Christoph Heinemann: Die Bundesregierung möchte heute den Gesetzentwurf zur Erbschaftssteuer für Familienunternehmen auf den Weg bringen. Das Bundesverfassungsgericht hatte eine neue Regelung gefordert, jetzt liegt sie auf dem Tisch.
Am Telefon ist Michael Schlecht, Mitglied der Bundestagsfraktion Die Linke und wirtschaftspolitischer Sprecher. Guten Morgen.
Am Telefon ist Michael Schlecht, Mitglied der Bundestagsfraktion Die Linke und wirtschaftspolitischer Sprecher. Guten Morgen.
Michael Schlecht: Guten Morgen.
Heinemann: Herr Schlecht, Unions-Fraktionschef Volker Kauder fordert in der "FAZ" heute Nachbesserungen. Auch aus der CSU und der Wirtschaft hagelt Kritik. Aus Sicht der Linken ein gutes Zeichen?
Schlecht: Das ist ja abenteuerlich. Dieser ganze Gesetzentwurf ist ein skandalöser Kniefall der Union und auch der SPD vor den Superreichen, und man muss sagen, die Große Koalition erweist sich mit diesem Gesetzentwurf wieder einmal als Schutzmacht der Reichen und Superreichen in unserem Lande, und das ist schon wirklich skandalös in Anbetracht der sehr ungerechten Vermögens- und Einkommensverteilung hierzulande.
Heinemann: Wo ist der Skandal und wo berührt das Knie den Boden?
"Sehr abenteuerlich"
Schlecht: Der Skandal liegt darin, dass jetzt jemand, der bis zu 26 Millionen Betriebsvermögen erbt, wie es hier auch schon gesagt wurde, im Grunde gar keine Erbschaftssteuer zahlen muss, möglicherweise in bestimmten juristischen Konstruktionen selbst bis zu 52 Millionen nicht, und das ist natürlich ein abenteuerlicher Betrag, der dort freigestellt wird. Da gibt es zwar auch noch mal bestimmte Konditionen, die eingehalten werden müssen, aber die sind relativ einfach einzuhalten und das ist wirklich skandalös. Wir wissen, wenn man das nicht machen würde, allein nur diese eine Regelung beim Betriebsvermögen, dann wäre die Möglichkeit, mindestens 10, 11, 12 Milliarden mehr an Erbschaftssteuer einzunehmen. Es ist im Übrigen auch ein Skandal, dass Treiber dieser Entwicklung - - Schäuble, der nun wahrlich ein Konservativer ja ist, der wollte ursprünglich nur 20 Milliarden. Das ist jetzt nach oben getrieben worden. Und diejenigen, die dafür mit gesorgt haben, dass es nach oben getrieben wird, diese Freigrenze, sind zum Teil Sozialdemokraten, hier aus Baden-Württemberg der Wirtschafts- und Finanzminister Nils Schmid. Der hat sogar dafür geworben, bis zu 100 Millionen freizustellen. Das ist doch wirklich sehr abenteuerlich.
Heinemann: Wahrscheinlich, weil Sozialdemokraten rechnen können. Markus Söder zum Beispiel, der CSU-Finanzminister, hat gesagt, es könnte die jetzige Regelung dazu führen, dass große Familienunternehmen ins Ausland gehen oder in große Kapitalgesellschaften umgewandelt werden. Was hätten wir denn davon?
Schlecht: Das sind die Handlungsmöglichkeiten. Da könnte man bestimmte Regelungen treffen, dass das nicht passiert und die Möglichkeiten ...
Heinemann: Welche Regelungen?
Schlecht: Man könnte zum Beispiel dafür sorgen, dass sie eben nicht so ohne weiteres ins Ausland gehen, dass es eine Wegzugssteuer gibt und so weiter und so weiter.
Heinemann: Also noch mehr Staat, mehr Bürokratie und weitere Fesseln?
Schlecht: Sie sagen, die können rechnen. Ich glaube, die können rechnen, aber im Interesse der Reichen können die rechnen. So muss man das, glaube ich, sehen.
Heinemann: Vielleicht auch im Interesse der Arbeitsplätze.
Schlecht: Na das sehe ich nicht. Der Punkt ist der: Wenn die Besteuerung mit viel niedrigeren Freibeträgen operiert und die wirklich Reichen zur Kasse gebeten werden, könnte man ja mit langfristigen Stundungsregelungen operieren. Oder eine Sache, die sehr wenig diskutiert wird, die von uns aber vorgeschlagen wird: Man könnte auch die Möglichkeit schaffen, dass Betriebserben im Volumen ihrer Erbschaftssteuerverpflichtung sie dieses Geld in eine Betriebsgesellschaft einzahlen, die dann den Beschäftigten gehört, so dass die Einkommensanteile im Betrieb bleiben, aber die Einkommen ...
Heinemann: Das versteht doch kaum noch ein Mensch. Das klingt doch wahnsinnig kompliziert.
