In Höhlen lagern die Schätze der Zwerge. Für die neuzeitlichen Kollegen des kleinen Volkes stecken sie voll wertvollem Wissen. Sie bergen Erkenntnisse über das Klima vor Jahrtausenden, über die Entstehung ganzer Landschaften, über Evolution und Menschheitsgeschichte. Im Höhlendunkel kann man ihm noch begegnen, dem Käfer, dem es vor 10.000 Jahren an der Erdoberfläche zu warm wurde. Und plötzlich steht man vor den Bildern, die Eiszeitjäger von Pferden, Stieren und Mammuts gemalt und in Stein geformt haben.
Menschen haben Geschichten über das Dunkel im Berg erfunden, sie haben sich in Höhlen versteckt, in ihnen musiziert, sie erforscht. Die Gründe, sich ins Dunkle zu begeben, waren und sind vielfältig, und doch kehrt eine Erfahrung in vielen Höhlengeschichten wieder, die in dieser langen Nacht erzählt werden: ein zeitverlorenes Aufgehobensein an einem fremden Ort, an dem wir niemals auf Dauer leben könnten.
Forum für Unterirdisches
101 höhlenkundliche Vereine und Gruppen in 6 Landesverbänden sind dem Verband der deutschen Höhlen- und Karstforscher angeschlossen
Mit Auszügen aus dem Manuskript:
" Man hört direkt die unterschiedliche Zusammensetzung des Eises, wenn man an verschiedenen Stellen, verschiedenen Zapfen hier ein bisschen dagegen schlägt. "
Peter Hofmann möchte, dass Menschen in der Wendelsteinhöhle das Zusammenspiel von Wasser und Stein erleben - mit allen Sinnen und allen Fragen, die so ein Blick in die Tiefe der Zeit mit sich bringt.
An der Erdoberfläche ist Peter Hofmann Kaufmann. Er lebt seit zehn Jahren in der Nähe des Wendelsteins und arbeitet an einem Pfad durch die Höhle, der an verschiedenen Stationen informieren und zum Staunen einladen soll. Staunen zum Beispiel darüber, dass auch Stein, unser Symbol für Dauer, vergänglich ist und eine Geschichte hat.
" Hier, hier stehen wir jetzt in dem Raum, wo dem Besucher dann die Geologie, Entstehungsgeschichte der Höhle näher gebracht wird. Man sieht hier an der Wand große Kolke, also so Auswaschungen, wie man sie aus Klammen kennt, wo also auch der Laie sieht, dass hier Wasser durchgerauscht ist und das ausgespült hat. Jetzt fragt man sich natürlich, wo kommt Wasser her, ähm, in einer Höhle, die im Gipfelbereich eines Berges liegt. Gar nicht so einfach, kann man die Besucher immer ein bisschen an der Nase herumführen, dann kommen manche auf die Eiszeiten, das ist natürlich ein gutes Argument, aber der Wendelstein lag auch bei den höchsten Vereisungen über den Eisständen. Die reichten also nur so 1400 Meter hoch hier an dieser Stelle. Es gibt eigentlich nur eine Erklärung, diese Höhle muss entstanden sein in einer Zeit, bevor sich die Alpen auf die heutige Höhe gehoben haben. Also vor Millionen, zwölf, dreizehn, vierzehn, fünfzehn Millionen Jahren, wie die Alpen noch so die Höhe von ein Mittelgebirge hatten, da rauschte hier ein Fluss durch, hat diese Höhle ausgespült, manchmal sieht man noch richtig diese Druckprofile, und dann ist diese Höhle trocken gefallen und hat sich mit dem Berg eigentlich auf die heutige Höhe gehoben. Das ist eigentlich auch ein faszinierender Gedanke. Das ist auch so ein Thema, auch so eine Höhle, ist ja irgendwie für viele Menschen so ein Inbegriff der Ewigkeit, unveränderlich, aber die hat einen Anfang, eine Reifephase, die wir jetzt erleben, und irgendwann wird der Berg weg erodieren, und die Höhle wird auch wieder verschwinden. Und so hat die auch ein Werden und Vergehen, und unser Besuch dann hier herein, das ist ein unendlich kurzer Zeitraum im Leben dieser Höhle. Das ist schon faszinierend auch. "
Die Alpen gehören zu unserer Vorstellung von Europa genau wie der Ural, genau wie die Meeresküsten. Doch diese Höhle ist älter als die heutigen Alpen, sie stammt aus einer Zeit, in der unser Kontinent noch ein ganz anderes Gesicht hatte, vor zwölf Millionen Jahren.
Zwölf Millionen Jahre. Der Schein unserer Taschenlampe, der die hellbraunen Höhlenwände abtastet, reicht ungefähr siebzig Meter weit. Wenn nun diese siebzig Meter für ein Menschenleben stehen, dann entspricht den zwölf Millionen Jahren eine gewaltige Strecke, eine Reise von hier einmal durch den Mittelpunkt der Erde und wieder an ihre Oberfläche.
