Dirk-Oliver Heckmann: In Bonn findet heute eine Hauptversammlung statt, die bundesweit für Aufmerksamkeit sorgt. Es handelt sich um die Hauptversammlung der Bayer AG und da steht ein Thema im Mittelpunkt, das die Gemüter erhitzt, nämlich die angestrebte Fusion mit dem umstrittenen amerikanischen Unternehmen Monsanto. Umstritten ist der Konzern vor allem wegen der Produktion des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat, das im Verdacht steht, krebserregend zu sein, und von gentechnisch veränderten Lebensmitteln. Am Telefon ist jetzt Anton Hofreiter, der Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion. Er befindet sich auf der Hauptversammlung in Bonn und steht auch auf der Rednerliste. Schönen guten Tag, Herr Hofreiter.
Anton Hofreiter: Guten Tag.
Heckmann: Herr Hofreiter, wie kommt es eigentlich, dass Sie da anwesend sein dürfen? Haben Sie sich noch schnell mit Bayer-Aktien eingedeckt, falls es nicht klappen sollte mit dem Wiedereinzug in den Bundestag?
Hofreiter: Nein! Unser Kreisverband Leverkusen hat schon lange Bayer-Aktien, um eben auf kritische Entwicklungen hinweisen zu können und um auf der Hauptversammlung ein Rederecht zu haben.
"Eine noch stärkere Konzentration der Marktmacht im Bereich der Agroindustrie"
Heckmann: Dann ist das geklärt, denn die Demonstranten und Protestler, die werden ja ziemlich weit ferngehalten von der ganzen Veranstaltung. Aber mal grundsätzlich gefragt, Herr Hofreiter, um zum Inhalt zu kommen. Was wäre an einer Fusion zwischen Bayer und Monsanto eigentlich so schlimm?
Hofreiter: An der Fusion zwischen Bayer und Monsanto wären erst mal in gesamtgesellschaftlicher Hinsicht eine ganze Reihe von Punkten problematisch. Nämlich es würde noch eine stärkere Konzentration der Marktmacht im Bereich der Agroindustrie bedeuten. Es bleiben dann nur noch sehr, sehr wenige Konzerne übrig, wenn die beiden auch noch fusionieren. Es bedeutet noch mehr Druck auf die Landwirte. Es bedeutet noch eine stärkere Oligopolstellung. Es ist bereits jetzt so, dass Landwirte darüber klagen, unter welch massiven Druck sie insbesondere auch von Monsanto gesetzt werden. Es haben selbst Großgrundbesitzer in Brasilien berichtet, mit welchen Schwierigkeiten sie mit den Herstellern von gentechnisch verändertem Saatgut zu kämpfen haben, und zwar Großgrundbesitzer, die mehrere hunderttausend Hektar haben. Da kann man sich vorstellen, wie es kleineren Landwirten ergeht. Und dann ist natürlich hoch problematisch die Auswirkung auf Natur und Umwelt und dann stellt sich natürlich auch die Frage, ob diese Fusion überhaupt Sinn macht, wenn man weiß, solche großen Fusionen scheitern relativ häufig. Man denke nur an die Großfusion zwischen Daimler und Chrysler, die inzwischen wieder aufgelöst worden ist.
Heckmann: Aber das sollte doch eine Entscheidung dann der Unternehmen selber sein. Die stehen selber in der Verantwortung und insofern gibt es doch da keinen Grund, sich dort einzumischen von außen.
Hofreiter: Nein. Aber es gibt Grund, sich einzumischen, ganz massiv, aufgrund der gesamtgesellschaftlichen Fragen. Und auch, wenn ein deutsches Unternehmen in ganz große Schwierigkeiten einer Fehlentscheidung kommt, dann bedeutet das für die Arbeitsplätze was. Deswegen hat das auch damit was zu tun. Aber unser Hauptkritikpunkt ist eben die Marktkonzentration in dem schwierigen Bereich von Pestiziden und Herbiziden, man denke nur an Glyphosat. Das steht im Verdacht, krebserregend zu sein. Es ist nicht im Verdacht, sondern das ist ganz eindeutig, dass es massiv die Artenvielfalt, die Biodiversität schädigt. Wenn Sie sich mal Anbaugebiete in Südamerika angeschaut haben, wo auf Quadratkilometern nichts anderes mehr wächst als gentechnisch verändertes Soja, und die ursprüngliche Bevölkerung von Soldaten vertrieben und ermordet worden ist, dann sehen Sie, welche Auswirkungen eine solche Technologie haben kann. Aber auch bei uns sind 30 Prozent aller Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht und das hat auch was mit Glyphosat zu tun.
