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Hebammen-Versicherungen
"Die Arbeit wird nicht gerecht entlohnt"

Die Versicherungsprämien für Hebammen steigen heute erneut. Blanka Sander, freiberufliche Hebamme, betreut selbst keine Geburten mehr, weil es sich nicht mehr rentiert: "Jeder Handwerker verdient mehr als wir", sagte sie im DLF und forderte eine gerechtere Entlohnung für die Verantwortung, die die Geburtshelferinnen tragen.

Blanka Sander im Gespräch mit Sarah Zerback |
    Die Hebamme Lena Ehlebracht untersucht am 06.03.2014 in Stuttgart (Baden-Württemberg) ein Baby.
    Hebammen kommen auch nach der Geburt zur Nachsorge ins Haus. (dpa / Franziska Kraufmann)
    Sarah Zerback: Kinder auf die Welt zu bringen, das ist einer der ältesten Berufe der Welt und ein Beruf, der in der heutigen Gesellschaft ohne Großfamilien und gerade in strukturschwachen Gegenden mit weiten Wegen wohl mehr gebraucht wird denn je. Doch aktuell steht er auf der Kippe, denn die Kosten steigen, die Vergütungen nicht, und immer mehr Hebammen in Deutschland geben auf, weil sie sich die Haftpflichtversicherung nicht mehr leisten können. Ab heute sind die Beträge dafür noch einmal gestiegen, auf über 6000 Euro pro Jahr. Mal zum Vergleich: Noch vor zwölf Jahren waren es nur 500 Euro. Und das ist eine Situation, die viele freiberufliche Hebammen verstärkt unter Druck setzt. So auch Blanka Sander. Sie arbeitet seit 2003 als Hebamme in Bielefeld und mit ihr habe ich kurz vor dieser Sendung gesprochen und sie zunächst einmal gefragt, ob ihr der Beruf trotzdem noch Spaß macht.
    Blanka Sander: Ja, na klar. Man lernt ja viele Leute kennen und ganz tolle Familien, viele Kinder, und man ist ja auch immer unterwegs. Das ist schon ganz schön und es macht immer noch Spaß. Und wenn man dann sieht, dass das klappt und man eine gute Betreuung geleistet hat, die Familien zufrieden sind, dann ist das auch schon schön.
    Zerback: Und diesen schönen Beruf, Ihren Traumberuf, können Sie sich den denn noch leisten? Können Sie von dem, was Sie verdienen, noch über die Runden kommen?
    Sander: Ja. Über die Runden kommen - klar: Man muss dann auch schon dementsprechend viele Frauen aufnehmen und annehmen, damit man auf das Geld kommt, was man dann halt braucht, je nachdem wie der Lebensstandard dann ist.
    Zerback: Sie nehmen im Monat in etwa zehn Frauen auf?
    Sander: Genau.
    Zerback: Was gehört denn sonst noch zu Ihren Aufgaben, neben der Betreuung von Geburten?
    Sander: Im Vorfeld sind wir natürlich immer Ansprechpartner für die Frauen, wenn es irgendwelche Fragen gibt, Schwangerschaftsbeschwerden oder irgendwelche Wehwehchen. Oder Vorsorgeuntersuchungen machen wir auch, Kurse, Geburtsvorbereitungskurse. Manche machen auch noch Baby-Massage und Rückbildungsgymnastik und dann halt die Wochenbettbetreuung, die dann nach der Geburt noch kommt.
    "Ich habe im Prinzip plus/minus gearbeitet"
    Zerback: Jetzt sind die Beträge für die Haftpflichtversicherung ab heute ja noch einmal gestiegen.
    Sander: Genau.
    Zerback: 2010 ja auch schon mal.
    Sander: Ja!
    Zerback: Und das hatte ja auch für Sie persönlich schon Konsequenzen. Sie bringen keine Kinder mehr selber auf die Welt. Ist das richtig?
    Sander: Genau! Das mache ich nicht mehr, weil einfach die Versicherung, wenn man das so gegenrechnet mit dem Betrag, den man verdient bei einer Geburt, das sich einfach irgendwann mal nicht mehr rentiert. Damals war das schon so: Da musste man ungefähr 20 Geburten im Jahr, plus/minus 20 Geburten im Jahr machen, um die Versicherung raus zu haben. Jetzt ist es ja noch mehr. Ich glaube, mittlerweile sind es irgendwie 25 oder 30 Geburten, die man im Jahr machen muss, um die zu stemmen. Damals war das so mit Familie: Ich konnte eigentlich nicht mehr als 20, 25 machen. Ich habe im Prinzip da schon plus/minus gearbeitet.
    Zerback: Nun sind die Haftpflichtprämien in den letzten Jahren immer wieder erhöht worden, obwohl es nachweisbar erst mal keine Hinweise darauf gibt, dass Hebammen mehr Fehler machen als früher.
    Sander: Richtig.
    Zerback: Ist das gerecht, Ihrer Meinung nach?
    Sander: Ja, das ist richtig. Wir führen ja auch eigene Statistiken und es ist immer wieder gesagt worden, es gibt nicht mehr Fälle und es sind nicht unbedingt die geburtshilflichen Fälle, die da jetzt vorgefallen sind, sondern es waren ja auch Fälle, die im Wochenbett passiert sind, also im Prinzip nicht unbedingt bei den Hebammen, die auch Geburtshilfe geleistet haben. Das große Problem war aber eher nur, wenn ein Fall aufgetreten ist, dass die Kosten, die sich dann daraus ergeben haben, so enorm in die Höhe gestiegen sind. Es sind nicht nur mehr Fälle, sondern die Kosten, die damit verbunden sind. Ein Kind, was dann pflegebedürftig sein ganzes Leben lang wird, sprengt natürlich den Rahmen der Kosten für die Kassen.
    "Jeder Handwerker verdient mehr als wir"
    Zerback: Hatten Sie selber schon mal einen solchen Fall? Musste die Haftpflichtversicherung da schon mal greifen?
    Sander: Nein! Gott sei Dank nicht.
    Zerback: Inwiefern würden Sie sich denn da eine Unterstützung wünschen, auch politischer Natur, von den Krankenkassen, um das zu lösen?
    Sander: Ich meine, man muss immer auch gucken, was alles so machbar ist. Das ist jetzt schwierig. Wünschen kann man sich natürlich viel. Ich finde schon, dass eine Arbeit, die so viel Verantwortung hat, vor allem jetzt für die Kolleginnen, die Geburtshilfe leisten - die haben ja mindestens zwei Leben, die sie da schützen müssen, wenn es nicht noch mehr Kinder sind -, das, finde ich, wird nicht gerecht entlohnt. So eine Geburt dauert, wenn man Pech hat, 20 Stunden und man muss alles andere darum herum ja auch noch leisten können. Und dann für eine Beleggeburt in der Klinik unter solchen Voraussetzungen irgendwie 350 Euro brutto oder so zu bekommen, finde ich einfach ungerecht. Jeder Handwerker verdient mehr pro Stunde wie wir.
    Zerback: Viel Verantwortung, kein gerechter Lohn.
    Sander: Genau.
    Zerback: ... sagt Blanka Sander, freiberufliche Hebamme aus Bielefeld. Besten Dank, Frau Sander, für das Gespräch.
    Sander: Danke auch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.