Danton: " Die Elenden, welche mich anklagen, mögen hier erscheinen, und ich werde sie mit Schande bedecken. "
Direkt anklagen kann man Thomas Thiemes "Danton" nicht. Er hat da gestern bei der Premiere im Bochumer Schauspielhaus die Titelrolle nicht nur verkörpert - sondern gleichzeitig, zusammen mit Co-Regisseur und Dramaturg Thomas Potzger, auch das Stück inszeniert. Dieses Stück, das Müdigkeit, Verzweiflung und aufschwingenden Mut und Hochmut der Revolutionäre im Hin und Wider zeigt. Und genau da scheint das Problem zu liegen. Szenen werden ineinander geschoben, was schön sein, aber auch Verwirrung stiften kann. Und wenn dann mal die Fronten geklärt werden könnten, im Sinne Büchners, der auch Parallelen zwischen Danton und Robespierre gelegt hat, verstreicht die Chance. - Wo war Robespierre? Ernst Stötzner spielt ihn wie einen Fußballtrainer, so dynamisch, so wippend jede Geste, die Hände in den Hüften und mit aufgeknöpftem Hemd. Verkniffen wirkt dieser Robespierre nicht, dafür mag deutlicher werden, dass ihn die Volksmannschaft feuerte, wenn der Kopfball nicht mehr rollte. In sich zerrissen wie der müde Danton wirkt er nicht, selbst den Monolog zum Traum spricht er mit geballter Faust und ins Publikum. Und Danton wacht zu spät auf:
" Von einem Revolutionär wie ich darf man keine kalte Verteidigung erwarten. Männer meines Schlages sind in Revolutionen unschätzbar, auf ihrer Stirne schwebt das Genie der Freiheit. "
Thomas Thiemes Danton hat viel von Melancholie und gleichgültiger Wollust, von ausgetretenen, durchdachten Argumentationspfaden und von der Last der Verantwortung, die Septembermorde scheinen auf die Atemwege zu drücken - aber meistens ist er so weit weg, dass man ihm kaum mehr folgen kann. Will man mitfühlen mit diesem Mann? Erstens ist es Danton wohl egal, und zweitens wäre er sowieso nicht dankbar. Aber die Rolle ist in sich schon stimmig so.
" Du elender St. Just wirst der Nachwelt für diese Lästerung verantwortlich sein! "
Nun ist die Gestaltung der St.-Just-Figur eine der klarsten: Marek Harloff messdienert in seiner braven Kühle sehr geschmeidig und hintergründig durch die Szenerie, so dass man ihm abnähme, dass er die Fäden im Hintergrund zieht - hielte er nicht seine Rede vor dem Konvent mit der Gestik einer Marionette. Die machtvolle Gelassenheit von St. Just wird auch deswegen unheimlich, weil hier zwar einer mit Selbstsicherheit zu argumentieren scheint, die Hosen vielleicht trotzdem voll hat (die Gesten haben nichts Festes) - und dabei sehr gefährlich ist.
Noch mehr Aspekte bringt Thomas Anzenhofer in seinem Thomas Payne zusammen, als er mit nervöser Ironie, skeptisch, aggressiv, in leicht verrückter Isolation immer noch vernünftig zur Existenz oder Nicht-Existenz eines Gottes argumentiert.
Die ganze Schauspielertruppe spielt nun auf einem Netz von Begebenheiten und Unterhaltungen. "Das politische Theater der Huren von Paris" stellt die intrigante Hinterzimmerberatung dar, in der Danton durch die Auswahl der Geschworenen zu Fall gebracht werden soll, mit Schweinemasken und sehr mitreißend - aber insgesamt gibt es wohl zu viel "Liberté, Egalité, Sexualité", wie die T-Shirts der Huren proklamieren. Der Sex stört dabei überhaupt nicht, er läuft oft so beiläufig ab wie Sich-am-Knie-Kratzen - aber mehr Konzentration hätte der Bühne und der Inszenierung ganz gut getan: Dramatische Schwerpunkte sind manchmal kaum auszumachen oder gehen ineinander über, viele Figuren sind gleichzeitig über die Bühne verteilt, in einem meist einheitlichen Licht, bei Begegnungen kommt man sich nicht wirklich näher - doch wenn das im Sinne Büchners gemeint war: Warum spricht Robespierre dann sein "Ich bin allein" so beiläufig im Abgang?
Das Schwebende von Luciles Monolog vor ihrem Selbstmord wird tränen-erden. Dagegen schrumpft die Metapher des Herrn, der es nicht wagt, in eine Pfütze zu treten, weil die Erde eine solch "dünne Kruste" ist, zum Untertitel, indem der Herr sein Glas zertritt. Im Film hätte das vielleicht eine Wirkung, auf der Bühne verpufft es.
Die ganze Bühne - gestaltet von Intendant Elmar Goerden - sieht aus wie ein Lagerhaus, besteht aus Kisten, auf denen oft zu lesen ist: "fragile". Zerbrechlichkeit zu zeigen, das hätte ein Ziel des Abends sein können. Herausgearbeitet wird aber Lethargie, totgelaufende Leidenschaft. Zulässig ist das auf jeden Fall. Wenn aber alles so innerhalb eines Raumes zusammenfließt, verliert es die Brüchigkeit, die man bei Büchner erwartet, und damit auch an Widersprüchlichkeit und Spannung.