Der Wendelstein und seine Höhle
Der Südrand des Ostharzes, wo Christel und Reinhard Völker leben, ist eine Karstlandschaft, und hier sind wir wieder bei unserem erdgeschichtlichen Thema, dem Zusammenspiel von Stein und Wasser über riesige Zeiträume hinweg. Karst ist eine Landschaft, in der Wasser auf wasserlösliches Gestein trifft, zum Beispiel auf Kalk, Gips oder Dolomit. Weil das Wasser Wege ins Gestein hinein findet, gibt es in einer Karstlandschaft nur wenig Wasser an der Erdoberfläche. Bäche verschwinden plötzlich in der Erde, um einige Kilometer weiter wieder aufzutauchen. Regenwasser dringt durch Spalten ins Gestein und wäscht Höhlungen unter der Erdoberfläche aus, solange, bis die obere Erdschicht nachbricht. Manchmal ist dann eine Garage, ein Vorgarten oder ein Haus in der Tiefe verschwunden, und in solchen Fällen werden Christel und Reinhard Völker gerufen. Sie kriechen in den Untergrund und schauen mal nach, was da vor sich geht. Seit vier Jahrzehnten erkunden sie den Ostharz, seine Höhlen und unterirdischen Wasserläufe.
Christel Völker: "Ich habe Abitur gemacht und wollte Geologie studieren und hatte die Auflage, ein praktisches Jahr vorher zu machen. Und da bin ich in einen Erdöl- und Erdgaserkundungsbetrieb gegangen, der in Thüringen gearbeitet hat, und wir arbeiteten dort im Jonastal bei Arnstadt, was ja wegen der V2 auch ziemlich berühmt war, und gemeinsam mit meinen Kollegen vom Bohrturm sind wir nach Feierabend immer losgezogen in die alten Stollen. Das war eigentlich mein erster Zugang zu solchen unterirdischen Hohlräumen. Das fand ich spannend, hat unheimlich Spaß gemacht. Und dann ging ich zum Studium und dort bin ich meinem jetzigen Ehemann begegnet, und als Geologe ist man ja sowieso immer an unterirdischen Höhlen interessiert, und er hatte schon Erfahrungen mit der Höhlenforschung und hat mich da ziemlich neugierig drauf gemacht, na ja, und nachdem er mich zum ersten mal mit in den Harz genommen hatte, in die Harzer und Kyffhäuser Höhlen, dann hatte ich so viel Blut geleckt, dass sich alles andere dann automatisch ergeben hat."
Reinhard Völker: "Blieb ihr ja nichts anderes übrig, wenn sie mit mir zusammen bleiben wollte, musste sie dieses furchtbare Hobby mitmachen, und das erste richtig furchtbare Erlebnis war eine Schlammhöhle wie es schlimmer nicht mehr ging, da stand das Wasser bis hierher und der Schlamm auch, und da musste man durch und musste die Unterlippe raushalten, und wer das mitgemacht hat und das dann hinterher auch noch schön fand, na der war der Sache verfallen. Und ihr blieb gar nicht anderes übrig, als da mit durchzukommen, und als sie da wieder rauskam, da hat sie gesagt: ‚Das hat mir gefallen'. Na, und seit der Zeit ist sie dabei geblieben. Und ich hab's dann umgedreht. Immer wenn's gefährlich wurde, hab' ich sie vorneweg geschickt, und wenn sie dann wieder rauskam, hab ich gedacht: da kannst du auch reingehen."
Der Karstwanderweg
Der Karstwanderweg Südharz und seine Entstehung von Reinhard Völker
Auszug aus dem Manuskript
Karstgebiete sind die Landschaften, in denen sich auf der Erde die meisten Höhlen befinden. Es gibt sie auf allen Kontinenten. 10 Prozent der Erdoberfläche sind Karstgebiete Weil es verschiedene Arten wasserlöslichen Gesteins gibt, gibt es auch unterschiedliche Karstlandschaften: Dolomitkarst, Gipskarst, Sandsteinkarst und Kalkkarst. Vier Fünftel aller Höhlen auf der Welt befinden sich im Kalkkarst. Das Kalkgestein ist in genau dem Element entstanden, von dem es später durchlöchert und zersetzt wird: Wasser. Kalkstein kommt aus dem Meer. Das kann man noch sehen, jedenfalls, wenn man so genau hinschaut, wie der Ingenieur und Höhlenforscher Rainer Fohlert.
Von den Wänden der Thüringer Altensteiner Höhle, die am Südrand des Thüringer Waldes bei Bad Salzungen liegt, hat er ein bisschen weißlichen Gesteinstaub abgeschabt und unter ein Mikroskop gelegt. Nun schaut der große Mann auf winzige Tierchen. Das Kalkgestein gibt sich zu erkennen: als Friedhof der Meerestiere.
