Durch das Rasengrün im Hamburger Lohsepark in der Hafencity zieht sich ein hellgrauer Schotterstreifen nach Süden. Rechts und links begrenzen schräg aufragende Betonwände den Streifen. Bis zu seiner Sprengung 1955 stand hier der Hannoversche Bahnhof, erzählt der an der Konzeption des Gedenkorts beteiligte Historiker Detlef Garbe, von hier aus wurden über 8000 Juden, Sinti und Roma deportiert:
"Die Deportationen, die in diesen Kriegsjahren von der Gestapo und im Fall der Sinti und Roma von der Kriminalpolizei organisiert, stattfanden, gingen von diesem Ort aus. Die Ausnahmen betreffen zum Beispiel jene jüdischen Anstaltspatienten. Die wurden vom Güterbahnhof in Langenhorn weggeschafft. Anders als in Berlin, wo von drei Bahnhöfen aus deportiert wurde, kann man, wenn man diese Ausnahmen mitbedenkt, sagen: fast alles geschehen ist über diesen Ort gegangen."
Erst 2004 begannen erste Planungen für einen Gedenkort "Hannoverscher Bahnhof", der in Zukunft auch um ein Dokumentationszentrum erweitert werden soll.
Heute, zur Einweihung des Orts waren die Plätze in dem langgestreckten , weißen Festzelt voll besetzt, einige Gäste konnten die Rede des Ersten Bürgermeisters Olaf Scholz nur von Draußen hören:
"Mein Damen und Herren! Mit dem Denkmal 'Hannoverscher Bahnhof' erhält Hamburg mitten in der pulsierenden Hafencity einen Ort des Innehaltens und des Erinnerns an die in Konzentrationslager deportierten Juden, Sinti und Roma. In das Gedenken sind auch alle eingeschlossen, die aus Hamburg verschleppt wurden. Aus dem Ort des Schreckens wird nun ein Ort der Mahnung!"
"Ein notwendiges Zeichen"
Mark Dainow vom Zentralrat der Juden in Deutschland dankte vor allem den angereisten Überlebenden für ihr Kommen. Dass sie heute nach Hamburg gekommen sind, empfindet Mark Dainow als Triumph über das Böse, als ein Heraustreten aus den Schatten der Vergangenheit.
"Dass wir an diesem Gedenkort heute sind und ihn heute einweihen, ist auch ein notwendiges Zeichen in einer Zeit, in der populistische Parolen, agitatorische Reden und das Schüren von irrationalen Ängsten sowie demokratiefeindliche Stimmung wieder in Deutschland zu beobachten sind!"
Eine von denen, die zurückgekehrt sind zu diesem Ort, der das Leben von über 8.000 Menschen so dramatisch verändert hat, ist Else Baker, geborene Schmidt:
"Ich war acht Jahre alt zu der Zeit. Ich wurde von meinen Pflegeeltern weggerissen und war ganz alleine. Wurde abtransportiert von diesem Bahnhof, in dem heute die Gedenkfeier stattfindet. Ich habe fast keine Erinnerung daran, muss ich schon sagen. Ich war zu traumatisiert, als achtjähriges Kind!"
Vertrauen in das Gute im Menschen verloren
Else Baker wurde nach Auschwitz deportiert. Ohne ihre Pflegeeltern, ohne den deutschen Vater und die Mutter, deren Eltern zu den Sinti und Roma gehörten. Else Baker war, so erzählt sie heute, nach den Rassegesetzen der Nationalsozialisten zu einem Viertel auch Sinti und Roma. Ihr Pflegevater hat ihr damals das Leben gerettet. Er stellte Anfragen bei den Behörden, reiste nach Auschwitz, kämpfte um sein Pflegekind:
"Ich wurde vor Kriegsende entlassen. Ich wurde von Auschwitz nach Ravensbrück transportiert und wurde von meinem Pflegevater im September 1944 von meinem Pflegevater abgeholt aus Ravensbrück. "
Natürlich freue sie sich über den neuen Gedenkort, auch wenn es sehr lange, über 70 Jahre gedauert hat. Wie Mark Dainow vom Zentralrat der Juden in Deutschland bedrückt aber auch Else Baker das Aufkommen rechtspopulistischer und fremdenfeindlicher Parteien:
"Mein erster Gedanke ist: hoffentlich wird die Gedenkstätte nicht geschändet. Das ist mein erster Gedanke. Heutzutage. Wie die politische Lage so aussieht."
Das Vertrauen in das Gute im Menschen, an die Vernunft, erzählt die ältere Dame, dieses Vertrauen hat sie in Auschwitz und Ravensbrück verloren.