Kate Maleike: In Dresden geht heute die Sondersitzung des Wissenschaftsrates zu Ende. Dieser Rat ist ja das wichtigste Beratergremium in Deutschland, was die Forschungs- und Hochschulfragen betrifft, und hat seit Kurzem einen neuen Vorsitzenden: Der Münchner Bildungsforscher und langjährige PISA-Koordinator Professor Manfred Prenzel nämlich hat den Job übernommen. Guten Tag, Herr Prenzel!
Manfred Prenzel: Guten Tag, Frau Maleike!
Maleike: Gestatten Sie doch, bevor wir auf Ihre Arbeitsziele und Herausforderungen zu sprechen kommen, so eine Art kleinen Minifragebogen mal zu Ihnen persönlich, zur Person.
Prenzel: Oh je!
Maleike: Welcher Typ Chef ist Manfred Prenzel?
Prenzel: Da müssten Sie, glaube ich, andere Leute fragen, aber jetzt in der momentanen Situation, glaube ich, er ist vielleicht belastbar, versucht jederzeit ansprechbar zu sein und eben auch sich schnell auf neue Themen einzustellen. Ja, und versuch ich, glaube ich, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitzunehmen.
Maleike: Wie durchsetzungsfähig sind Sie?
Prenzel: Ah! Also ich denke, dass ich schon relativ standfest bin und versuchen kann, mit ein bisschen klaren Linien und Strukturen dazu zu helfen, dass man zum guten Ergebnis kommt.
"Grundfinanzierung an Hochschulen ist problematisch"
Maleike: Und was bringt Sie am meisten auf die Palme im deutschen Bildungssystem?
Prenzel: Am Ehesten bringt mich etwas auf die Palme, wenn nach außen attribuiert wird, also zum Beispiel, wenn man eben die Qualität seines Tuns abhängig macht von externen Bedingungen. Also zum Beispiel Bologna oder Klassengrößen oder viele Studierende und sich nicht zunächst mal danach fragt, was man selbst als Beitrag leisten kann, um Qualität zu erreichen.
Maleike: Herr Prenzel, kommen wir jetzt mal zu den Inhalten und zu den Zielen: Die Amtszeit Ihres Vorgängers Wolfgang Marquardt, der ja jetzt das Forschungszentrum Jülich leitet, war geprägt durch Appelle an die Politik, in Bund und Ländern dringend mehr und nachhaltig in die Hochschulen und in die Forschung zu investieren, und zwar an Geld. Kann man davon ausgehen, dass das auch bei Ihnen jetzt in Ihrer Amtszeit eine konstante Forderung sein wird?
Prenzel: Ja, das ist ja nicht eine konstante Forderung einfach so, sondern die begründet sich ja darauf, dass die Grundfinanzierung in Hochschulen problematisch ist. Also wir haben ja seit Jahrzehnten steigende Studierendenzahlen, sehr hohe Zahlen - die Grundfinanzierung entspricht nicht dem, was wir heute an großen Anforderungen haben. Also von daher muss man sagen, dass wir nach wie vor die Forderung aufrechterhalten müssen, dass die Grundfinanzierung an Hochschulen verbessert wird. Und wir hoffen natürlich auch, dass jetzt mit den neuen Finanzierungen hier weitere Gelegenheiten wahrgenommen werden, um die Situation an den Hochschulen zu verbessern.
"Flächendeckend Tenure-Tracks durchsetzen"
Maleike: Was ist denn für Sie die größte Baustelle in der Hochschulpolitik?
Prenzel: Also ich würde mal sagen, da gibt es eigentlich sehr, sehr viele Baustellen, die man benennen könnte. Ich würde jetzt nicht sagen, es gibt eine größte, sondern es gibt jetzt wirklich aus der Wissenschaftsperspektive sicherlich die Frage, wie schaut die Perspektive nach der Exzellenzinitiative aus. Und es gibt Fragestellungen, die in die Richtung gehen, und die Perspektive unseres Nachwuchses ist, denke ich, ein Thema, das in den nächsten Jahren auch weiter auf der Tagesordnung bleibt. Die Frage der Autonomie und Steuerung, der Governance von Hochschulen ist ein ganz zentrales Thema, das uns interessiert, das mich natürlich auch persönlich interessiert - die Qualität der Lehre, die Frage, was kann man dazu beitragen, dass die eben auch in der Fläche und in der Breite umgesetzt wird. An Baustellen fehlt es nicht.