Rainer Fohlert: "Wenn man mit dem Mikroskop hinguckt, dann bricht der helle Wahnsinn aus. Es ist wirklich toll. Es ist faszinierend. Muscheln, ja, ne 256 Millionen Jahre alte Muschel, von zwei Zentimeter Größe, sind beide Schalen zusammen, aber die Muschel innen drinne hohl, feinste Details auf der Oberfläche dieser Schale sind erkennbar, dass sich so was über die fast dreihundert Millionen Jahre erhalten hat, ist fantastisch, Schnecken in Maßen, dann äh, was haben wir denn da noch? Ja die kleinen, die kleinen Muschelkrebse. Die Muschelkrebse auch, genau, hohl. Ich weiß nicht, wie dick ist denn die Schale von so nem Muschelkrebs. Der ist insgesamt nen halben Millimeter lang, da ist die Schale nen paar Mükrometer stark, ja, und selbst die haben auf der Schale denn teilweise noch, noch irgendwelche Strukturen drauf, wo man sie auch noch unterscheiden kann. Das ist fantastisch, und das holt man alles aus diesen Sedimenten raus, die da in der Altensteiner Höhle über weite Strecken einfach den Hohlraum bilden, die Begrenzung des Hohlraums. Das ist schon toll."
Thüringer Höhlenverein e. V.
Das Ziel des Thüringer Höhlenvereins e. V. und der in ihm organisierten Vereine ist die Erforschung und der Schutz von Höhlen- und Karsterscheinungen
Sybille Wolf: "Wir heute können mit einem Blick erkennen, was die Menschen vor 35 000 Jahren gesehen haben und dann hergestellt haben. Das ist natürlich fantastisch, weil uns das sofort in eine Welt eintauchen lässt, die wir nur ansatzweise verstehen, die wir aber emotional wahrnehmen können, weil einfach diese Sachen Dinge sind, die wir heute noch erkennen."
Sybille Wolf, Archäologin von der Universität Tübingen, hat an Ausgrabungen auf der Schwäbischen Alb teilgenommen und erforscht die Kunst und Lebenswelt jener modernen Menschen, die vor 40 000 Jahren aus Afrika nach Europa einwanderten. Die lächelnden Löwen und galoppierenden Pferde, die diese Menschen geschaffen haben, lassen Forscher von einem "Künstlerischen Urknall" sprechen.
"Ja, der künstlerische Urknall, das kann man durchaus so stehen lassen, denn es ist wirklich so, dass die Menschen, als sie vor ungefähr 40.000 Jahren, wahrscheinlich über den Donaukorridor, nach Mitteleuropa einwanderten, sofort perfekte Kunstwerke herstellten. Perfekte Kunstwerke in so fern, dass wir keine primitiven Vorläufer kennen. Sie haben also es verstanden, das Material, das ihnen vorlag, en Detail auszuarbeiten, was zum Teil sehr schwierig ist. Elfenbein lässt sich sehr viel schwerer bearbeiten als Holz, sehr viel schwerer schnitzen, und wir kennen eben nichts, was mit dem zu vergleichen ist aus früherer Zeit. Wir kennen nichts von dem Menschen aus Afrika, und wir kennen nicht vom Neandertaler, was damit nur ansatzweise vergleichbar wäre. Vor ungefähr 40 000 Jahren kommt der Mensch hierher und bringt einfach die Voraussetzungen her, die wir heute noch von uns kennen, einfach die Voraussetzungen an Kunst, Schmuck, ästhetischem Empfinden und sozialem Zusammenleben. Und die Schmuckstücke und die Kunst, die er herstellt, das sind ganz detailliert und ganz speziell angefertigte Skulpturen, figürliche Kunst, die einfach unglaublich naturgetreu wiedergibt, was de Menschen in ihrer Umgebung wahrgenommen haben, gesehen haben, eiszeitlich Tiere wie das Mammut, Wisent, Höhlelöwen oder auch den Höhlenbären. Das sind also nicht abstrakte, sondern plastische kleine Kunstwerke, die auf ihre Weise perfektioniert sind."
Sibylle Wolf, Eberhard-Karls-Universität Tübingen, Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters
In Höhlen, weit entfernt von jedem Lichtschimmer, leben Spezialisten der Dunkelheit. Sie tasten, riechen und hören, statt zu sehen, und sie richten ihr Leben nach anderen Rhythmen aus als dem der Sonne, des Mondes oder der Jahreszeiten... Doch wie steht es zunächst mit den Menschen? Gibt es menschliche Spezialisten der Dunkelheit?
Bärbel Vogel: Mir geht's meistens ziemlich gut mit eng, das kommt auch immer ein bisschen auf die Höhle an. Ich finde immer, jede Höhe fühlt sich anders an. Und manchmal ist es schon so, dass ich ein komisches Gefühl hab, und dann hat meistens auch noch irgendein anderer ein komisches Gefühl, und dann sagen wir, nö, darein müssen wir jetzt nicht unbedingt mehr. Und mal wann anders, da flutscht es einfach so und man hat ein gutes Gefühl und man freut sich eher so: Hach, schöne, kuschelige Höhle, schön klein und eng und fein, und man freut sich einfach. Das ist wirklich total unterschiedlich.
Günter Volmer: Mir macht's halt Spaß. Je enger umso besser.
Friedhart Knolle: In Höhlen ist manchmal eine Situation, wo man nichts anderes hört, als das Klopfen seines eigenen Herzes, weil das natürlich dröhnt. Man ist völlig im Grunde genommen mit sich und der Höhle und dem Gestein da alleine.
Günter Volmer: Saß ich auch mal in so ein Loch drin da: Wie bist du denn hier reingekommen, wie kommst du denn jetzt wieder raus? Ja, aber nach einem bisschen Überlegen schafft man das ja meistens. Bis jetzt immer, ja, ich bin ja nicht dringeblieben.
