Könnte ich ein Land sein, / ich wäre Irgendland. / Du das Irgendmeer. Wie wahr. Könnte ich irgendwo / wohnen, ich wohnte da mit dir.
Könnte ich irgendwann / wohnen, es wäre Herbst, / Herbst, Herbst.
Gibt es eine Melancholie des Überlebens? Die noch dazu um Sachlichkeit bemüht ist und als Temperament den Bedacht gewählt hat, hinter dem es tobt. Mirko Bonne hat, nach zuletzt zwei Romanen, nun seinen dritten Gedichtband mit dem Titel "Hibiskus Code" vorgelegt. Den Rahmen für das Buch gibt die Blütenfolge des Hibiskus, Vergänglichkeit als Zeitfenster. Darin buchstabiert Bonne Grundbegriffe des Menschlichen. Abseits der Diskurse, naturgemäß randständig kann das nur geschehen, doch für Bonne ist das eine Aufgabe, die sich aus der dichterischen Tradition herleitet, die er sucht und - sich - übersetzt. Das Übersetzen hat ihn überhaupt zum Schreiben, gerade von Gedichten, gebracht.
Ich kenne genug Lyriker, die nicht übersetzen. Aber man kann es durchaus auch als Auftrag verstehen. Für mich war es ein Art Gesellenprüfung, Keats zu übersetzen. Ich habe mich irgendwann entschieden, nicht zu studieren, sondern lieber zu übersetzen.
Außer der umfangreichen Werkauswahl des englischen Romantikers Keats hat Mirko Bonne Gedichte von E.E. Cummings, Beckett und Fournier ins Deutsche übersetzt. Zuletzt sind einige Übertragungen von Gedichten des rumänisch-jüdischen Surrealisten Gherasim Luca erschienen. Das Übersetzen ist für Bonne ein Instrument der Orientierung.
Ich wusste nicht, wohin ich sollte, wohin ich wollte. Und durch diese Übersetzungsarbeit mit Keats, durch seine Briefe vor allen Dingen habe ich sehr viel gelernt: was den Dichterberuf angeht, dass vor allem einfach leben soll. Auch wenn das jetzt sehr tiefsinnig ist (lacht) - dass der Rest von alleine kommt.
Poetische Wegmarken, dafür, wie man leben soll - und das ganz und gar nicht im Sinne Rilkes gedacht. Der Blick geht viel mehr auf den Tag, auf die Geschichte, auf Daten und Orte, Aufmerksamkeitssplitter. In einem Beitrag für das literarische Internet-"Forum der 13", dessen Mitglied Bonne seit einigen Jahren schon ist, beschrieb er den Dichter einmal als "chemisches Cluster, das mit allem kurzzeitige Verbindung eingeht." Vieles dockt an diesen Gedichten an, schwer zu sagen, welche Stoffe da eigentlich ausgefiltert werden. Eher ist es das, was lange nicht mehr wirklich zutreffend auf deutsche Dichtung der Gegenwart hin gesagt worden ist: die Wegmarken der Tradition haben Mirko Bonne einen eigenen, unverwechselbaren Ton beschert. Manchmal, wenn er sich seiner eigenen Resonanz überlässt, gerät das zur Manier. Oder er verflüchtigt sich vor historischen Realien, wird blass. Doch zählt das eigentlich nichts gegenüber der Vielzahl von Texten, die ohne Umstände klar machen, dass hier einer aufs Ganze will.
Einer der roten Fäden in dem Band beschäftigt sich mit einer schweren Krankheit, die ich vor drei Jahren bekommen habe, und da ging es wirklich um Leben und Tod.
Das ist das Staunenswerte an diesen Gedichten: dass sie mit aller Entschiedenheit den konkreten Erfahrungen verschreiben, den Körper untersuchen, dem wehmütigen Blick auf die Kinder nicht ausweichen. Glück und Hoffnungen kennen, doch nie sentimental werden, sondern all das zugleich mit großer Souveränität auf Distanz halten. Das verleiht den Gedichten eine ergreifende Transparenz. Das Ziel heißt, ganz bei sich zu sein, und klar ist, dass es darum geht, im Schreiben ins Leben zu entkommen.
