Bis zuletzt war er einer der populärsten Staatsmänner, erfreute sich großer Beliebtheit, wurde verehrt und bewundert. Keiner fand - über die Parteigrenzen hinweg - eine derart breite Zustimmung. Helmut Schmidt war für die Jugend zu einer Kultfigur geworden, der stets qualmende, grantige Hanseat mit Ecken und Kanten.
Über 70 Jahre lang stand seine Frau Hannelore, die alle Welt nur Loki nannte, an seiner Seite. Sie starb - 91-jährig - im Oktober 2010. Zuletzt war sie fast genauso populär wie ihr Ehemann. Die Schmidts waren für die Nation eine Art moralisch-politische Instanz. Aus zweierlei Gründen: Die Kompetenz der beiden eigenständigen Persönlichkeiten war unbestritten. Und sie genossen Vertrauen.
Helmut Schmidt, der fünfte Kanzler der Bundesrepublik Deutschland, leitete die Geschicke des Landes als Regierungschef vom Frühsommer 1974 bis zum Herbst'82. Zur Politik fand der Oberleutnant der Flakartillerie unmittelbar nach Kriegsende - geprägt durch den Hass auf das, was seine Generation nach '45 den "Scheißkrieg" nannte.
Bereits 1946 - damals 28-Jährig - schloss sich der Hamburger Helmut Schmidt der SPD an. Sie war auch damals schon sehr vielschichtig, aber - und das war für Schmidt ausschlaggebend - sie war wirklich anti-wilhelminisch und über jeden Verdacht erhaben, jemals mit den Nazis gemeinsame Sache gemacht zu haben. Die SPD wurde sein "Verein" - und blieb es bis zum Schluss, trotz vieler gegenseitiger Irritationen.
1953: Einzug in den Bundestag
Zunächst engagierte sich der spartanisch von seinen Eltern in Hamburg-Barmbek erzogene Volkswirtschaftsstudent im legendären SDS. Gleich 1947 wurde er Bundesvorsitzender des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes. Mit Beginn der zweiten Legislaturperiode zog Helmut Schmidt dann 1953 in den Bundestag ein. Dort wurde er schnell bekannt als brillanter Redner. "Schmidt-Schnauze" machte es den Regierenden nicht leicht - etwa als er sich 1958 entschieden gegen eine atomare Bewaffnung Deutschlands einsetzte:
Zunächst engagierte sich der spartanisch von seinen Eltern in Hamburg-Barmbek erzogene Volkswirtschaftsstudent im legendären SDS. Gleich 1947 wurde er Bundesvorsitzender des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes. Mit Beginn der zweiten Legislaturperiode zog Helmut Schmidt dann 1953 in den Bundestag ein. Dort wurde er schnell bekannt als brillanter Redner. "Schmidt-Schnauze" machte es den Regierenden nicht leicht - etwa als er sich 1958 entschieden gegen eine atomare Bewaffnung Deutschlands einsetzte:
"Wir sagen dem deutschen Volk in voller, ernster Überzeugung, dass der Entschluss, die beiden Teile unseres Vaterlandes mit atomaren Bomben gegeneinander zu bewaffnen, später in der Geschichte einmal als genauso schwerwiegend und verhängnisvoll angesehen werden kann, wie es damals das Ermächtigungsgesetz für Hitler war."
Als Oppositionspolitiker provozierte Schmidt nicht nur die Regierungsparteien, er rieb sich auch schon in frühen Jahren an der SPD. Er hatte eher als andere erkannt, dass sich die Sozialdemokraten nicht auf Dauer den Veränderungen der Zeit verweigern konnten: der Wiederbewaffnung etwa, der Adenauerschen Europapolitik oder der Marktwirtschaft von Ludwig Erhard. Folgerichtig nahm Schmidt auch Einfluss auf die Gestaltung des "Godesberger Programms" vom November 1959, das die SPD von der Klassenpartei zur Volkspartei machte - und später dann zur Regierungspartei.