Rainer Fohlert: Man muss sich eigentlich immer durch irgendwas durchzwängen, aber das ist - ein Beengungsgefühl so in der Höhle? Ne, da ist eigentlich nur ein Gefühl vorherrschend, gerade wenn man so am Erkunden ist: Da kommt ein Luftzug her? Oder da kann man reinleuchten? Dort sieht's so aus, als könnte man liegen, knien, stehen, tanzen? Je nachdem ist der Adrenalinspiegel dann wieder an ner anderen Stelle. Ja, das ist, denk ich mal. Was anderes gibt's da nicht.
Höhlenforscherinnen und Höhlenforscher aus verschiedenen Winkeln Deutschlands: Bärbel Vogel aus dem Voralpenland, Günter Volmer aus dem Ostharz und Friedhart Knolle aus dem Westharz und Rainer Fohlert aus Thüringen. Sie alle haben ihre Erfahrungen mit dem Katzenloch oder der Mausefalle gemacht. So nennen Höhlenforscher die engen Stellen, durch die sie sich winden müssen, um dann - vielleicht - in den nächsten weiten unterirdischen Raum zu gelangen. Es gehört für sie zum Alltag, sich nach Art der Regenwürmer durch enge Gänge zu winden, und sie fühlen sich dabei wohl, neugierig, wach, manchmal sogar geborgen. Für andere Menschen ist die Vorstellung, dreihundert Meter Gestein über sich zu haben, oder das Robben durch eine Engstelle unerträglich.
Arbeitsgemeinschaft für Karstkunde Harz e.V.
Homepage des Thüringer Höhlenverein e. V.
Als Umweltschützer und politischer Kopf hat Friedhart Knolle viele Kämpfe ausgefochten, als Pressesprecher des Nationalparks Harz hat er viele Termine. Doch in Höhlen schüttelt er die Anspannung ab. Er sagt, er habe das Gegenteil von Klaustrophobie, Klaustrophilie also, eine Vorliebe für Enge. In Höhlen hält er inne. Die Zeit vergeht dort langsamer.
"Es ist vielleicht auch ein Stück Psychohygiene durchaus, das sagen ja auch viele, die im Wald sind oder in den Bergen, dass das ein Stück Heilungsprozess ist, also der Natur. Die Natur ist der beste Mediziner, das gilt unter Tage auch. Es hat was mit dem hektischen Rhythmus der heutigen Zeit zu tun, den gibt's unter Tage nicht. Wenn ich den hektischen Rhythmus unter Tage beibehalte, bin ich in zwei Stunden tot. Tja, bringt überhaupt nichts. Dann mach ich Hektik, Hektik, und dann stürze ich ab. Und das hat auch was mit diesem Wohlfühleffekt zu tun. Slow Motion sagt man, glaube ich, heute, nicht? Slo-mo. Das ist der Slo-mo-Effekt genau."
Im Berg hat er gelernt, was er anderen nahezubringen versucht: In langen Zeiträumen zu denken.
"Wenn wir unsere Welt retten wollen, unsere kleine, bescheidene Welt, wo wir nicht einmal die Klimaentwicklung im Griff haben, dann werden wir lernen müssen, über mehrere Generationen hinweg, ich will gar nicht von Jahrmillionen reden, aber über mehrere Generationen hinweg, also wir müssen mindestens mit den Augen unserer Kinder denken. Das ist schon für die meisten zu schwer. Und das kann man in Höhlen lernen, diese andere Uhr, diese längere Denkweise, was man in Höhlen zerstört, oder zum Beispiel in Polarregionen, das lässt sich nicht in der nächsten Vegetationsperiode reparieren, das dauert manchmal Jahrhunderte, Tropfsteine Jahrtausende, bis das nachwächst. Deshalb ist dieser Respekt so wichtig."
Homepage von Friedhart Knolle: -
Nimm' nichts mit außer Erinnerungen, schlag' nichts tot außer der Zeit, lass' nichts zurück außer Fußstapfen. Das ist eine alte Regel der Höhlenforscher und vielleicht auch eine praktische Anweisung, um jeden Sinn der Anteilnahme zu entwickeln, von dem die polnische Dichterin Wyslawa Szymborska in ihrem Gespräch mit dem Stein spricht.
"Du kommst nicht rein", sagt der Stein.
"Dir fehlt der Sinn der Anteilnahme.
Kein Sinn ersetzt dir den Sinn der Anteilnahme.
Selbst der bis zur Allsicht geschärfte Blick
Nützt dir gar nichts ohne den Sinn der Anteilnahme.
Du kommst nicht rein, hast kaum eine Ahnung von diesem Sinn,
kaum einen Ansatz, eine Idee davon.
Ich klopfe an die Tür des Steins.
"Ich bin's, mach auf.
Ich kann nicht zweitausend Jahre warten, bis ich eintrete unter dein Dach."
"Wenn du mir nicht glaubst", sagt der Stein,
"frag das Blatt, es wird dir dasselbe sagen.
Frag den Wassertropfen, er sagt dasselbe wie das Blatt.
