Hoffentlich können Sie mit gutem Gewissen Beifall klatschen, sagt da einer der 15 ehemaligen Stasi-Gefangenen. Bei der Diskussion im Anschluss an die Dokumentartheateraufführung "Staatssicherheiten" war man sich im Potsdamer Publikum bei der Verurteilung der Verbrechen ehemaliger Stasi-Mitarbeiter einig. Aber, so merkte dann ein junger Mann im Publikum an, in Potsdam stellt die stark von ehemaligen PDS-Parteigängern geprägte "Linke" die stärkste Fraktion im Stadtparlament. Die 15 Opfer der widerrechtlichen Verhaftungen, Verhöre, Gefängnisaufenthalte wissen aus bitterer Erfahrung, dass ihre ehemaligen Peiniger im Deutschland der Wiedervereinigung still und heimlich ihre Verbindungen weiter entwickeln, ihre Pfründe sichern, politische Bündnisse neu formieren. Und sie wissen, dass im Publikum dieses Theaters notwendigerweise der eine oder andere ehemalige informelle Mitarbeiter, Spitzel und Stasi-Zuträger sitzt. Ein Kampf gegen einen unsichtbaren, in der wohlfeilen Gutmenschen-Gemeinschaft versteckten Gegner ist also diese Form von politischem Theater. Es bringt in der Regie von Clemens Bechtel, so ganz in der Tradition des längst etablierten Dokumentartheaters à la Rimini-Protokoll, die Betroffenen auf die Bühne und lässt sie selbst von ihren Erfahrungen mit der Stasi berichten:
"Ich habe mich extra fein angezogen, im Pelzmantel meiner Mutter, denn ich weiß, die Staatsicherheit hat ein Feindbild von Bürgerrechtlerinnen in Sackkleidern und alles verhüllenden Tücher. Aber bevor ich mich in den Demonstrationszug einreihen kann, werde ich von hinten gepackt: "Komm mit!""
Die ehemalige DDR- Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld gehört zu den prominenteren Stasi-Opfern in dieser von Renate Kreibich und Lea Rosh konzipierten Arbeit. Nun weiß man ja, dass es schon in der alten Bundesrepublik keinen Menschen gab, der mit mehr Gewissheit ausgestattet ist, der guten Sache zu dienen als eben Lea Rosh, aber dennoch verkommt der Abend nicht zum selbstgerechten Nachhaken gegenüber einem untergegangenen Regime. Denn die wegen diverser größtenteils zusammenkonstruierten Delikte inhaftierten Bürger aus dem Osten aber auch aus dem Westen tragen eine Wahrheit in sich, die jeden skeptischen Einspruch widerlegt: Das Theater, diese Anstalt des ins Moralische sublimierten Mitleidens, macht die erlittene Qual der 15 Stasi-Opfer zur kollektiven Erfahrung und vor allem glaubhaft, was in der anschließenden Diskussion zur Sprache kam, dass man nämlich nicht sicher sein kann, dass der deutsche Untertan sich wirklich seit '89 unwiderruflich in einen Staatsbürger verwandelt hat. Hans-Eberhard Zahn, der 7 Jahre unter anderem in Hohenschönhausen inhaftiert war, erinnerte in der Diskussion an die Selbstgewissheit seiner Peiniger.
"Ein Major der Staatsicherheit hat mir einmal gesagt: "Unsere Partei ist der Arzt am Krankenbett der Gesellschaft". Meine Frage daraufhin: Wer har denn eigentlich diesen Arzt approbiert?" Da kam sehr prompt die Antwort: "Na selbstverständlich die Geschichte". "
Ein ungleich lustigeres und entspannteres Stück biografischen Theaters hatte Adriana Altaras zusammen mit Co-Autor Dirk Olaf Hanke in "Der Fall Janke" am Vorabend im Hans-Otto-Theater uraufgeführt. Vierzig Jahre lang verbrachte der manisch erfindende Schizophrenie-Patient in der psychiatrischen Anstalt Hubertusburg in Wermsdorf bei Leipzig. Er erfand fieberhaft Luftschiffe, mit denen er aus der Enge seiner Zelle auch in den Weltraum herausgriff und fertigte um die 2.500 kunstvolle Zeichnungen an, während der einstige Nazi-Ingenieur Wernher von Braun in den USA seine Raketenentwicklungen fortsetzte, die in der realen Eroberung des Raum und der Mondlandung gipfelten. Regisseurin Adriana Altaras bringt beide Figuren zusammen in eine Anstaltssituation, in die musikalisch die Ostalgie hineinweht.
"... und wir lieben die Heimat, die Schöne
Und wir schützen sie weil sie dem Volke gehört
Weil sie unserem Volke gehört."