Im Herbst 1961 wurde Schmidt Hamburger Innensenator. Sein Bundestagsmandat legte er wenige Monate später nieder. Während der Hochwasserkatastrophe im Frühjahr 1962 verhinderte er durch sein unbürokratisches Handeln, durch sein energisches, ja manchmal rücksichtsloses Eingreifen eine ernste Krise. Fortan galt Helmut Schmidt als "exzellenter Krisenmanager", als "Macher":
"Zunächst muss dann wohl gesagt werden, dass wir schon über hundert Tote geborgen haben, über hundert Leichen, und dass es noch wesentlich ansteigen wird. Die Lage ist im Übrigen gekennzeichnet dadurch, dass seit gestern Vormittag nirgendwo mehr akute Lebensbedrohung besteht."
1968: Schmidt wird stellvertretender SPD-Vorsitzender
Willy Brandt holte den Hamburger Parteifreund 1965 als Mitglied seines Schattenkabinetts in den Bundestag zurück. Zwei Jahre später - mittlerweile gab es die Große Koalition in Bonn - übernahm Schmidt die Führung der SPD-Bundestagsfraktion, 1968 wurde er stellvertretender SPD-Vorsitzender.
Die Studentenunruhen erlebten zu dieser Zeit ihren Höhepunkt. Doch für die Anliegen der Außerparlamentarischen Opposition hatte Schmidt kein Verständnis. Im Gegenteil: widerwillig setzte er sich mit den - wie er es sah - "Spaltprodukten" der 68er-Generation auseinander. Immer wieder betonte er, "dass dieser Staat Bundesrepublik Deutschland in der jüngeren Geschichte unseres Volkes derjenige Staat ist, der für seine Bürger bisher jedenfalls das größte Maß an Freiheiten verwirklicht hat. Und das werden wir und wollen wir uns nicht kaputt machen lassen. Weder von rechts noch von links."
Beharrliches Engagement gegen Rechts
Stets zog Helmut Schmidt auch gegen rechts zu Felde. Eine seiner Hauptbeweggründe, sich politisch zu engagieren, war es schließlich, dafür Sorge zu tragen, dass ein zweites Nazideutschland nie wieder möglich werden sollte. Er gehörte schon früh zu den wenigen deutschen Nachkriegspolitikern, die sich öffentlich mit den Verbrechen des Nationalsozialismus auseinandersetzten - zum Beispiel 1978 am 40. Jahrestag der Reichspogromnacht. Diese "deutsche Nacht" blieb für ihn stets Ursache für Bitterkeit und Scham:
"Wo Gotteshäuser brannten, wo auf einen Wink der Machthaber hin zerstört und geraubt, gedemütigt, verschleppt, eingekerkert, gemordet wurde, da gab es keinen Frieden mehr, keine Gerechtigkeit, keine Menschlichkeit mehr. Der 9. November 1938 war eine Station auf dem Wege, auf dem Wege in die Hölle."
Als Fraktionschef während der Großen Koalition erwies sich Helmut Schmidt als hocheffizienter Machttechniker. Sein autoritärer, manchmal ruppiger, auch verletzender Führungsstil fand nicht überall Anklang. Unbestritten aber erwies er sich als Vollblutparlamentarier. Jahre später - im Februar 1994 - hob der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker hervor, dass Helmut Schmidt entscheidend dazu beigetragen habe, "den Bundestag zum wahren Forum der Nation zu machen".
1969: Schmidt wird Verteidigungsminister
Im Oktober 1969 wechselte Schmidt aus dem Parlament in die Regierung. In der sozialliberalen Koalition wurde er Verteidigungsminister - der beste von den wenigen, die die Sozialdemokraten in ihrer langen Geschichte in diesem Amt gestellt haben. So jedenfalls das Urteil vieler Experten.
Als Verteidigungsminister setzte sich Schmidt nachdrücklich für die Beibehaltung atomarer Trägerwaffen in der Bundesrepublik ein. Und schon im Dezember 1969 erklärte er, dass die von der sozialliberalen Koalition in Angriff genommene Entspannungspolitik nicht möglich sei - ohne die Wahrung des Gleichgewichts aller Streitkräfte in Europa, einschließlich der US-amerikanischen Truppen.