Maleike: Sie haben den Nachwuchs angesprochen, auf der Sommersitzung ging es ja jetzt auch um die akademischen Karrierewege - haben Sie dazu schon irgendeine Empfehlung formuliert?
Prenzel: Ja, dazu gibt es eine Empfehlung, die gerade heute auch verabschiedet wurde, die in die Richtung geht, dass wir in Deutschland eine sehr viel bessere Transparenz brauchen, was die Karrierewege anbetrifft. Ein Weg, den wir hier vorschlagen, in Richtung Professor ist tatsächlich, flächendeckend Tenure-Tracks umzusetzen. Das heißt eben, dazu beizutragen, dass Kolleginnen und Kollegen nach einer Postdoc-Zeit von normalerweise vier Jahren dann die Chance haben, eine Tenure-Track-Professur, sich zu bewerben für so eine Professur, die dann eben die Perspektive hat, dass sie verstetigt wird. Und damit hoffen wir, dass wir zum einen verlässlichere Wege beschreiten und zum anderen dazu beitragen, dass die Entscheidung über die Karriere innerhalb der Universität früher getroffen wird. Und wir haben das verbunden mit einer Reihe von Kriterien, die für diese Verfahren gelten sollen. Wir haben Bund und Länder angeregt, eben auch über die Stellenstruktur nachzudenken. Das geht insbesondere in die Richtung, dass wir empfehlen, substanziell die Zahl der Professuren in Deutschland zu erhöhen, weil wir da feststellen, dass es ein Missverhältnis gibt in den letzten Jahren. Es gibt eine steigende Anzahl von Drittmittelstellen, die nicht auf der anderen Seite mit einem Anstieg in den Professuren parallel gehen. Wir haben also dann eben auch noch versucht zu präzisieren, wie andere Wege in die Wissenschaft, zum Beispiel ins Wissenschaftsmanagement, oder eben bestimmte Daueraufgaben gestaltet werden können, und haben hier eine Reihe von Kriterien definiert, die helfen sollen, dass hier klarer wird, auf was man sich einlässt, und dass eben die Chancen gerecht und fair sind, eben bestimmte Karrieren zu verfolgen.
"Wissenschaftsrat hat neutrale Perspektive"
Maleike: Sie sind ja Mitglied des Rates schon seit 2011, das heißt, Sie sind schon länger auch dabei. Würden Sie sagen, dass der Wissenschaftsrat genug Schlagfertigkeit hat, auch genug gehört wird?
Prenzel: Also ich denke, er hat eine wirklich wichtige Stimme. Er wird gehört, er wird, glaube ich, auch von all den Einrichtungen, die Forschung und Wissenschaft ernst nehmen, ganz besonders wahrgenommen. Er ist jetzt nicht unbedingt das Gremium, das die Öffentlichkeit ständig mit ganz großen Themen bespielt, aber innerhalb der Gemeinschaft, innerhalb der verschiedenen Wissenschaftsorganisationen hat der Wissenschaftsrat eine ganz starke Stimme, und finde es auch entscheidend, weil der Wissenschaftsrat ja in gewisser Weise ein neutrales Gremium ist. Es ist ja jetzt nicht eine Interessenvertretung eines Verbandes oder einer bestimmten Gesellschaft, einer wissenschaftlichen Gesellschaft wie Max Planck oder Leibniz, sondern soll für die Wissenschaft sprechen und sich für die Wissenschaft einsetzen, und hat damit eine gewisse neutrale Perspektive auf das Wissenschafts- und Forschungsgeschehen.
Maleike: Flott noch zum Schluss: Werden Sie PISA vermissen?
Prenzel: Ah, nee! Also Pisa ist eine schöne Stadt in Italien, also nein. PISA begleite ich sicherlich in dem Sinn, dass ich mich nicht einfach davon distanziere. Das war eine wichtige Erfahrung, ich hab hier viel gelernt, und ich glaube, man konnte auch mit dieser Studie viel beitragen, Impulse zu geben für das Bildungssystem. Und ich denke, das, was man eher noch mal ein bisschen überlegen muss, ist, wie kann man die Zukunft von PISA noch ein bisschen besser machen. Und der Hinsicht werde ich nicht zu denken aufhören, und da bin ich auch ansprechbar und mit Engagement dabei.
Maleike: Dann wünschen wir Ihnen ganz viel Erfolg, ein gutes Händchen für Ihre neue Aufgabe! In "Campus & Karriere" war das Professor Manfred Prenzel, der neue Vorsitzende des Wissenschaftsrates. Vielen Dank für das Gespräch!
Prenzel: Vielen Dank Ihnen, Frau Maleike!
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