Schreiben dient für mich dazu, glücklich zu sein. Und der Moment, wo ich am glücklichsten bin, über die Jahre hinweg, immer wieder, am häufigsten, ist der Moment, wenn ich schreibe. Aber es ist für mich denkbar, dass es dieses Aktes nicht mehr bedarf, dass dieses Glück auch anderweitig hergestellt wird, auch ohne zu schreiben. Also, es ist für mich nur ein Vehikel, um glücklich zu sein. Was das sein kann, habe ich noch nicht herausgefunden. Ich habe noch niemanden getroffen, der da mit mir übereingestimmt hat, dass es ein Ziel des Schreibens sein kann oder sein muß, nicht mehr schreiben zu müssen. Ich ersehne nichts mehr, als den Zustand zu erreichen, für mich, in meinem Leben, wo ich sage, so: jetzt brauche ich nicht mehr zu schreiben, jetzt ist es gut. Was alles geschieht unter der Oberfläche? Die Frage stellt nahezu jedes Gedicht Mirko Bonnés. Wie kann das alles hinein ins Gedicht - und wieder hinaus, wenn es gelesen wird? "Dort," schrieb Bonne zu seinen Cummings-Übersetzungen, "in der Tiefenstruktur eines bedeutenden Gedichtes, hat sich ebenso wenig an schillernd spielerischer Kraft verloren wie im früher wie heute lebendigen Austausch der Sprachen von Alltag, Kunst und Handel." Das mag sein, doch ist das ein Spiel mit Untiefen und mit einem Glanz, wie ihn nur Spiegel haben.(Eine Motiv, das sich auch immer wieder in den Gedichten von "Hibiskus Code" findet. Einer ist allein, allein für sich, und begegnet seinem Spiegel-Ich. Sofort schwingt ein Gedankenreflex zu den Kindern. Ihr Versprechen, das sie sind, sorgt für Unruhe."
Es ist auf jeden Fall das Leben, für das ich mich entschieden habe. Ich lebe mit meinen Kindern und mit meiner Frau zusammen. Aber ich habe eine lange Zeit gebraucht, um das für mich auch lebbar zu machen. Und der Prozess steckt sicherlich auch mit in den Gedichten. Ist mir jetzt allerdings gar nicht so bewusst, wo Sie das gelesen haben. Steckt wahrscheinlich zwischen den Zeilen. Viel eigene Kindheit ist natürlich in den Gedichten. Das Wunderbare an Kindern ist ja auch - unter anderem -, dass man sich selbst gespiegelt sieht.
Dem Ineinander von Leben und Schreiben hat Mirko Bonne mit seinen Gedichten Gestalt gegeben. Der Hibiskus-Code ist nach dem in der Chemie bekannten und von dort in die ökonomische Theorie entlehnten Prinzip des kleinsten Zwangs gebaut: ein System, das sich im Gleichgewicht befindet, ein Leben, die Aufmerksamkeit, der zerbrechliche Körper, weicht einem Zwang aus, wobei sich durch Änderung von Druck, Konzentration und Temperatur ein neues Gleichgewicht einstellt. Das Nachbeben dieser Erfahrung - wir lesen, wir hören es - ist fortan immer zu spüren, sie wird Gewissheit.
Könnte ich irgendwann / wohnen, es wäre Herbst, / Herbst, Herbst.
Gibt es eine Melancholie des Überlebens? Die noch dazu um Sachlichkeit bemüht ist und als Temperament den Bedacht gewählt hat, hinter dem es tobt. Mirko Bonne hat, nach zuletzt zwei Romanen, nun seinen dritten Gedichtband mit dem Titel "Hibiskus Code" vorgelegt. Den Rahmen für das Buch gibt die Blütenfolge des Hibiskus, Vergänglichkeit als Zeitfenster. Darin buchstabiert Bonne Grundbegriffe des Menschlichen. Abseits der Diskurse, naturgemäß randständig kann das nur geschehen, doch für Bonne ist das eine Aufgabe, die sich aus der dichterischen Tradition herleitet, die er sucht und - sich - übersetzt. Das Übersetzen hat ihn überhaupt zum Schreiben, gerade von Gedichten, gebracht.
Ich kenne genug Lyriker, die nicht übersetzen. Aber man kann es durchaus auch als Auftrag verstehen. Für mich war es ein Art Gesellenprüfung, Keats zu übersetzen. Ich habe mich irgendwann entschieden, nicht zu studieren, sondern lieber zu übersetzen.
Außer der umfangreichen Werkauswahl des englischen Romantikers Keats hat Mirko Bonne Gedichte von E.E. Cummings, Beckett und Fournier ins Deutsche übersetzt. Zuletzt sind einige Übertragungen von Gedichten des rumänisch-jüdischen Surrealisten Gherasim Luca erschienen. Das Übersetzen ist für Bonne ein Instrument der Orientierung.
Ich wusste nicht, wohin ich sollte, wohin ich wollte. Und durch diese Übersetzungsarbeit mit Keats, durch seine Briefe vor allen Dingen habe ich sehr viel gelernt: was den Dichterberuf angeht, dass vor allem einfach leben soll. Auch wenn das jetzt sehr tiefsinnig ist (lacht) - dass der Rest von alleine kommt.