Frag schließlich das Haar auf deinem Kopf.
Ich platze vor Lachen, vor großem Lachen, vor Lachen, das ich nicht lachen kann."
Ich klopfe an die Tür des Steins.
"Ich bin's, mach auf."
"Ich hab' keine Tür", sagt der Stein.
Menschen haben Geschichten über das Dunkel im Berg erfunden, sie haben sich in Höhlen versteckt, in ihnen musiziert, sie erforscht. Die Gründe, sich ins Dunkle zu begeben, waren und sind vielfältig, und doch kehrt eine Erfahrung in vielen Höhlengeschichten wieder, die in dieser langen Nacht erzählt werden: ein zeitverlorenes Aufgehobensein an einem fremden Ort, an dem wir niemals auf Dauer leben könnten.
Forum für Unterirdisches
101 höhlenkundliche Vereine und Gruppen in 6 Landesverbänden sind dem Verband der deutschen Höhlen- und Karstforscher angeschlossen
Mit Auszügen aus dem Manuskript:
" Man hört direkt die unterschiedliche Zusammensetzung des Eises, wenn man an verschiedenen Stellen, verschiedenen Zapfen hier ein bisschen dagegen schlägt. "
Peter Hofmann möchte, dass Menschen in der Wendelsteinhöhle das Zusammenspiel von Wasser und Stein erleben - mit allen Sinnen und allen Fragen, die so ein Blick in die Tiefe der Zeit mit sich bringt.
An der Erdoberfläche ist Peter Hofmann Kaufmann. Er lebt seit zehn Jahren in der Nähe des Wendelsteins und arbeitet an einem Pfad durch die Höhle, der an verschiedenen Stationen informieren und zum Staunen einladen soll. Staunen zum Beispiel darüber, dass auch Stein, unser Symbol für Dauer, vergänglich ist und eine Geschichte hat.
" Hier, hier stehen wir jetzt in dem Raum, wo dem Besucher dann die Geologie, Entstehungsgeschichte der Höhle näher gebracht wird. Man sieht hier an der Wand große Kolke, also so Auswaschungen, wie man sie aus Klammen kennt, wo also auch der Laie sieht, dass hier Wasser durchgerauscht ist und das ausgespült hat. Jetzt fragt man sich natürlich, wo kommt Wasser her, ähm, in einer Höhle, die im Gipfelbereich eines Berges liegt. Gar nicht so einfach, kann man die Besucher immer ein bisschen an der Nase herumführen, dann kommen manche auf die Eiszeiten, das ist natürlich ein gutes Argument, aber der Wendelstein lag auch bei den höchsten Vereisungen über den Eisständen. Die reichten also nur so 1400 Meter hoch hier an dieser Stelle. Es gibt eigentlich nur eine Erklärung, diese Höhle muss entstanden sein in einer Zeit, bevor sich die Alpen auf die heutige Höhe gehoben haben. Also vor Millionen, zwölf, dreizehn, vierzehn, fünfzehn Millionen Jahren, wie die Alpen noch so die Höhe von ein Mittelgebirge hatten, da rauschte hier ein Fluss durch, hat diese Höhle ausgespült, manchmal sieht man noch richtig diese Druckprofile, und dann ist diese Höhle trocken gefallen und hat sich mit dem Berg eigentlich auf die heutige Höhe gehoben. Das ist eigentlich auch ein faszinierender Gedanke. Das ist auch so ein Thema, auch so eine Höhle, ist ja irgendwie für viele Menschen so ein Inbegriff der Ewigkeit, unveränderlich, aber die hat einen Anfang, eine Reifephase, die wir jetzt erleben, und irgendwann wird der Berg weg erodieren, und die Höhle wird auch wieder verschwinden. Und so hat die auch ein Werden und Vergehen, und unser Besuch dann hier herein, das ist ein unendlich kurzer Zeitraum im Leben dieser Höhle. Das ist schon faszinierend auch. "
Die Alpen gehören zu unserer Vorstellung von Europa genau wie der Ural, genau wie die Meeresküsten. Doch diese Höhle ist älter als die heutigen Alpen, sie stammt aus einer Zeit, in der unser Kontinent noch ein ganz anderes Gesicht hatte, vor zwölf Millionen Jahren.
Zwölf Millionen Jahre. Der Schein unserer Taschenlampe, der die hellbraunen Höhlenwände abtastet, reicht ungefähr siebzig Meter weit. Wenn nun diese siebzig Meter für ein Menschenleben stehen, dann entspricht den zwölf Millionen Jahren eine gewaltige Strecke, eine Reise von hier einmal durch den Mittelpunkt der Erde und wieder an ihre Oberfläche.
