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Gewalt in der Ukraine
Erstmals Tote bei Protesten in Kiew

Nach tagelangen Auseinandersetzungen eskaliert in der Ukraine die Gewalt: Die Behörden bestätigen, dass zwei Menschen getötet wurden. Die Regierung von Präsident Janukowitsch gibt den Demonstranten die Schuld und nennt sie "Terroristen".

22.01.2014
    Demonstranten in der Hauptstadt werfen eine Brandbombe auf Polizisten, die Schutzschilder vor sich halten.
    Die Gewalt in Kiew nimmt zu; Demonstranten warfen Brandbomben auf die Sicherheitskräfte. (AFP / SERGEI SUPINSKY)
    In der Ukraine sind bei den Protesten gegen die Regierung zum ersten Mal Menschen getötet worden. Die Staatsanwaltschaft bestätigte, dass in der Hauptstadt Kiew zwei Menschen erschossen wurden. Die genauen Umstände sind unklar. Die Gegner von Präsident Janukowitsch erklärten, Scharfschützen der Polizei hätten auf die Demonstranten gezielt. Ein dritter Oppositioneller soll nach Angaben von Regierungsgegnern auf der Flucht vor der Polizei aus großer Höhe in den Tod gestürzt sein.
    Im Zentrum von Kiew ertönten "Mörder"-Rufe, als sich die Nachricht über die Toten herumsprach. Der ukrainische Ministerpräsident Mikola Asarow gab den Demonstranten die Schuld für die zunehmende Gewalt: "Terroristen vom Maidan haben Dutzende Menschen umzingelt und geschlagen. Ich stelle offiziell fest, dass es sich um Kriminelle handelt, die sich für ihre Taten werden verantworten müssen."
    Osteuropa-Experte: Regierung schüchter Demonstranten ein
    Der Osteuropa-Experte Wilfried Jilge sagte im Deutschlandfunk, die ukrainische Regierung versuche verdeckt die Demonstranten einzuschüchtern. Tausende Schlägertrupps seien auf der Straße, um scheinbar ohne Auftrag der offiziellen Stellen Gewalt anzuwenden. Von der EU forderte er eine "breit gefächerte, intensive Diplomatie" zur Lösung des Konflikts.
    Zu den erneuten Zusammenstößen kam es, als die Sicherheitskräfte ein Lager der Opposition unter Einsatz von Tränengas auflösen wollten. Augenzeugen zufolge wehrten sich die Demonstranten jedoch mit Brandbomben. Die Polizei soll daraufhin Schlagstöcke eingesetzt und Kanister mit giftigen Chemikalien beschlagnahmt haben. Mehrere Oppositionelle kamen in Untersuchungshaft, weil sie Polizisten angegriffen haben sollen. Darauf steht in der Ukraine jahrelange Haft.
    Ashton und Steinmeier äußern sich besorgt
    Die EU-Außenbeauftragte Ashton forderte ein sofortiges Ende der Gewalt. "Ich verurteile strengstens die gewaltsame Eskalation der Geschehnisse in Kiew in der vergangenen Nacht, die zu Todesfällen führten", erklärte Ashton in Brüssel. Die Vorkommnisse seien "Grund für extreme Besorgnis". Sie verurteilte auch Angriffe auf Journalisten sowie mögliche Entführungen von Menschen in der Ukraine.
    Auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier äußerte sich besorgt über die Entwicklung in der Ukraine. Er sagte, er "verstehe eine frustrierte Opposition, die seit Tagen und Wochen spürt, dass sich nichts bewegt". Zugleich betonte er: "Gewalt ist keine Lösung. Das sagen wir für beide Seiten." An die Adresse von Präsident Viktor Janukowitsch sagte er: "Es kann nicht angehen, dass die Antwort der Führung in der Ukraine eine gewalttätige sein wird und dabei weitere Menschen zu Schaden kommen."
    Die Regierungsgegner protestieren seit Wochen gegen den pro-russischen Kurs von Präsident Janukowitsch. Er hatte es auf Druck von Russland im November abgelehnt, sich stärker an die EU zu binden. Seine Gegner befürworten dagegen einen pro-europäischen Kurs. Zwar erklärte sich Janukowitsch zu Verhandlungen mit der Opposition bereit, bisher ist es dazu jedoch nicht gekommen.