Das waren Positionen, die nicht von allen Sozialdemokraten mit Begeisterung verfochten wurden. Im Gegenteil: Konflikte mit Teilen der SPD waren programmiert, vor allem mit den damals als besonders links und rebellisch geltenden Jungsozialisten.
Schmidt als die Nummer Zwei hinter Brandt
Im Juli 1972 trat der Wirtschafts- und Finanzminister aus dem Kabinett Brandt/Scheel, Professor Karl Schiller, zurück. Sein Nachfolger hieß Helmut Schmidt. Und im Wahlkampf 1972 wurde endgültig deutlich, dass Schmidt hinter Brandt die Nummer Zwei war - sowohl in der Bundesregierung als auch in der SPD. Der "Kronprinz" bekam das Finanzressort - mit erweiterten Kompetenzen. In seiner ersten Haushaltsrede als Finanzminister betonte Schmidt bereits 1973 die Bedeutung der Vollbeschäftigung in der Bundesrepublik.
"Vollbeschäftigung gehört nach der festen Überzeugung der Bundesregierung zu den gesellschaftlichen Grundforderungen. Die wichtigste Bedingung der sozialen Stabilität und kann deshalb auch aus Gründen der Preisstabilität nicht aufs Spiel gesetzt werden."
1974: Schmidt wird Bundeskanzler
Am 7. Mai 1974 führte die Affäre um den DDR-Agenten Günter Guillaume im Bundeskanzleramt zum Rücktritt von Willy Brandt. Neun Tage später - am 16. Mai - wurde Helmut Schmidt zum fünften Kanzler der Bundesrepublik gewählt. In seiner Regierungserklärung stellte er erneut Stabilität und Vollbeschäftigung in den Vordergrund. Und er machte klar, dass die Erhaltung und Erfüllung des Grundgesetzes eine Sache sei, die jeden Bürger angehe:
"Nur wenn der Bürger sich für den Staat, nur wenn der Bürger sich selbst mit einsetzt, nur dann hat der Staat die Kraft, die Freiheiten und die Rechte der Bürger zum Wohle aller gegen einseitige Gruppeninteressen abzuschirmen und durchzusetzen."
Kurz nach seinem Amtsantritt als Bundeskanzler hatte Helmut Schmidt die Devise für sein politisches Handeln einmal als die "Rückführung des Bürgers zu den Realitäten" umschrieben - nach mancherlei Höhenflügen der Ära Brandt. Und die Realitäten waren nicht rosig: Konjunkturrückgang, Inflation, zweistellige Lohnerhöhungen, die Ölkrise, weltweite Wirtschaftsrezession. Jetzt war kein Visionär gefragt, sondern ein Macher. Und Helmut Schmidt machte. Seine Stabilitätspolitik fand weltweit Anerkennung. Er avancierte zum "Weltökonom" - ein Titel, der nicht nur Bewunderung ausdrückte, sondern auch Kritik mitschwingen ließ - Kritik an dem stets dozierenden, allwissenden, häufig auch besser wissenden Schmidt.
Früher Verfechter des Euro
Außenpolitisch setzte der Kanzler mit der Prinz-Heinrich-Mütze den Kurs Willy Brandts fort, vermied aber jede Entspannungseuphorie. Auch sie wich dem Realismus: Moskau hatte die Abrüstungserwartungen nicht erfüllt, so dass Schmidt als Pragmatiker der Politik zwischen Nachrüstung und Öffnung balancieren musste. Erinnert sei auch an seine Mitwirkung an der KSZE-Schlussakte von Helsinki oder an sein Engagement für Europa: das Europäische Währungssystem zum Beispiel hat der europäischen Einigung eine neue Dimension gegeben. Und stets hatte sich Schmidt – damals gegen viele Widerstände - für den Euro stark gemacht.
"Es liegt im dringenden patriotischen Interesse, im nationalen Interesse dieses Staates und dieser Nation, dass der europäische Einigungsprozess fortschreitet. Wir haben viele Schritte hinter uns. Jetzt ist der nächste Schritt dran, der heißt Euro, und viele Schritte werden noch folgen müssen."
