internat in der Schweiz. Er spricht Englisch, er spricht Deutsch. Wir müssen uns von den Bildern verabschieden, dass es sich hier um Irre und Verrückte handelt. Natürlich: Er repräsentiert eine grausame, gefährliche Diktatur. Aber nur mit Reden und Gespräch werden wir einen Ausweg aus der gegenwärtigen Krise in Nordostasien, die uns alle angeht, die uns alle bedroht, bekommen.
Heckmann: Er repräsentiert eine grausame Diktatur und von ihm geht ja durchaus auch eine Bedrohung aus, wenn man sich diese ganzen Raketentests ansieht, würde ich mal sagen. Könnte auch ein Motiv Kims sein, einen Spalt zu treiben zwischen Südkorea und den USA? Kann ihm das gelingen? Das gemeinsame Militärmanöver, das ist jetzt ja erst mal verschoben worden.
"Annäherung nicht mit Lösungen in der Nuklearfrage koppeln"
Koschyk: Das kann ihm nicht gelingen und das wird ihm nicht gelingen, denn der südkoreanische Präsident Moon Jae-in hat ja betont, es geht jetzt um Gespräche, es geht um olympische Friedensspiele, es geht um familiäre Wiederannäherung. Aber wir dürfen auch den großen Fragen nicht ausweichen, und genau an diesem Punkt sind ja die letzten innerkoreanischen Gespräche im Dezember 2015 gescheitert, dass die damalige südkoreanische Regierung die Annäherung unbedingt mit schnellen Lösungen der Nuklearfrage verkoppeln wollte. Das wird auch diesmal nicht gelingen. Man muss jetzt Stück für Stück vorgehen. Man muss verloren gegangenes Vertrauen wieder neu schaffen. Deshalb muss man den beiden Koreas jetzt auch Zeit lassen, dass sie diese Gespräche führen, und es ist ja gut, dass auch wegen der Olympischen Spiele die zu dieser Zeit üblich stattfindenden Großmanöver zwischen den USA und Südkorea erst einmal verschoben worden sind, und es wird jetzt auch darauf ankommen, dass die internationale Gemeinschaft, USA, China, Russland, möglichst auch unter Beteiligung der Europäischen Union dafür sorgt, dass diese Gespräche in einem ruhigen, vertrauensvollen Klima gedeihen werden. Aber man wird auf Dauer die große Frage, die Nuklearfrage davon nicht entkoppeln können.
Heckmann: Ruhiges, vertrauensvolles Klima, haben Sie gerade gesagt. Das ist ein gutes Stichwort, denn erst vor wenigen Tagen haben sich Kim und Donald Trump auf der anderen Seite einen Streit geliefert um die Frage, wer denn hier den größeren Atomknopf zur Verfügung habe. Trump sagt jetzt, dass es jetzt Bewegung gibt auf der nordkoreanischen Seite, das habe auch viel damit zu tun, dass er Druck aufgebaut habe. Ist da was dran, oder ist das Nonsens?
Koschyk: Den Druck hat ja nicht er allein aufgebaut, sondern es ist gelungen auch durch amerikanische Diplomatie, dass die internationale Gemeinschaft zusammen geblieben ist. Es hat noch mal kurz vor Weihnachten einen Beschluss des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen mit Zustimmung auch Russlands und Chinas gegeben, und das ist das Entscheidende, dass sich die internationale Seite nicht auseinanderdividieren lässt, dass die Amerikaner auch auf China und Russland eingehen. Denn nur die Entschlossenheit der internationalen Gemeinschaft beeindruckt Kim Jong-Un und deshalb muss man auf die südkoreanische Seite vertrauen. Man muss ihr jetzt die Zeit lassen, ein Klima zu schaffen, und man muss auch den nordkoreanischen Delegationsleiter Ri Son-gwon ernst nehmen, der ja heute Morgen in Panmunjom ernste und ehrliche Gespräche dem Süden angeboten hat.
Heckmann: Lassen Sie uns ruhig noch mal bei Trump bleiben. Dass er in letzter Zeit immer solche aggressiven Töne angeschlagen hat, wie bewerten Sie das? Ist das hilfreich oder eher schädlich?
"Aggression und martialische Worte helfen nicht weiter"
Koschyk: Aggression und martialische Worte helfen nicht weiter, sondern wirklich ein abgestimmtes Handeln der internationalen Gemeinschaft. Und wenn Trump das jetzt als Erfolg für sich verbuchen will, soll er das ruhig tun. Wichtig ist, dass dieses zarte Pflänzchen eines innerkoreanischen Dialogs, ich sage es jetzt mal wörtlich, nicht zertrumpelt wird, sondern dass die internationale Gemeinschaft das flankierend und unterstützend begleitet. Hier kommt auch Deutschland und der Europäischen Union eine wichtige Rolle zu. Deshalb ist es gut, dass die Bundesrepublik Deutschland bei den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang, die ja jetzt wirkliche Friedensspiele werden, auch durch unseren Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier vertreten sein wird.
Heckmann: Donald Trump, um noch mal bei ihm zu bleiben, er hat auch dieser Tage gesagt, er habe kein Problem damit, mit Kim zum Beispiel, dem Nordkoreaner, zu telefonieren. Später wurde nachgeschoben, na ja, dazu müssten dann auch erst mal die Atombombentests und Raketentests eingestellt werden. Trotzdem gefragt: Muss es aus Ihrer Sicht endlich direkte Gespräche zwischen Washington und Pjöngjang geben?
Koschyk: Die muss es irgendwann geben und die wird es auch geben. Auch in früheren Phasen großer Anspannung auf der koreanischen Halbinsel und in Nordostasien hat es immer einen direkten nordkoreanisch-amerikanischen Gesprächskanal gegeben. Solche Gespräche fanden übrigens in früheren Zeiten, auch in Zeiten größter Spannung gerade in Berlin statt. Insofern bietet sich für solche Gespräche immer auch Deutschland und Berlin an. Auch der amerikanische Außenminister Tillerson hat ja, zwar damals noch Kritik hervorrufend bei Trump und seiner Umgebung, gesagt, wir sind auch zu direkten Gesprächen mit der nordkoreanischen Seite bereit, und solche direkten Gespräche zwischen USA und Nordkorea wird es irgendwann geben müssen und es wird sie geben.
Heckmann: Da sind wir gespannt, wann das der Fall sein wird und ob das möglicherweise in Deutschland stattfindet, wie Sie jetzt nahegelegt haben. – Letzte Frage an Sie, Herr Koschyk. Mit Wiedervereinigungen hat Deutschland ja seine Erfahrungen gesammelt. Die kam hierzulande ja auch dann doch sehr überraschend und sehr schnell. Ist die ausgeschlossen für alle Zeiten für die koreanische Halbinsel?
Koschyk: Nein, die ist nicht ausgeschlossen, und wir können auf der koreanischen Halbinsel dieselben Überraschungen und plötzlichen Entwicklungen erleben, wie wir sie in Europa und Deutschland erlebt haben.
Heckmann: Hartmut Koschyk war das live hier im Deutschlandfunk, Vorsitzender des Deutsch-Koreanischen Forums. Herr Koschyk, danke Ihnen für Ihre Zeit, dass Sie uns dieses Interview gegeben haben, und ich wünsche Ihnen einen schönen Tag!
Koschyk: Danke auch, Herr Heckmann.
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