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Hilferufe an die internationale Gemeinschaft verhallten ungehört

Im Kampf um Korea mit China und Russland schaffte es Japan seinen Hegemonie-Anspruch zu festigen, nachdem das ostasiatische Inselland 1894/95 zunächst China und 1904/05 dann auch Russland besiegt hatte.

Von Barbara Geschwinde | 22.08.2010
    Japans Wunsch nach einer Intensivierung seiner Kontrollgewalt wurde daraufhin stattgegeben. Die vollständige Annexion Koreas durch Japan erfolgte am 22. August 1910.

    "Und wie er dergestalt umherschlenderte, stieß er beinah mit einem japanischen Militärpolizisten zusammen. Die sogleich aufkommenden schlechten Erinnerungen drängten ihn, sich lieber hurtig davonzuschleichen. Aber er schämte sich plötzlich seiner Feigheit, einem einfachen Soldaten den Vortritt zu lassen, noch dazu, wenn dieser von der Barbareninsel kam."

    Der koreanische Schriftsteller Yi Munyol schildert in seinem Roman "Dem Kaiser!" die Identitätssuche Koreas vor dem Hintergrund der japanischen Kolonialherrschaft. Die tragikomische Figur des Kaisers ermöglicht einen Einblick in die Hilflosigkeit des koreanischen Volkes gegenüber der japanischen Aggression. Bereits im 19. Jahrhundert war Korea aufgrund seiner geografischen Lage im Fokus von Herrschaftsansprüchen und Expansionstendenzen der benachbarten Großmächte. Reinhard Zöllner, Leiter der Abteilung für Japanologie und Koreanistik an der Universität Bonn:

    "Die Kontrolle Koreas war seit dem späten 19. Jahrhundert umstritten zwischen China, Russland und Japan. Zunächst hat Japan durch seinen Sieg über China 1894/1895 China praktisch ausgeschaltet in diesem Wettbewerb und anschließend in dem russisch-japanischen Krieg 1904/1905 gab es die russische Niederlage gegen Japan und danach hatte Japan freie Hand in Korea. Das wurde 1905 dann gleich genutzt als die koreanische Regierung gezwungen wurde, einem Protektorats-Vertrag zuzustimmen, das heißt, Japan nahm Korea, wie es damals hieß, in Schutz und erhielt die völlige Kontrolle über die koreanische Außenpolitik."

    Die Versuche des koreanischen Hofes, Unabhängigkeit zu erlangen, blieben erfolglos; Hilferufe an die internationale Gemeinschaft verhallten ungehört. Korea wurde der Kontrolle des japanischen Außenministeriums unterstellt und Fürst Ito Hirobumi kontrollierte als Generalgouverneur das Land. Er zwang 1907 den koreanischen Kaiser abzudanken. Zwei Jahre später wurde er von einem koreanischen Patrioten ermordet. Sofort traf die japanische Regierung Maßnahmen zu Annexion: Am 22. August 1910 wurde die Halbinsel offiziell in das japanische Kaiserreich eingegliedert. Die Folgen waren weitreichend. Die japanischen Besatzer reformierten Verwaltung und Polizeiwesen und intensivierten die Landwirtschaft; aber die Erträge, vornehmlich der koreanische Reis, wurden nach Japan exportiert. Auf Kosten des koreanischen Volkes nahm die japanische Industrie einen sprunghaften Aufschwung.

    Reinhard Zöllner:
    "Rechtlich waren die Koreaner in dieser Zeit Japaner und so hat man auch das japanische Schulsystem in Korea eingeführt, es wurde noch bis in die späten 1930er-Jahre hinein Koreanisch durchaus unterrichtet, war Unterrichtssprache. Es haben auch sehr viele Koreaner in Japan studiert, sodass, wer damals einen wirklich guten Job haben wollte und sozusagen modern arbeiten und leben wollte, sich eigentlich mehr oder weniger komplett japanisiert hat bis hin zur Annahme von japanischen Familiennamen."

    Mit der japanischen Niederlage im Zweiten Weltkrieg endete die repressive Herrschaft über Korea. Eine amerikanisch-sowjetische Kommission sollte Korea bei der Bildung einer provisorischen Regierung unterstützen, konnte aber keine Einigung erzielen. So wurde das Land zu einem Schauplatz des Kalten Krieges und am 38. Breitengrad in zwei Einflusszonen geteilt. Die Normalisierung der Beziehungen zwischen Korea und Japan wurde auch durch die politische Teilung in Nord- und Südkorea verzögert. Erst am 22. Juni 1965 kam es zur Unterzeichnung eines sogenannten Normalisierungsvertrages zwischen Tokio und Seoul, in dem der Annexionsvertrag von 1910 annulliert wurde.

    Reinhard Zöllner:
    "In Korea werden die Wunden aus der Kolonialzeit immer noch sehr schmerzlich empfunden. Es gibt immer noch Konflikte, die ungelöst sind, es gibt territoriale Streitigkeiten, es gibt Streitigkeiten über die Vergangenheitsbewältigung. Aber es gibt auch überall Fortschritte. Es gibt sehr guten Austausch unter Jugendlichen vor allem und der große Erfolg der koreanischen Popkultur und auch der Fernseh-Serien, der sogenannte Korea-Boom in Japan auf der einen Seite, wie auch der große Erfolg von japanischen Pop-Produkten, J-Pop, Anime und so weiter in Korea zeigt eigentlich, dass die junge Generation schon dabei ist, über Brücken zueinanderzufinden, die noch vor 20 Jahren gar nicht bestanden haben."