"Kein Resultat eigener Hände Arbeit"
Schlecht: Nein, das klingt überhaupt nicht kompliziert. Ich finde, es ist auch ein Skandal, dass jemand, der dort plötzlich 26 Millionen erbt, das ist doch kein Resultat eigener Hände Arbeit. Das ist auch nicht Resultat der Arbeit des Verstorbenen, sondern das sind doch Beträge, die über Jahrzehnte die Beschäftigten erarbeitet haben. Und das soll jetzt auch noch vollkommen steuerfrei irgendwelchen Nachkömmlingen, irgendwelchen Erben vollkommen ohne eigene Leistung in die Hände fallen? Das ist wirklich ein Skandal ohne gleichen, finde ich.
Heinemann: Aber doch nicht zum Verprassen, sondern um den Betrieb weiterzuführen.
Schlecht: Sie können ihn weiterführen, aber es ist auch so, dass Sie natürlich nach einer bestimmten Anzahl von Jahren entsprechende Gelder da rausziehen können. Man muss ja auch wissen: Zu diesem Betriebsvermögen gehört ja auch zum Teil Aktienvermögen. Da haben Leute in der Hülle von solchen Betrieben ein Vermögen von vielleicht 10, 15 Millionen Aktien, die sie auch sozusagen vollkommen steuerfrei geschenkt bekommen, und das ist wirklich ein Unding und es wäre eine hervorragende Möglichkeit, mit einer viel strengeren Fassung des Erbschaftssteuergesetzes hier einen Hebel einzusetzen, um die Gerechtigkeit ein Stück zu verbessern. Und vor allen Dingen ist es ja so: Der Staat braucht das Geld. Wir haben große Mängelbereiche, zum Beispiel im Bereich der Dienstleistung, der Pflegebereiche, der Sozialbereiche und so weiter.
Heinemann: Ist nur die Frage, wer dafür zahlen muss.
Schlecht: Ja, die Superreichen!
Heinemann: Entschuldigung, jetzt kommt die Frage. Wenn Sie die Erbschaftssteuer verschärfen wollen, dann machen Sie doch damit den Verkauf eines Unternehmens noch attraktiver.
Schlecht: Aber wenn der das Unternehmen verkaufen würde, dann müsste er ja nun allemal dann die Erbschaftssteuer darauf zahlen. Dann würde er selbst in der heutigen Regelung ja gar nicht mehr unter diese Freibeträge fallen. Selbst wenn er das verkauft, er kommt im Grunde ja dann, wenn man es vernünftig gestaltet, gar nicht aus der Erbschaftssteuerpflicht heraus.
Heinemann: Herr Schlecht, erst wenn das letzte Familienunternehmen Pleite ist, wird die Linkspartei erkennen, dass Ideologie keine Arbeitsplätze schafft.
Schlecht: Ja das ist eine blöde Polemik, auf Deutsch gesagt. Das ist ja vermutlich ein Zitat, das Sie da bringen. Es stammt ja nicht von Ihnen.
Heinemann: Eine leichte Abwandlung eines Zitats.
"Wir haben nichts gegen Familienunternehmen"
Schlecht: Wir haben ja nichts gegen Familienunternehmen. Aber man muss sich überlegen: 26 Millionen oder 52 Millionen sind riesige Beträge und da könnten diese Herrschaften sehr wohl Erbschaftssteuer drauf zahlen. Man könnte diese Erbschaftssteuer, wenn es den Unternehmen schwerfällt, auch strecken in Teilzahlungen über zehn Jahre hinweg und dergleichen mehr, ohne dass das wirklich die Fortführung des Betriebes behindert. Aber sie sollen entsprechend beteiligt werden.
Heinemann: Nun ist dieses Betriebsvermögen ja schon mal besteuert worden. Würden Sie gerne doppelt besteuert?
Schlecht: Ich würde ja sagen, was ist das überhaupt für ein Vermögen. Ich behaupte ja, dieses Vermögen ist ja nicht durch die Patriarchen, denen das Unternehmen bisher gehörte, erarbeitet worden.
Heinemann: Na gut, da sind die Besitzverhältnisse relativ klar.
Schlecht: Ja, das sind die formaljuristischen Besitzverhältnisse. Nur das Eigentum, das Vermögen ist nicht von den Besitzern erarbeitet worden, sondern es ist zu 80, 90 Prozent von den Beschäftigten erarbeitet worden, und insofern ist umso mehr ein Anspruch darauf, dass spätestens zumindest im Erbschaftsfall ein Teil dieses erarbeiteten Vermögens dem Gemeinwesen, dem Staat zufällt, damit Kindertagesstätten eingerichtet werden können oder verbessert werden können, damit im Pflegebereich was passieren kann und dergleichen mehr.
Heinemann: Michael Schlecht, Mitglied der Bundestagsfraktion Die Linke, wirtschaftspolitischer Sprecher. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.
Schlecht: Ja, danke schön. Auf Wiederhören.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.