Montag, 15. April 2024

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Olympia in China
Winterspiele offenbar deutlich teurer

Knapp vier Milliarden Dollar - die Olympischen Spiele in Peking seien die günstigen der letzten zwei Jahrzehnte. So verkündet es die chinesische Staatspropaganda. Schätzungen aus den USA kommen auf wesentlich höhere Kosten.

Von Piet Kreuzer | 06.02.2022
Die neue Skisprung-Anlage der Olympischen Winterspiele in Peking.
Unter anderem Kosten für die neue Skisprung-Anlage fehlen offenbar in den offiziellen Olympia-Berechnungen. (MaticxKlansek/imago images/GEPA pictures)
Bei den Sommerspielen 2008 in Peking hat China noch mit einem Etat von geschätzten 42 Milliarden US-Dollar geprotzt. Für die Winterspiele in Peking werden dagegen nur Kosten von 3,9 Milliarden US-Dollar veranschlagt, meldet unter anderem das chinesische Staatsfernsehen CCTV.
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Für Menschenrechtsorganisationen und viele Athletengruppen sind die Olympischen Winterspiele in Peking ein Sündenfall. Hintergrund sind die massiven Menschenrechtsverletzungen, die man China vorwirft. Trotzdem hält das IOC an den Spielen fest.
Für den Sportökonom und Direktor des Zentrums für Europäische Politik, Henning Vöpel, keine allzu seriöse Rechnung: "Wenn wir uns die Kosten vergangener Olympische Spiele anschauen, ist es natürlich auch noch mal ein Unterschied, ob es Winter- oder Sommerspiele sind. Es müsste aber so in Richtung zehn Milliarden gehen, also darunter kann man es eigentlich nicht wirklich tun."
Henning Vöpel, Direktor des Centrums für Europäische Politik.
Sportökonom Henning Vöpel hält die Kosten der Winterspiele in Peking für deutlich höher als offiziell angegeben. (dpa / picture alliance / Christian Charisius)
Recherchen der Wirtschafts-Website Business Insider zeigen, dass die Kosten deutlich höher sein könnten, nämlich etwa 38,5 Milliarden US-Dollar,  also ungefähr das Zehnfache der offiziellen chinesischen Angaben. Der renommierte US-Sportökonom Andrew Zimbalist hält diese Zahl für belastbar. "China spricht nicht über die Verkehrsinfrastruktur. Sie reden nicht über die Sportinfrastruktur. Sie sprechen nicht über die Kosten für den Bau des Olympischen Dorfes. Daher sind alle so genannten offiziellen Zahlen oder Budgetzahlen, die bei diesen Spielen herauskommen, höchst fragwürdig“, wird Zimbalist im Business Insider zitiert.
Und Vöpel ergänzt: "Die Zahl, die dort genannt wird, also so Richtung 40 Milliarden, ist vielleicht einen Tick zu hoch.  Aber auf jeden Fall ist es deutlich mehr als die 3,9 Milliarden Dollar, die eben von offizieller Seite angegeben worden sind."
Medienbericht: Kosten für neue Sportstätten nicht transparent
Nach Recherchen des US-Wirtschaftsmediums sind in der aktuellen Kostenaufstellung zum Beispiel nicht alle Baukosten für die Sportstätten enthalten, unter anderem für das neu gebaute Nationale Eisschnelllauf-Oval. Keine belastbaren Angaben gibt es auch zu den Ausgaben für die Renovierungen schon bestehender Sportstätten wie des Olympiastadions oder des Schwimmstadions, in dem die Curling-Wettbewerbe ausgetragen werden.
Viel Geld ist laut den Recherchen auch in die beiden Satellitenstandorte geflossen. Die Projekte in Zhangjiakou sollen mehr als fünf Milliarden Dollar gekostet haben. Dort finden die Skisprung-Wettbewerbe statt. Die Kosten für die neue Schanze tauchen in den offiziellen Berichten nicht auf. Yanying, ein Bezirk im Nordwesten Pekings, beherbergt das alpine Skizentrum sowie die Bob-, Skeleton- und Rennrodelbahn. Kosten: fast eine halbe Milliarde US-Dollar.
Ein Rodler im Eiskanal bei den Olympischen Winterspielen.
Bei den Olympischen Winterspielen in Peking liegt Vieles im Dunkeln: auch die Kosten für die neue Rodelbahn. (Anton Novoderezhkin/imago images/ITAR-TASS)
Nicht berücksichtigt in den offiziellen Berechnungen werden auch die milliardenschweren Investitionen in Olympische Dörfer und verschiedene Infrastrukturprojekte. Hier gibt es bei den olympischen Kosten-Rechnungen verschiedene Herangehensweisen, sagt Sportökonom Vöpel: "Rechnet man die Infrastrukturkosten jetzt komplett mit rein? Oder sind es nicht vorgezogene Investitionen, die ohnehin anfielen?" 
Die chinesische Staatsführung hat sich für die zweite Variante entschieden. Denn die Verkehrsinfrastruktur, um die olympischen Satellitenstandorte zu verbinden, wurde nicht eingerechnet. Etwa 15 Milliarden Dollar haben neue Autobahnen gekostet, dazu wurde auch der Flughafen von Zhangjiakou modernisiert. Hinzu kommt etwa eine Dreiviertel-Milliarde Dollar für die neue U-Bahnlinie in Peking. Und neun Milliarden US-Dollar hat China in einen fahrerlosen Hochgeschwindigkeitszug investiert. Der benötigt statt drei Stunden nur 50 Minuten für die Strecke zwischen Peking und Zhangjiakou.
Auch keine Angaben zu Kosten der Anti-Corona-Maßnahmen
Den Grund für die Schönrechnerei sieht Vöpel unter anderem im Versprechen von Staatspräsident Xi Jinping für grüne, sichere, einfachere und günstigere Spiele: "Natürlich versuchen Autokratien, solche globalen Ereignisse immer auch zur Selbstdarstellung zu nutzen. Und das wird sicherlich in China nicht anders sein. Aber ich denke auch, dort ist natürlich der Druck etwas gestiegen, auch durch die Corona-Pandemie."
Und natürlich kosten auch die Anti-Corona-Maßnahmen Geld. Diese Kosten fehlen in der offiziellen Rechnung aber auch. Von den großen Umweltschäden, die nicht in Geld zu messen sind.