Die Welt wird jung, zerfällt und setzt sich in funkelnden Splittern wieder zusammen, die Bedeutungen erhalten einen luxurierenden Überhang und doch ist nichts redundant, dazu ein flirrendes Spiel um ein Ganz Anderes, um Sinn, Sinnlichkeit und Von Sinnen Sein - zuletzt die so schreckhafte wie gelassene Anmutung eines Endes in allem Anfang, des Verlustes im Augenblick intensivsten Lebens: all das ließe sich von einer Grammatik der Liebe sagen. In den Gedichten von Ulrike Draesner wird sie auf frische neue Weise durchdekliniert.
"als wärs" lauten die ersten Worte des Eingangsgedichts – das ist jener suggestive Irrealis, der in der deutschen Lyrik für manche Wahrnehmungs-Explosionen sorgte – etwa in Eichendorffs Mondnacht : Es war, als hätt der Himmel die Erde still geküßt.." . Bei Ulrike Draesner entläßt der bildspendende Konjunktiv eine Flut von Empfindungen und Erinnerungen:
"als wärs ich will und kennten all die jahre uns trink mir zu als
wären diese Linien ein südlicher park unverändert die karte
dieser Jahre verrückt geliebt als wär dies die erste klippe von der
aus wir das meer umarmt teuflisch dort die kleinen rochen
schienen devils in disguise doch leuchten so als wärens wörter
uns geworfen um die vögel anzulocken in ihrem klippgesang
als wäre es unser morgen und immer noch der rachen riesig
des himmels blau wie du und ich in der anemonen
in der animalenmulde dieses hügels cliff!
rock!"
Literatur – so sieht es Ulrike Draesner selbst , besteht daraus, Verbindungen aufzuweisen, die man nicht sieht, Momente, in denen Funken zusammenschießen und etwas Neues entsteht.
Die hier versammelten Kugelblitz-Gedichte schreiben im ersten Teil mit dem Titel "lieben" eine auflodernde- und abebbende Liebesgeschichte und sind doch ganz lyrisch in ihren Elementarteilchen, die einen beim Lesen stocken lassen, weil ihre Komposition aus Intensität und Reflexion sich fast rüde absetzt vom sogenannten Sinn des Ganzen. Der Splitterung gehorcht auch die Grammatik: Zeilen-Überhänge, reflexive Einwürfe, kulturelles Erbe, Slang. Oftmals sind es im Staunen gezeugte Metaphern, die sich abnabeln vom erzählenden Gefühlsstrom. Impressionistische Tupfer, fragend, zuweilen auch setzend:
"geht einer hier lang, licht?
hagebutten, ein haus, ein haupt
flockige pflanze, nach oben geweht"
tang – lockig über den sand, violetter
geist, oder geist von was:
lächeln, wie licht das auf einer
spitze, zerfressen kichernd –
kindergesicht? mit höhligem wie
eine höhle schatten für schwalben
oder mückenstick, sandig eben- als licht
etwas das geht taumelt dreht
gern haben
eben und eben eben der strand,
aus arbeit, die reibt, sandig lüstern
glänzelnd das meer, und flach."
Ist das das Alphabet einer sehr privaten Sinnlichkeit , gar Mythologie, wie schon gemutmaßt wurde, womöglich allzu maniriert tiefsinnig in der Anlage?
Ulrike Draesners jüngste Gedichte sind weit von Privatsprache und teutonischem Gefühlsrausch entfernt – ebensowenig bestätigen sie den Vorwurf, die Oxford-Absolventin habe einmal mehr in feministischen Diskursen und den angesagtesten Theorien der Saison gewühlt. Komplexität wird hier weder beschworen noch reduziert. Dafür ist eine liedhafte Wehmut hörbar, die an Untergründiges rührt. Die Erfahrung der Liebe wird aus der Befindlichkeit des späten Ich reformuliert, die in Monitoren und Handys getaucht ist – und doch wird sie manchmal märchenhaft alt, ohne zu regredieren:
"Lämpchen komm
Mädchen spring
Die löffel sind lang
Selbst die lumpigsten hasen
wie er seine pfoten um deinen hals legt
Für sekunden
stille – dann springt
das herz"
Der Liebe folgt das alltägliche Leben oder das "kriegen", wie der zweite Teil des Bandes betitelt ist. In der doppelten Bedeutung von "In Besitz bringen" und "zerstören" wird die Geschichte weiter getrieben. Worte wie "allein" , "gelöscht" treten hervor, und ein Reisen und Schauen soll Linderung in die Verlusterfahrung bringen. Leider beeinträchtigt das bisweilen die Güte der Gedichte. Auch der dritte Teil wirkt zuweilen wie ein kaleidoskopischer Anhang, in dem Einzelnes gelingt, aber die Atemlosigkeit beim Lesen der ersten zwanzig Gedichte einer merkwürdigen Bedächtigkeit weicht. Aber was bedeutet das schon bei solcher Fülle.
