Archiv


Horrortrip in die "Oase"

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt: Von einem "Aktionsplan" ist da die Rede, von einer "Oase" für Obdachlose. Dabei geht es um nichts anderes als ein Lager am Stadtrand, in das der Prager Magistrat Obdachlose abschieben will.

Von Christina Janssen |
    Für Jiri Janecek von der Prager Stadtverwaltung ist die Sache klar:

    "Entweder will ein Obdachloser sich integrieren und an sich arbeiten oder eben nicht. Wenn nicht, dann soll er sein Obdachlosenleben irgendwo führen, wo er die Einwohner Prags nicht damit belästigt."

    Das "Irgendwo" hat jetzt einen Namen: es heißt Obdachlosen-Oase. Und die soll, so der Plan des Prager Magistrats, am Stadtrand errichtet werden. Ein Lager, bewacht von einer privaten Sicherheitsfirma. Ein Arzt und ein Sozialarbeiter sollen sich dort um die Obdachlosen kümmern. Es gehe nur um die Härtefälle, heißt es in der Stadtverwaltung:

    "Die Hilfsorganisationen lehnen betrunkene Obdachlose in ihren Einrichtungen ab. Das wundert mich nicht. Es ist einfach nicht möglich, diese Leute unterzubringen. Deshalb landen sie dann im Park oder in der U-Bahn. Wir sprechen hier wirklich von Menschen, die sonst nirgendwo unterkommen."

    Und natürlich, beteuert die Stadt, könnten die Bewohner ihre "Oase" jederzeit verlassen. Beschwichtigungen, die nichts am Protest der Hilfsorganisationen und der Verzweiflung der Obdachlosen ändern:

    "Es ist nicht wahr, dass wir Obdachlose ablehnen, weil sie betrunken sind",

    beteuert Ilja Hradecky, Leiter der Hilfsorganisation Nadeje. Das Problem ist, dass wir nicht genug Platz haben. Auf 3000 Obdachlose in Prag kommen gerade mal 700 Betten. Wir brauchen einfach mehr Plätze.

    Die sogenannte Oase werde die Steuerzahler teuer zu stehen kommen, meint Hradecky, aber nicht funktionieren.

    "Das geplante Lager ist ungeeignet. Hilfreich wäre es, mehrere kleinere Einrichtungen in der Stadt zu verteilen. So würde man vermeiden, dass sich die Obdachlosen in einem Viertel konzentrieren."

    "Dieses Lager würde nichts ändern, sagt Pavel, der seit fünf Jahren auf der Straße lebt. Wir würden da am Stadtrand übernachten, uns aber tagsüber wieder hier treffen, um an Geld zu kommen, oder an Essen. Das gebe ich ganz offen zu."

    Ein Freund pflichtet bei:

    "Hier im Zentrum gibt es immerhin Hoffnung auf ein Einkommen. Was soll ich denn da draußen machen?! Das ist doch zum Verzweifeln!"

    Auch Pavla Vopelakova von der Heilsarmee ist davon überzeugt, dass die "Oase" eher einer Art Vorhölle gleichen würde. In anderen europäischen Großstädten und sogar in Prag selbst habe es solche Versuche schon gegeben - alle seien gescheitert. Aus ihrer Sicht gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder die Obdachlosen sind schon nach einer Stunde wieder im Zentrum, nämlich wenn sie per Anhalter fahren, oder erst nach einem Tag – wenn sie zu Fuß gehen.

    "Der natürliche Aufenthaltsort für Menschen ohne Obdach ist und bleibt nun mal das Zentrum. Es ist ein Verkehrsknotenpunkt, ein Treffpunkt und ein Ort, der ein großes Maß an Anonymität bietet. Und nur im Zentrum gibt es Aussichten auf ein Zubrot."

    Und so sind sich die Obdachlosen in der Prager Altstadt einig. Notfalls würden sich einige von ihnen die "Oase" ansehen – aber nur zum Schlafen, nicht zum Wohnen:

    "Wenn es absolut keine andere Möglichkeit geben würde, würde ich nachts im Winter wohl hingehen, damit ich nicht hier draußen sein muss. Ich lebe schon seit 21 Jahren auf der Straße."

    "Ich habe sogar schon ein paar Mal darüber nachgedacht, lieber in den Knast zurück zu gehen. Mir geht es nicht mal ums Essen – ich will mich einfach nur ausruhen, mich zudecken, mich betten wie ein Mensch. Dafür wäre das Lager vielleicht nicht schlecht. Denn wenn Sie zwei Wochen am Stück ihre Schuhe nicht ausziehen können, macht das krank."