Poetische Wegmarken, dafür, wie man leben soll - und das ganz und gar nicht im Sinne Rilkes gedacht. Der Blick geht viel mehr auf den Tag, auf die Geschichte, auf Daten und Orte, Aufmerksamkeitssplitter. In einem Beitrag für das literarische Internet-"Forum der 13", dessen Mitglied Bonne seit einigen Jahren schon ist, beschrieb er den Dichter einmal als "chemisches Cluster, das mit allem kurzzeitige Verbindung eingeht." Vieles dockt an diesen Gedichten an, schwer zu sagen, welche Stoffe da eigentlich ausgefiltert werden. Eher ist es das, was lange nicht mehr wirklich zutreffend auf deutsche Dichtung der Gegenwart hin gesagt worden ist: die Wegmarken der Tradition haben Mirko Bonne einen eigenen, unverwechselbaren Ton beschert. Manchmal, wenn er sich seiner eigenen Resonanz überlässt, gerät das zur Manier. Oder er verflüchtigt sich vor historischen Realien, wird blass. Doch zählt das eigentlich nichts gegenüber der Vielzahl von Texten, die ohne Umstände klar machen, dass hier einer aufs Ganze will.
Einer der roten Fäden in dem Band beschäftigt sich mit einer schweren Krankheit, die ich vor drei Jahren bekommen habe, und da ging es wirklich um Leben und Tod.
Das ist das Staunenswerte an diesen Gedichten: dass sie mit aller Entschiedenheit den konkreten Erfahrungen verschreiben, den Körper untersuchen, dem wehmütigen Blick auf die Kinder nicht ausweichen. Glück und Hoffnungen kennen, doch nie sentimental werden, sondern all das zugleich mit großer Souveränität auf Distanz halten. Das verleiht den Gedichten eine ergreifende Transparenz. Das Ziel heißt, ganz bei sich zu sein, und klar ist, dass es darum geht, im Schreiben ins Leben zu entkommen.
Schreiben dient für mich dazu, glücklich zu sein. Und der Moment, wo ich am glücklichsten bin, über die Jahre hinweg, immer wieder, am häufigsten, ist der Moment, wenn ich schreibe. Aber es ist für mich denkbar, dass es dieses Aktes nicht mehr bedarf, dass dieses Glück auch anderweitig hergestellt wird, auch ohne zu schreiben. Also, es ist für mich nur ein Vehikel, um glücklich zu sein. Was das sein kann, habe ich noch nicht herausgefunden. Ich habe noch niemanden getroffen, der da mit mir übereingestimmt hat, dass es ein Ziel des Schreibens sein kann oder sein muß, nicht mehr schreiben zu müssen. Ich ersehne nichts mehr, als den Zustand zu erreichen, für mich, in meinem Leben, wo ich sage, so: jetzt brauche ich nicht mehr zu schreiben, jetzt ist es gut. Was alles geschieht unter der Oberfläche? Die Frage stellt nahezu jedes Gedicht Mirko Bonnés. Wie kann das alles hinein ins Gedicht - und wieder hinaus, wenn es gelesen wird? "Dort," schrieb Bonne zu seinen Cummings-Übersetzungen, "in der Tiefenstruktur eines bedeutenden Gedichtes, hat sich ebenso wenig an schillernd spielerischer Kraft verloren wie im früher wie heute lebendigen Austausch der Sprachen von Alltag, Kunst und Handel." Das mag sein, doch ist das ein Spiel mit Untiefen und mit einem Glanz, wie ihn nur Spiegel haben.(Eine Motiv, das sich auch immer wieder in den Gedichten von "Hibiskus Code" findet. Einer ist allein, allein für sich, und begegnet seinem Spiegel-Ich. Sofort schwingt ein Gedankenreflex zu den Kindern. Ihr Versprechen, das sie sind, sorgt für Unruhe."
Es ist auf jeden Fall das Leben, für das ich mich entschieden habe. Ich lebe mit meinen Kindern und mit meiner Frau zusammen. Aber ich habe eine lange Zeit gebraucht, um das für mich auch lebbar zu machen. Und der Prozess steckt sicherlich auch mit in den Gedichten. Ist mir jetzt allerdings gar nicht so bewusst, wo Sie das gelesen haben. Steckt wahrscheinlich zwischen den Zeilen. Viel eigene Kindheit ist natürlich in den Gedichten. Das Wunderbare an Kindern ist ja auch - unter anderem -, dass man sich selbst gespiegelt sieht.
Dem Ineinander von Leben und Schreiben hat Mirko Bonne mit seinen Gedichten Gestalt gegeben. Der Hibiskus-Code ist nach dem in der Chemie bekannten und von dort in die ökonomische Theorie entlehnten Prinzip des kleinsten Zwangs gebaut: ein System, das sich im Gleichgewicht befindet, ein Leben, die Aufmerksamkeit, der zerbrechliche Körper, weicht einem Zwang aus, wobei sich durch Änderung von Druck, Konzentration und Temperatur ein neues Gleichgewicht einstellt. Das Nachbeben dieser Erfahrung - wir lesen, wir hören es - ist fortan immer zu spüren, sie wird Gewissheit.