"Du schliefst noch ich saß
Dein Atem ging der tag
Schob wald ans feld
Die wiese fing zu blitzen
An in schatten fraß ein
Taubenpaar heiß die krallen
Ihr ihm ein kleiner fleck am
Hals, weich noch ihre rufe
Wie kindheitsmorgen schön
"als wärs" lauten die ersten Worte des Eingangsgedichts – das ist jener suggestive Irrealis, der in der deutschen Lyrik für manche Wahrnehmungs-Explosionen sorgte – etwa in Eichendorffs Mondnacht : Es war, als hätt der Himmel die Erde still geküßt.." . Bei Ulrike Draesner entläßt der bildspendende Konjunktiv eine Flut von Empfindungen und Erinnerungen:
"als wärs ich will und kennten all die jahre uns trink mir zu als
wären diese Linien ein südlicher park unverändert die karte
dieser Jahre verrückt geliebt als wär dies die erste klippe von der
aus wir das meer umarmt teuflisch dort die kleinen rochen
schienen devils in disguise doch leuchten so als wärens wörter
uns geworfen um die vögel anzulocken in ihrem klippgesang
als wäre es unser morgen und immer noch der rachen riesig
des himmels blau wie du und ich in der anemonen
in der animalenmulde dieses hügels cliff!
rock!"
Literatur – so sieht es Ulrike Draesner selbst , besteht daraus, Verbindungen aufzuweisen, die man nicht sieht, Momente, in denen Funken zusammenschießen und etwas Neues entsteht.
Die hier versammelten Kugelblitz-Gedichte schreiben im ersten Teil mit dem Titel "lieben" eine auflodernde- und abebbende Liebesgeschichte und sind doch ganz lyrisch in ihren Elementarteilchen, die einen beim Lesen stocken lassen, weil ihre Komposition aus Intensität und Reflexion sich fast rüde absetzt vom sogenannten Sinn des Ganzen. Der Splitterung gehorcht auch die Grammatik: Zeilen-Überhänge, reflexive Einwürfe, kulturelles Erbe, Slang. Oftmals sind es im Staunen gezeugte Metaphern, die sich abnabeln vom erzählenden Gefühlsstrom. Impressionistische Tupfer, fragend, zuweilen auch setzend:
"geht einer hier lang, licht?
hagebutten, ein haus, ein haupt
flockige pflanze, nach oben geweht"
tang – lockig über den sand, violetter
geist, oder geist von was:
lächeln, wie licht das auf einer
spitze, zerfressen kichernd –
kindergesicht? mit höhligem wie
eine höhle schatten für schwalben
oder mückenstick, sandig eben- als licht
etwas das geht taumelt dreht
gern haben
eben und eben eben der strand,
aus arbeit, die reibt, sandig lüstern
glänzelnd das meer, und flach."
Ist das das Alphabet einer sehr privaten Sinnlichkeit , gar Mythologie, wie schon gemutmaßt wurde, womöglich allzu maniriert tiefsinnig in der Anlage?
Ulrike Draesners jüngste Gedichte sind weit von Privatsprache und teutonischem Gefühlsrausch entfernt – ebensowenig bestätigen sie den Vorwurf, die Oxford-Absolventin habe einmal mehr in feministischen Diskursen und den angesagtesten Theorien der Saison gewühlt. Komplexität wird hier weder beschworen noch reduziert. Dafür ist eine liedhafte Wehmut hörbar, die an Untergründiges rührt. Die Erfahrung der Liebe wird aus der Befindlichkeit des späten Ich reformuliert, die in Monitoren und Handys getaucht ist – und doch wird sie manchmal märchenhaft alt, ohne zu regredieren:
"Lämpchen komm
Mädchen spring
Die löffel sind lang
Selbst die lumpigsten hasen
wie er seine pfoten um deinen hals legt
Für sekunden
stille – dann springt
das herz"
Der Liebe folgt das alltägliche Leben oder das "kriegen", wie der zweite Teil des Bandes betitelt ist. In der doppelten Bedeutung von "In Besitz bringen" und "zerstören" wird die Geschichte weiter getrieben. Worte wie "allein" , "gelöscht" treten hervor, und ein Reisen und Schauen soll Linderung in die Verlusterfahrung bringen. Leider beeinträchtigt das bisweilen die Güte der Gedichte. Auch der dritte Teil wirkt zuweilen wie ein kaleidoskopischer Anhang, in dem Einzelnes gelingt, aber die Atemlosigkeit beim Lesen der ersten zwanzig Gedichte einer merkwürdigen Bedächtigkeit weicht. Aber was bedeutet das schon bei solcher Fülle.
"Du schliefst noch ich saß
Dein Atem ging der tag
Schob wald ans feld
Die wiese fing zu blitzen
An in schatten fraß ein
Taubenpaar heiß die krallen
Ihr ihm ein kleiner fleck am
Hals, weich noch ihre rufe
Wie kindheitsmorgen schön