Heckmann: Das ist jetzt ein ziemliches Negativ-Szenario, was Sie jetzt entwerfen. Die derzeitige Struktur des Agrarsystems ist aber auch überholungsbedürftig. Die Welternährungsorganisation, die FAO, die fordert das auch, weil das gegenwärtige System eine massive Entwaldung, Wasserknappheiten, Bodenerosion verursacht und auch den Klimawandel vorantreibt. Und Bayer sagt vor diesem Hintergrund, nur ein voll integrierter Anbieter kann innovative Produkte anbieten, die die bald zehn Milliarden Menschen auf der Erde auch ernähren können.
Hofreiter: Ja. Aber wenn man den FAO-Bericht, insbesondere den Weltagrarbericht insgesamt liest, dann stellt man fest, dass genau das, was Bayer und Monsanto im Bereich der Agrarindustrie anbieten, uns genau in diese Situation reingeführt hat. Nämlich die FAO stellt fest, dass weniger Pestizide, weniger Herbizide, also weniger Gifte auf dem Acker und kleinbäuerliche Strukturen die einzige Möglichkeit sind, die steigende Anzahl von Menschen zu ernähren. Es gibt inzwischen sogar erste Studien, dass in manchen Regionen, insbesondere tropischen Regionen ökologischer Landbau zu höheren Erträgen führt, wenn er klug und richtig gemacht wird, als das klassische Modell. Bayer setzt damit auf die Fortsetzung des klassischen Modells und das führt genau zu den Problemen, die Sie gerade beschrieben haben. Deshalb wenn man den FAO-Bericht gesamthaft liest, dann findet man die Fusion noch problematischer.
Zweifel, dass Ernährungsprobleme durch Gentechnik gelöst werden könne
Heckmann: Glyphosat ist ja die eine Seite. Da sagt Monsanto, das stimmt überhaupt gar nicht, dass dieses Produkt krebserregend sein soll, und hat auch entsprechende Studien vorgelegt. Die andere Seite ist die Gentechnik. Denken Sie nicht, dass die Gentechnik helfen könnte, grundsätzlich die Ernährungsprobleme auf der Welt zu lösen?
Hofreiter: Na ja, bei Glyphosat sagt Bayer, dass die WHO Unrecht hat, und die WHO hat es auf der zweithöchsten Stufe von krebserregend eingestuft, nämlich in die Stufe 2a, und da vertraue ich, ehrlich gesagt, der Weltgesundheitsorganisation mehr als wie Monsanto. Dann die Frage mit der Schädigung der Artenvielfalt und damit aller unserer Lebensgrundlagen: Das ist ganz eindeutig und ganz klar. Und ob die Anwendung der Gentechnik in der Landwirtschaft uns wirklich hilft, die Ernährungsprobleme zu lösen - bis jetzt, alles was ich gesehen habe dazu, schadet es eher, die Ernährungsprobleme zu lösen. Allein wie gesagt eine der Regionen, die ich mir im vorletzten Jahr angeschaut habe, Brasilien, wo das ganz massiv angewendet wird, ist von einer landwirtschaftlichen Region, die sich weitgehend selbst ernähren konnte, zu einem Nahrungsimportland geworden, weil schlichtweg nur noch gentechnisch verändertes Soja angebaut wird, das für die Schweinemast dann bei uns genutzt wird.
Heckmann: Herr Hofreiter, wir haben nur noch eine Minute Zeit. Ganz kurz noch zum Schluss: Denken Sie denn, dass diese Fusion noch verhindert werden kann aus Ihrer Sicht?
Hofreiter: Sie könnte von der Bundesregierung verhindert werden. Wir haben ein Gutachten in Auftrag gegeben, dass man aus umweltpolitischen beziehungsweise umweltrechtlichen Gründen durchaus von Seiten der Politik da einwirken könnte, weil nämlich so starke oligopolartige Strukturen entstehen, dass man entsprechend dagegen vorgehen könnte. Aber das müsste natürlich die Bundesregierung auch wollen.
Heckmann: Der Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Anton Hofreiter war das live hier im Deutschlandfunk. Ihn haben wir live auf der Hauptversammlung von Bayer in Bonn erreicht.
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