International genoss Schmidt ein hohes Ansehen. Sein Freund Valery Giscard d'Estaing pries ihn ein Mal als "Inbegriff des modernen Staatsmannes". 1975 wurde er von der Financial Times zum Mann des Jahres gekürt. Im Mai 79 bezeichnete ihn der britische Economist als den einzigen Regierungschef auf westlicher Seite mit "klarem Verstand", der in der Lage sei, "Einigkeit in das westliche Bündnis hineinzubringen".
Regierungszeit vom RAF-Terror geprägt
Die größte innenpolitische Herausforderung während der Regierungszeit von Helmut Schmidt war ohne Frage der Terrorismus in der Bundesrepublik im Jahre 1977: Als "Eiserner Kanzler" bestand er die brutale Herausforderung der Roten Armee Fraktion um Baader und Meinhof. Es war Schmidts Verdienst, den Anschlag auf den Staat zurückzuweisen, der mit der Entführung und Ermordung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer im Oktober 1977 den Höhepunkt erreicht hatte.
"Was unser Volk in diesen Tagen an Haltung gezeigt hat, wird von der zivilisierten Welt mit Respekt und Mitgefühl betrachtet. Die ganze Welt erfährt in diesen Jahren in vielen Ländern das Wiederaufleben zerstörerischer Gewalt, von der doch die Menschheit glaubte, dass sie durch geschichtliche Erfahrungen, dass sie durch menschliche Moral überwunden sei. Es gibt aber kein politisches Prinzip, mit welchem der Rückfall von der Menschlichkeit in die Barbarei sittlich gerechtfertigt werden könnte."
Der Terrorismus war nicht die einzige innenpolitische Herausforderung. Anfang der 80er-Jahre hatte Schmidt einen schweren Streit in der Nachrüstungsdebatte durchzustehen. Stichwort: Nato-Doppelbeschluss. Ähnlich kontrovers ging es zu beim Thema Kernenergie. Gegen die Politik der Regierung Schmidts hatte sich innerhalb und außerhalb der SPD eine Friedens- sowie eine Anti-Atomkraft- und Umweltbewegung etabliert, die ihresgleichen in Deutschland bislang nicht gekannt hatte.
Beharrlich, ja fast störrisch hatte sich Schmidt geweigert, die neue Bedeutung der Umwelt- und Ressourcen-Problematik zur Kenntnis zu nehmen. Rüde kritisierte er Umweltschützer als "Umweltidioten", die überall am Werke seien. Folgerichtig ging die Geburt der Grünen-Partei zu einem Gutteil auf das Konto von Helmut Schmidt.
Auch das Verhältnis zu Teilen der SPD wurde zusehends schwieriger - nicht nur wegen der Rüstungs- und Energiepolitik. Hinzu kam: Die wirtschaftspolitischen Vorstellungen zur Bewältigung der damaligen Schulden- und Beschäftigungskrise waren kaum noch auf einen Nenner zu bringen, sowohl zwischen Schmidt und den Linken seiner Partei als auch zwischen den Koalitionspartnern, SPD und FDP.
Die Probleme wuchsen. Die Spannungen in der Koalition konnten nicht mehr bagatellisiert werden. Sie wurden im Sommer 1982 überdeutlich. Das Scheidungspapier des FDP-Politikers Otto Graf Lambsdorff machte die Runde. Am 17. September 1982 zerbrach die sozialliberale Koalition. Zwei Wochen später wurde Helmut Kohl Bundeskanzler. Schmidt damals:
"Dieser Regierungswechsel, den Sie anstreben, berührt die Glaubwürdigkeit unserer demokratischen Institutionen, aber auch andere Werte könnten auf dem Spiele stehen. Glaubwürdigkeit der Institutionen und der handelnden Personen ist eine der unverzichtbaren Voraussetzungen für die Lebensfähigkeit einer demokratischen Gesellschaft und eines demokratischen Staats."