Der Wendelstein und seine Höhle
Der Südrand des Ostharzes, wo Christel und Reinhard Völker leben, ist eine Karstlandschaft, und hier sind wir wieder bei unserem erdgeschichtlichen Thema, dem Zusammenspiel von Stein und Wasser über riesige Zeiträume hinweg. Karst ist eine Landschaft, in der Wasser auf wasserlösliches Gestein trifft, zum Beispiel auf Kalk, Gips oder Dolomit. Weil das Wasser Wege ins Gestein hinein findet, gibt es in einer Karstlandschaft nur wenig Wasser an der Erdoberfläche. Bäche verschwinden plötzlich in der Erde, um einige Kilometer weiter wieder aufzutauchen. Regenwasser dringt durch Spalten ins Gestein und wäscht Höhlungen unter der Erdoberfläche aus, solange, bis die obere Erdschicht nachbricht. Manchmal ist dann eine Garage, ein Vorgarten oder ein Haus in der Tiefe verschwunden, und in solchen Fällen werden Christel und Reinhard Völker gerufen. Sie kriechen in den Untergrund und schauen mal nach, was da vor sich geht. Seit vier Jahrzehnten erkunden sie den Ostharz, seine Höhlen und unterirdischen Wasserläufe.
Christel Völker: "Ich habe Abitur gemacht und wollte Geologie studieren und hatte die Auflage, ein praktisches Jahr vorher zu machen. Und da bin ich in einen Erdöl- und Erdgaserkundungsbetrieb gegangen, der in Thüringen gearbeitet hat, und wir arbeiteten dort im Jonastal bei Arnstadt, was ja wegen der V2 auch ziemlich berühmt war, und gemeinsam mit meinen Kollegen vom Bohrturm sind wir nach Feierabend immer losgezogen in die alten Stollen. Das war eigentlich mein erster Zugang zu solchen unterirdischen Hohlräumen. Das fand ich spannend, hat unheimlich Spaß gemacht. Und dann ging ich zum Studium und dort bin ich meinem jetzigen Ehemann begegnet, und als Geologe ist man ja sowieso immer an unterirdischen Höhlen interessiert, und er hatte schon Erfahrungen mit der Höhlenforschung und hat mich da ziemlich neugierig drauf gemacht, na ja, und nachdem er mich zum ersten mal mit in den Harz genommen hatte, in die Harzer und Kyffhäuser Höhlen, dann hatte ich so viel Blut geleckt, dass sich alles andere dann automatisch ergeben hat."
Reinhard Völker: "Blieb ihr ja nichts anderes übrig, wenn sie mit mir zusammen bleiben wollte, musste sie dieses furchtbare Hobby mitmachen, und das erste richtig furchtbare Erlebnis war eine Schlammhöhle wie es schlimmer nicht mehr ging, da stand das Wasser bis hierher und der Schlamm auch, und da musste man durch und musste die Unterlippe raushalten, und wer das mitgemacht hat und das dann hinterher auch noch schön fand, na der war der Sache verfallen. Und ihr blieb gar nicht anderes übrig, als da mit durchzukommen, und als sie da wieder rauskam, da hat sie gesagt: ‚Das hat mir gefallen'. Na, und seit der Zeit ist sie dabei geblieben. Und ich hab's dann umgedreht. Immer wenn's gefährlich wurde, hab' ich sie vorneweg geschickt, und wenn sie dann wieder rauskam, hab ich gedacht: da kannst du auch reingehen."
Der Karstwanderweg
Der Karstwanderweg Südharz und seine Entstehung von Reinhard Völker
Auszug aus dem Manuskript
Karstgebiete sind die Landschaften, in denen sich auf der Erde die meisten Höhlen befinden. Es gibt sie auf allen Kontinenten. 10 Prozent der Erdoberfläche sind Karstgebiete Weil es verschiedene Arten wasserlöslichen Gesteins gibt, gibt es auch unterschiedliche Karstlandschaften: Dolomitkarst, Gipskarst, Sandsteinkarst und Kalkkarst. Vier Fünftel aller Höhlen auf der Welt befinden sich im Kalkkarst. Das Kalkgestein ist in genau dem Element entstanden, von dem es später durchlöchert und zersetzt wird: Wasser. Kalkstein kommt aus dem Meer. Das kann man noch sehen, jedenfalls, wenn man so genau hinschaut, wie der Ingenieur und Höhlenforscher Rainer Fohlert.
Von den Wänden der Thüringer Altensteiner Höhle, die am Südrand des Thüringer Waldes bei Bad Salzungen liegt, hat er ein bisschen weißlichen Gesteinstaub abgeschabt und unter ein Mikroskop gelegt. Nun schaut der große Mann auf winzige Tierchen. Das Kalkgestein gibt sich zu erkennen: als Friedhof der Meerestiere.
Rainer Fohlert: "Wenn man mit dem Mikroskop hinguckt, dann bricht der helle Wahnsinn aus. Es ist wirklich toll. Es ist faszinierend. Muscheln, ja, ne 256 Millionen Jahre alte Muschel, von zwei Zentimeter Größe, sind beide Schalen zusammen, aber die Muschel innen drinne hohl, feinste Details auf der Oberfläche dieser Schale sind erkennbar, dass sich so was über die fast dreihundert Millionen Jahre erhalten hat, ist fantastisch, Schnecken in Maßen, dann äh, was haben wir denn da noch? Ja die kleinen, die kleinen Muschelkrebse. Die Muschelkrebse auch, genau, hohl. Ich weiß nicht, wie dick ist denn die Schale von so nem Muschelkrebs. Der ist insgesamt nen halben Millimeter lang, da ist die Schale nen paar Mükrometer stark, ja, und selbst die haben auf der Schale denn teilweise noch, noch irgendwelche Strukturen drauf, wo man sie auch noch unterscheiden kann. Das ist fantastisch, und das holt man alles aus diesen Sedimenten raus, die da in der Altensteiner Höhle über weite Strecken einfach den Hohlraum bilden, die Begrenzung des Hohlraums. Das ist schon toll."