Gleich mehrere Lieder hintereinander schmettern die sangeslustigen Anstaltsinsassen zu Beginn der Aufführung, die in ihrer unausgesetzten Unterhaltungswut eigentlich alle Fragen wegfegt, die bei diesem Thema von Interesse wären: Die Frage wie das Gehirn eines autistischen Erfinders funktioniert, die Frage nach dem Verhältnis von DDR-Politik und Psychiatrie, die Frage nach dem Zusammenhang von Wahn, Genie und künstlerischer Produktion, die posthume Ausstellungen der Zeichnungen Karl Hans Jankes vor Jahren dokumentierten. Das Themenwochenende mit biografischem Theater, zuerst als lustige Farce und dann als gewissenschweres Zeitdokument, diese DDR-Gefängnisgeschichten in Potsdam zeigen deutlich: Wo die jüngste Geschichte erst noch verarbeitet, verstanden werden muss, kann das authentische Zeugnis oft ungleich mehr leisten, als die Kunst des Theaters.
"Ich habe mich extra fein angezogen, im Pelzmantel meiner Mutter, denn ich weiß, die Staatsicherheit hat ein Feindbild von Bürgerrechtlerinnen in Sackkleidern und alles verhüllenden Tücher. Aber bevor ich mich in den Demonstrationszug einreihen kann, werde ich von hinten gepackt: "Komm mit!""
Die ehemalige DDR- Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld gehört zu den prominenteren Stasi-Opfern in dieser von Renate Kreibich und Lea Rosh konzipierten Arbeit. Nun weiß man ja, dass es schon in der alten Bundesrepublik keinen Menschen gab, der mit mehr Gewissheit ausgestattet ist, der guten Sache zu dienen als eben Lea Rosh, aber dennoch verkommt der Abend nicht zum selbstgerechten Nachhaken gegenüber einem untergegangenen Regime. Denn die wegen diverser größtenteils zusammenkonstruierten Delikte inhaftierten Bürger aus dem Osten aber auch aus dem Westen tragen eine Wahrheit in sich, die jeden skeptischen Einspruch widerlegt: Das Theater, diese Anstalt des ins Moralische sublimierten Mitleidens, macht die erlittene Qual der 15 Stasi-Opfer zur kollektiven Erfahrung und vor allem glaubhaft, was in der anschließenden Diskussion zur Sprache kam, dass man nämlich nicht sicher sein kann, dass der deutsche Untertan sich wirklich seit '89 unwiderruflich in einen Staatsbürger verwandelt hat. Hans-Eberhard Zahn, der 7 Jahre unter anderem in Hohenschönhausen inhaftiert war, erinnerte in der Diskussion an die Selbstgewissheit seiner Peiniger.
"Ein Major der Staatsicherheit hat mir einmal gesagt: "Unsere Partei ist der Arzt am Krankenbett der Gesellschaft". Meine Frage daraufhin: Wer har denn eigentlich diesen Arzt approbiert?" Da kam sehr prompt die Antwort: "Na selbstverständlich die Geschichte". "
Ein ungleich lustigeres und entspannteres Stück biografischen Theaters hatte Adriana Altaras zusammen mit Co-Autor Dirk Olaf Hanke in "Der Fall Janke" am Vorabend im Hans-Otto-Theater uraufgeführt. Vierzig Jahre lang verbrachte der manisch erfindende Schizophrenie-Patient in der psychiatrischen Anstalt Hubertusburg in Wermsdorf bei Leipzig. Er erfand fieberhaft Luftschiffe, mit denen er aus der Enge seiner Zelle auch in den Weltraum herausgriff und fertigte um die 2.500 kunstvolle Zeichnungen an, während der einstige Nazi-Ingenieur Wernher von Braun in den USA seine Raketenentwicklungen fortsetzte, die in der realen Eroberung des Raum und der Mondlandung gipfelten. Regisseurin Adriana Altaras bringt beide Figuren zusammen in eine Anstaltssituation, in die musikalisch die Ostalgie hineinweht.
"... und wir lieben die Heimat, die Schöne
Und wir schützen sie weil sie dem Volke gehört
Weil sie unserem Volke gehört."
Gleich mehrere Lieder hintereinander schmettern die sangeslustigen Anstaltsinsassen zu Beginn der Aufführung, die in ihrer unausgesetzten Unterhaltungswut eigentlich alle Fragen wegfegt, die bei diesem Thema von Interesse wären: Die Frage wie das Gehirn eines autistischen Erfinders funktioniert, die Frage nach dem Verhältnis von DDR-Politik und Psychiatrie, die Frage nach dem Zusammenhang von Wahn, Genie und künstlerischer Produktion, die posthume Ausstellungen der Zeichnungen Karl Hans Jankes vor Jahren dokumentierten. Das Themenwochenende mit biografischem Theater, zuerst als lustige Farce und dann als gewissenschweres Zeitdokument, diese DDR-Gefängnisgeschichten in Potsdam zeigen deutlich: Wo die jüngste Geschichte erst noch verarbeitet, verstanden werden muss, kann das authentische Zeugnis oft ungleich mehr leisten, als die Kunst des Theaters.