Helmut Schmidt blieb politisch engagiert, gehörte dem Bundestag noch bis 1987 an. In seiner Abschiedsrede im Parlament im September '86 machte er noch einmal deutlich, dass er mehr als lediglich Krisenmanager und Macher gewesen sei, wenngleich er die Faszination vieler Deutscher fürs Visionäre nie geteilt hatte:
"So möchte ich uns aufrufen zur Besinnung auf das Ethos eines politischen Pragmatismus in moralischer Absicht, unter moralischer Zielsetzung. Das heißt: Das, was wir erreichen wollen, was wir tun wollen, das muss moralisch begründet sein. Der Weg, auf dem wir das Ziel zu erreichen suchen, der muss realistisch sein, er darf nicht illusionär sein. Keine Begeisterung sollte größer sein als die nüchterne Leidenschaft zur praktischen Vernunft."
"Die nüchterne Leidenschaft zur praktischen Vernunft" bewahrte sich Helmut Schmidt bis zuletzt. Nach seinem Ausscheiden aus dem Kanzleramt fand er zunehmend Gefallen an der Rolle des Elder Statesman im In- und Ausland, veröffentlichte seine außen- und wirtschaftspolitischen Analysen in unzähligen Aufsätzen und zahlreichen Büchern, die allesamt Bestseller wurden. Für sein publizistisches Lebenswerk erhielt Schmidt im Sommer 2010 den Henri Nannen-Preis. Seit 1983 war er Mitherausgeber der Hamburger Wochenzeitung "Die Zeit".
1984: Abschied von der Parteispitze
Auf dem SPD-Parteitag in Essen im Mai 1984 verabschiedete sich Schmidt aus der Parteispitze. Ein Jahr zuvor, auf dem Kölner Raketenparteitag, musste er seine bitterste Niederlage in der SPD einstecken: Die Partei hatte endgültig die Politik des sogenannten Nato-Doppelbeschlusses verworfen. Doch Helmut Schmidt, der oft genug mit der Seelenlage der SPD in Konflikt geraten war, legte einen fast sentimentalen Treueschwur ab:
"Dies ist der Parteitag meiner Partei, der ich seit nun bald vier Jahrzehnten angehöre, der ich mich zugehörig fühle, die mein politisches Schicksal gewesen ist und von der mich niemand abdrängen wird - weder von außen noch von innen. Die Sozialdemokratie und die Wähler unserer Partei werden nicht erleben, dass ich mich von der Partei zurückziehe und etwa Groll zu meinem Lebensinhalt machte."
Immer wieder Kritik an den Regierenden
Schmidt begleitete die Politik weiter - mit klugen Ratschlägen, manchmal aber auch mit bösen und sarkastischen Bemerkungen. Nicht zimperlich war er mit seiner Kritik an der Regierung Kohl, der er unverblümt Dilettantismus und Führungsschwäche vorwarf. Auch die rot-grüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder oder die Große Koalition bekamen ihr Fett ab, genauso wie die Regierung Merkel/Westerwelle, über die Schmidt noch im Sommer 2010 wenig schmeichelhaft urteilte:
"Diese Regierung ist sehr mittelmäßig. Persönlich sehr anständig, aber nicht sonderlich zweckmäßig."
Eindeutig fiel Schmidts Urteil auch über den Koalitionsvertrag aus, den Union und FDP im Oktober 2009 geschlossen hatten:
"Der Koalitionsvertrag war ein Dokument ökonomischer und politischer Instinktlosigkeit. Sie haben alle möglichen Dinge in einen Vertrag geschlossen, die sie nun machen wollen, angefangen mit Steuersenkungen – und nichts davon ist zurzeit sonderlich brauchbar."
Bis zuletzt mischte sich der Alt-Kanzler ein, gab Ratschläge, kritisierte und kanzelte ab. Stets das Allgemeinwohl im Sinn, half er unermüdlich, Brücken zu bauen. Nicht nur in Deutschland, auch weltweit war der Hanseat Schmidt wie kein anderer gefragt als unabhängiger Ratgeber. Richard von Weizsäcker nannte ihn einmal zu Recht den "im verantwortlichen Denken und konsequenten Handeln Geradlinigsten seiner Politikergeneration".