Direkt anklagen kann man Thomas Thiemes "Danton" nicht. Er hat da gestern bei der Premiere im Bochumer Schauspielhaus die Titelrolle nicht nur verkörpert - sondern gleichzeitig, zusammen mit Co-Regisseur und Dramaturg Thomas Potzger, auch das Stück inszeniert. Dieses Stück, das Müdigkeit, Verzweiflung und aufschwingenden Mut und Hochmut der Revolutionäre im Hin und Wider zeigt. Und genau da scheint das Problem zu liegen. Szenen werden ineinander geschoben, was schön sein, aber auch Verwirrung stiften kann. Und wenn dann mal die Fronten geklärt werden könnten, im Sinne Büchners, der auch Parallelen zwischen Danton und Robespierre gelegt hat, verstreicht die Chance. - Wo war Robespierre? Ernst Stötzner spielt ihn wie einen Fußballtrainer, so dynamisch, so wippend jede Geste, die Hände in den Hüften und mit aufgeknöpftem Hemd. Verkniffen wirkt dieser Robespierre nicht, dafür mag deutlicher werden, dass ihn die Volksmannschaft feuerte, wenn der Kopfball nicht mehr rollte. In sich zerrissen wie der müde Danton wirkt er nicht, selbst den Monolog zum Traum spricht er mit geballter Faust und ins Publikum. Und Danton wacht zu spät auf:
" Von einem Revolutionär wie ich darf man keine kalte Verteidigung erwarten. Männer meines Schlages sind in Revolutionen unschätzbar, auf ihrer Stirne schwebt das Genie der Freiheit. "
Thomas Thiemes Danton hat viel von Melancholie und gleichgültiger Wollust, von ausgetretenen, durchdachten Argumentationspfaden und von der Last der Verantwortung, die Septembermorde scheinen auf die Atemwege zu drücken - aber meistens ist er so weit weg, dass man ihm kaum mehr folgen kann. Will man mitfühlen mit diesem Mann? Erstens ist es Danton wohl egal, und zweitens wäre er sowieso nicht dankbar. Aber die Rolle ist in sich schon stimmig so.
" Du elender St. Just wirst der Nachwelt für diese Lästerung verantwortlich sein! "
Nun ist die Gestaltung der St.-Just-Figur eine der klarsten: Marek Harloff messdienert in seiner braven Kühle sehr geschmeidig und hintergründig durch die Szenerie, so dass man ihm abnähme, dass er die Fäden im Hintergrund zieht - hielte er nicht seine Rede vor dem Konvent mit der Gestik einer Marionette. Die machtvolle Gelassenheit von St. Just wird auch deswegen unheimlich, weil hier zwar einer mit Selbstsicherheit zu argumentieren scheint, die Hosen vielleicht trotzdem voll hat (die Gesten haben nichts Festes) - und dabei sehr gefährlich ist.
Noch mehr Aspekte bringt Thomas Anzenhofer in seinem Thomas Payne zusammen, als er mit nervöser Ironie, skeptisch, aggressiv, in leicht verrückter Isolation immer noch vernünftig zur Existenz oder Nicht-Existenz eines Gottes argumentiert.
Die ganze Schauspielertruppe spielt nun auf einem Netz von Begebenheiten und Unterhaltungen. "Das politische Theater der Huren von Paris" stellt die intrigante Hinterzimmerberatung dar, in der Danton durch die Auswahl der Geschworenen zu Fall gebracht werden soll, mit Schweinemasken und sehr mitreißend - aber insgesamt gibt es wohl zu viel "Liberté, Egalité, Sexualité", wie die T-Shirts der Huren proklamieren. Der Sex stört dabei überhaupt nicht, er läuft oft so beiläufig ab wie Sich-am-Knie-Kratzen - aber mehr Konzentration hätte der Bühne und der Inszenierung ganz gut getan: Dramatische Schwerpunkte sind manchmal kaum auszumachen oder gehen ineinander über, viele Figuren sind gleichzeitig über die Bühne verteilt, in einem meist einheitlichen Licht, bei Begegnungen kommt man sich nicht wirklich näher - doch wenn das im Sinne Büchners gemeint war: Warum spricht Robespierre dann sein "Ich bin allein" so beiläufig im Abgang?
Das Schwebende von Luciles Monolog vor ihrem Selbstmord wird tränen-erden. Dagegen schrumpft die Metapher des Herrn, der es nicht wagt, in eine Pfütze zu treten, weil die Erde eine solch "dünne Kruste" ist, zum Untertitel, indem der Herr sein Glas zertritt. Im Film hätte das vielleicht eine Wirkung, auf der Bühne verpufft es.
Die ganze Bühne - gestaltet von Intendant Elmar Goerden - sieht aus wie ein Lagerhaus, besteht aus Kisten, auf denen oft zu lesen ist: "fragile". Zerbrechlichkeit zu zeigen, das hätte ein Ziel des Abends sein können. Herausgearbeitet wird aber Lethargie, totgelaufende Leidenschaft. Zulässig ist das auf jeden Fall. Wenn aber alles so innerhalb eines Raumes zusammenfließt, verliert es die Brüchigkeit, die man bei Büchner erwartet, und damit auch an Widersprüchlichkeit und Spannung.