Thüringer Höhlenverein e. V.
Das Ziel des Thüringer Höhlenvereins e. V. und der in ihm organisierten Vereine ist die Erforschung und der Schutz von Höhlen- und Karsterscheinungen
Sybille Wolf: "Wir heute können mit einem Blick erkennen, was die Menschen vor 35 000 Jahren gesehen haben und dann hergestellt haben. Das ist natürlich fantastisch, weil uns das sofort in eine Welt eintauchen lässt, die wir nur ansatzweise verstehen, die wir aber emotional wahrnehmen können, weil einfach diese Sachen Dinge sind, die wir heute noch erkennen."
Sybille Wolf, Archäologin von der Universität Tübingen, hat an Ausgrabungen auf der Schwäbischen Alb teilgenommen und erforscht die Kunst und Lebenswelt jener modernen Menschen, die vor 40 000 Jahren aus Afrika nach Europa einwanderten. Die lächelnden Löwen und galoppierenden Pferde, die diese Menschen geschaffen haben, lassen Forscher von einem "Künstlerischen Urknall" sprechen.
"Ja, der künstlerische Urknall, das kann man durchaus so stehen lassen, denn es ist wirklich so, dass die Menschen, als sie vor ungefähr 40.000 Jahren, wahrscheinlich über den Donaukorridor, nach Mitteleuropa einwanderten, sofort perfekte Kunstwerke herstellten. Perfekte Kunstwerke in so fern, dass wir keine primitiven Vorläufer kennen. Sie haben also es verstanden, das Material, das ihnen vorlag, en Detail auszuarbeiten, was zum Teil sehr schwierig ist. Elfenbein lässt sich sehr viel schwerer bearbeiten als Holz, sehr viel schwerer schnitzen, und wir kennen eben nichts, was mit dem zu vergleichen ist aus früherer Zeit. Wir kennen nichts von dem Menschen aus Afrika, und wir kennen nicht vom Neandertaler, was damit nur ansatzweise vergleichbar wäre. Vor ungefähr 40 000 Jahren kommt der Mensch hierher und bringt einfach die Voraussetzungen her, die wir heute noch von uns kennen, einfach die Voraussetzungen an Kunst, Schmuck, ästhetischem Empfinden und sozialem Zusammenleben. Und die Schmuckstücke und die Kunst, die er herstellt, das sind ganz detailliert und ganz speziell angefertigte Skulpturen, figürliche Kunst, die einfach unglaublich naturgetreu wiedergibt, was de Menschen in ihrer Umgebung wahrgenommen haben, gesehen haben, eiszeitlich Tiere wie das Mammut, Wisent, Höhlelöwen oder auch den Höhlenbären. Das sind also nicht abstrakte, sondern plastische kleine Kunstwerke, die auf ihre Weise perfektioniert sind."
Sibylle Wolf, Eberhard-Karls-Universität Tübingen, Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters
In Höhlen, weit entfernt von jedem Lichtschimmer, leben Spezialisten der Dunkelheit. Sie tasten, riechen und hören, statt zu sehen, und sie richten ihr Leben nach anderen Rhythmen aus als dem der Sonne, des Mondes oder der Jahreszeiten... Doch wie steht es zunächst mit den Menschen? Gibt es menschliche Spezialisten der Dunkelheit?
Bärbel Vogel: Mir geht's meistens ziemlich gut mit eng, das kommt auch immer ein bisschen auf die Höhle an. Ich finde immer, jede Höhe fühlt sich anders an. Und manchmal ist es schon so, dass ich ein komisches Gefühl hab, und dann hat meistens auch noch irgendein anderer ein komisches Gefühl, und dann sagen wir, nö, darein müssen wir jetzt nicht unbedingt mehr. Und mal wann anders, da flutscht es einfach so und man hat ein gutes Gefühl und man freut sich eher so: Hach, schöne, kuschelige Höhle, schön klein und eng und fein, und man freut sich einfach. Das ist wirklich total unterschiedlich.
Günter Volmer: Mir macht's halt Spaß. Je enger umso besser.
Friedhart Knolle: In Höhlen ist manchmal eine Situation, wo man nichts anderes hört, als das Klopfen seines eigenen Herzes, weil das natürlich dröhnt. Man ist völlig im Grunde genommen mit sich und der Höhle und dem Gestein da alleine.
Günter Volmer: Saß ich auch mal in so ein Loch drin da: Wie bist du denn hier reingekommen, wie kommst du denn jetzt wieder raus? Ja, aber nach einem bisschen Überlegen schafft man das ja meistens. Bis jetzt immer, ja, ich bin ja nicht dringeblieben.
