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Hamburger Hafen
Fischer lehnen Elbvertiefung ab

In das Verfahren zur Elbvertiefung vor dem Bundesverwaltungsgericht setzen die wenigen verbliebenen Hamburger Fischer große Hoffnungen. Sie lehnen den Eingriff in die Natur ab, nicht nur weil sie massive Einbußen befürchten. Der Hamburger Senat vertrete einseitig die Interessen der großen Umschlagsbetriebe, so die Klage Betroffener.

Von Axel Schröder |
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    14,5 Meter tief soll der Fluss einmal werden, auf 108 Kilometern, von Hamburg bis zur Mündung in die Nordsee. (picture alliance / dpa / Soeren Stache)
    Gerade ist die Sonne untergegangen, ein leuchtend gelbes Band überspannt den Horizont über der Elbe im Westen Hamburgs. Der Elbfischer Lothar Buckow steht in dicken, schmutziggrüner Gummihosen an Bord seines Kutters. Im kleinen Steuerhaus steht sein Gehilfe. Die beiden fahren raus zu den Netzen, hoffen auf einen guten Fang. Abnehmer gibt es genug, so Buckow:
    "Mit Aal ist das immer weniger geworden. Und mit Stint habe ich nachher den Ganzen Fischmarkt Hamburg beliefert. Tue ich auch heute noch. Den kompletten Hamburger Fischmarkt! Und dann haben wir noch ungefähr fünfzig Gastronomien, die Stint kriegen. Solange ich meine Kunden immer regelmäßig bediene, bleiben sie mir auch treu! Auch der Hamburger Fischmarkt."
    In das heute beginnende Verfahren zur Elbvertiefung vor dem Leipziger Bundesverwaltungsgericht setzt Buckow große Hoffnungen. Er wünscht sich, dass die Baggerarbeiten untersagt werden, weil sie – so sieht es Buckow – nicht nur die Laichgründe der Fische zerstören, sondern Tausende von ihnen auch töten würde. Schon heute sterben in besonders heißen Sommermonaten die Fische im Hafen, weil der Sauerstoffgehalt drastisch sinkt, erklärt der Elbfischer:
    "Hier ist es eben so, wenn es sechs bis acht Wochen dauert: der Fisch hat so einen Drang, die Elbe hoch oder runter zu schwimmen, dass er sich dann in die Todeszone begibt und dann jämmerlich stirbt. Wir haben hier die letzten Jahre es ganz verschärft so gehabt, dass ganze Stint-Generationen fehlten."
    Auch die Fischer sollen auf ihre Kosten kommen
    Früher, in den Sechzigerjahren gab es noch ein paar hundert Elbfischer, deren Netze voll waren mit Lachsen, Stinten, Aalen oder Stör. Heute gibt es nur noch ein Dutzend Betriebe, die von der Fischerei leben können. Und Lachse gibt es schon lange nicht mehr in der Elbe. Buckow ärgert sich darüber, kritisiert, dass der Hamburger Senat vor allem die Interessen der großen Umschlagsbetriebe im Hafen vertritt. Natürlich soll der Hafen brummen, so Buckow, aber auch die Fischer sollen auf ihre Kosten kommen:
    "Wenn die Industrie sich meldet, denn kuscht der Hamburger Senat. Das geht immer nur um Milliarden, es geht immer um ganz viel Geld. Vier hauptberufliche leben von der Elbe unmittelbar. Aber diese vier Fischer haben doch auch das Recht, ihren Job zu machen und warum müssen sie immer weichen, nur weil andere daraus einen Vorteil ziehen. Das sehen wir überhaupt gar nicht ein. – Was passiert mit der Natur, wenn dieser Eingriff gemacht wird?"
    Buckow steht an der Winde, die die Netze aus dem Wasser hieven sollen. Seit 1987 fischt er in der Elbe. Kennt Wind und Wellen über Wasser und jede Untiefe, jede Erhebung auf dem Grund der Elbe. Und die Wucht der Strömung, die die Baggerarbeiten der letzten Elbvertiefung noch verstärkt hat:
    "Und an diesen Rändern, wo es ins Tiefe geht – da ist früher mal viel Fisch gefangen worden – da kann man heute gar nicht mehr fischen. Weil diese Abbruchkante von sechs, sieben Metern auf 14, 15 Meter runtergeht. Und im Fahrwasser fischen – nicht nur, dass es verboten ist – ist auch gefährlich. Wenn man da mit seinen Reusen auf die Kante kommt und dann ins Fahrwasser unten rein. Da kann man die Reusen gar nicht halten. Da ist die Strömung ja auch viel stärker!
    Der Fischer glaubt nicht an die Zahlen der Planer
    14,5 Meter tief soll der Fluss einmal werden, auf 108 Kilometern, von Hamburg bis zur Mündung in die Nordsee. 40 Millionen Tonnen Sedimente sollen die Baggerschiffe vom Grund kratzen. Bei der letzten Vertiefung, abgeschlossen 1999, war es nicht mal die Hälfte. Einbußen von 30 bis 50 Prozent wird er durch die Elbvertiefung haben, schätzt Buckow.
    Der Fischer wirft die Seilwinde an, die die Netze aus dem dunklen Wasser zieht. Dass die Planer des Projekts versucht haben, den Eingriff ins Ökosystem möglichst gering zu halten, dass sie mit mächtigen Unterwasserbauwerken die Strömungsgeschwindigkeit ausbremsen wollen, all das kann den Elbfischer Lothar Buckow nicht beruhigen. Er glaubt nicht an die Zahlen der Planer, an Koeffizienten und Computersimulationen:
    "Das sind diese Ingenieure. Die dann alles so auf dem Reißbrett so hinmalen. Und so soll es dann funktionieren. Und es funktioniert überhaupt gar nicht. Die haben hier vor Jahren diese sogenannte Schlickfalle gebaut. Da hat sich so viel Schlick drin abgesetzt, dass die Bagger gar nicht gegen ankamen. Und denn haben sie gesagt: "OK, diese Schlickfalle vergessen wir mal ganz schnell wieder!" – So, wie man sich das vorstellt, ist es in der Praxis meistens nicht.
    Gleich ist Feierabend, der Kutter tuckert zum Anleger zurück. 60 Kilo zappelnde, silbrige Stinte liegen in drei Plastikboxen an Deck. Ende August wird mit einer Entscheidung der Leipziger Bundesverwaltungsrichter gerechnet. Sie nehmen sich Zeit, prüfen, wägen ab. Die Elbe bleibt – zumindest vorerst – so wie sie ist.