Rainer Fohlert: Man muss sich eigentlich immer durch irgendwas durchzwängen, aber das ist - ein Beengungsgefühl so in der Höhle? Ne, da ist eigentlich nur ein Gefühl vorherrschend, gerade wenn man so am Erkunden ist: Da kommt ein Luftzug her? Oder da kann man reinleuchten? Dort sieht's so aus, als könnte man liegen, knien, stehen, tanzen? Je nachdem ist der Adrenalinspiegel dann wieder an ner anderen Stelle. Ja, das ist, denk ich mal. Was anderes gibt's da nicht.
Höhlenforscherinnen und Höhlenforscher aus verschiedenen Winkeln Deutschlands: Bärbel Vogel aus dem Voralpenland, Günter Volmer aus dem Ostharz und Friedhart Knolle aus dem Westharz und Rainer Fohlert aus Thüringen. Sie alle haben ihre Erfahrungen mit dem Katzenloch oder der Mausefalle gemacht. So nennen Höhlenforscher die engen Stellen, durch die sie sich winden müssen, um dann - vielleicht - in den nächsten weiten unterirdischen Raum zu gelangen. Es gehört für sie zum Alltag, sich nach Art der Regenwürmer durch enge Gänge zu winden, und sie fühlen sich dabei wohl, neugierig, wach, manchmal sogar geborgen. Für andere Menschen ist die Vorstellung, dreihundert Meter Gestein über sich zu haben, oder das Robben durch eine Engstelle unerträglich.
Arbeitsgemeinschaft für Karstkunde Harz e.V.
Homepage des Thüringer Höhlenverein e. V.
Als Umweltschützer und politischer Kopf hat Friedhart Knolle viele Kämpfe ausgefochten, als Pressesprecher des Nationalparks Harz hat er viele Termine. Doch in Höhlen schüttelt er die Anspannung ab. Er sagt, er habe das Gegenteil von Klaustrophobie, Klaustrophilie also, eine Vorliebe für Enge. In Höhlen hält er inne. Die Zeit vergeht dort langsamer.
"Es ist vielleicht auch ein Stück Psychohygiene durchaus, das sagen ja auch viele, die im Wald sind oder in den Bergen, dass das ein Stück Heilungsprozess ist, also der Natur. Die Natur ist der beste Mediziner, das gilt unter Tage auch. Es hat was mit dem hektischen Rhythmus der heutigen Zeit zu tun, den gibt's unter Tage nicht. Wenn ich den hektischen Rhythmus unter Tage beibehalte, bin ich in zwei Stunden tot. Tja, bringt überhaupt nichts. Dann mach ich Hektik, Hektik, und dann stürze ich ab. Und das hat auch was mit diesem Wohlfühleffekt zu tun. Slow Motion sagt man, glaube ich, heute, nicht? Slo-mo. Das ist der Slo-mo-Effekt genau."
Im Berg hat er gelernt, was er anderen nahezubringen versucht: In langen Zeiträumen zu denken.
"Wenn wir unsere Welt retten wollen, unsere kleine, bescheidene Welt, wo wir nicht einmal die Klimaentwicklung im Griff haben, dann werden wir lernen müssen, über mehrere Generationen hinweg, ich will gar nicht von Jahrmillionen reden, aber über mehrere Generationen hinweg, also wir müssen mindestens mit den Augen unserer Kinder denken. Das ist schon für die meisten zu schwer. Und das kann man in Höhlen lernen, diese andere Uhr, diese längere Denkweise, was man in Höhlen zerstört, oder zum Beispiel in Polarregionen, das lässt sich nicht in der nächsten Vegetationsperiode reparieren, das dauert manchmal Jahrhunderte, Tropfsteine Jahrtausende, bis das nachwächst. Deshalb ist dieser Respekt so wichtig."
Homepage von Friedhart Knolle: -
Nimm' nichts mit außer Erinnerungen, schlag' nichts tot außer der Zeit, lass' nichts zurück außer Fußstapfen. Das ist eine alte Regel der Höhlenforscher und vielleicht auch eine praktische Anweisung, um jeden Sinn der Anteilnahme zu entwickeln, von dem die polnische Dichterin Wyslawa Szymborska in ihrem Gespräch mit dem Stein spricht.
"Du kommst nicht rein", sagt der Stein.
"Dir fehlt der Sinn der Anteilnahme.
Kein Sinn ersetzt dir den Sinn der Anteilnahme.
Selbst der bis zur Allsicht geschärfte Blick
Nützt dir gar nichts ohne den Sinn der Anteilnahme.
Du kommst nicht rein, hast kaum eine Ahnung von diesem Sinn,
kaum einen Ansatz, eine Idee davon.
Ich klopfe an die Tür des Steins.
"Ich bin's, mach auf.
Ich kann nicht zweitausend Jahre warten, bis ich eintrete unter dein Dach."
"Wenn du mir nicht glaubst", sagt der Stein,
"frag das Blatt, es wird dir dasselbe sagen.
Frag den Wassertropfen, er sagt dasselbe wie das Blatt.
Frag schließlich das Haar auf deinem Kopf.
Ich platze vor Lachen, vor großem Lachen, vor Lachen, das ich nicht lachen kann."
Ich klopfe an die Tür des Steins.
"Ich bin's, mach auf."
"Ich hab' keine Tür", sagt der Stein.