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"Im Dialekt spielt man anders"

Ob Theater, Kino oder Fernsehen - der Schauspieler Martin Feifel spielt überall. Über seinen neusten Film, seine Liebe zum Dialekt und seinen Traumberuf Clown spricht er im Corso-Gespräch.

Martin Feifel im Gespräch mit Hartwig Tegeler |
    Hartwig Tegeler: Martin Feifel, Sie wollten einmal Clown werden. Und es ging nicht. Würden Sie immer noch gerne Clown werden.

    Martin Feifel: Ich glaube, ganz tief irgendwo innen drin bin ich einer. Aber ich habe ihn noch nicht gefunden. Vielleicht blitzt er dann ja irgendwann einmal. Vielleicht schafft er das ja irgendwann mal rauszukommen oder so. Ich habe auf jeden Fall gemerkt, dass ich einen großen Hang zur Melancholie und Dramatischem, auch Tragischem habe, und dass ich da ein großes Pfund habe, um da auch Sachen auszudrücken. Und insofern ist der Clown auch ein bisschen in den Hintergrund getreten. Weil ich mir gesagt habe, es gibt nichts Schlimmeres als Leute, die auf Biegen und Brechen versuchen, komisch zu sein.

    Tegeler: Haben Sie denn manchmal die rote Nase auf in Ihrem Privatleben?

    Feifel: Ja, in so bestimmten Kreisen traue ich mich das dann auch. Es hat natürlich sehr viel mit Traute auch zu tun, aber so den Clown, das Schlitzohr, der Lausbub, der blitzt dann schon manchmal auf. Also, ich bringe schon gerne die Leute zum Lachen und schaffe das auch tatsächlich.

    Tegeler: Sie haben ja in Ihrem Werk als Schauspieler einen irrsinnigen Spagat hingelegt und legen den eigentlich weiter hin. Sie sind auf der einen Seite ein gestandener Theaterschauspieler. Hölderlin, es war nicht Theater, es war Film, Feuerreiter, Nina Grosse, die Regisseurin - war das so ein Meilenstein in der Auseinandersetzung mit den Klassikern und der klassischen Literatur?

    Feifel: Ja, natürlich, wenn man sich mit der Biografie von Hölderlin beschäftigt, dann ist man automatisch konfrontiert mit dem Kontext, in dem er stand. Also, man musste sich schon auf eine Art und Weise der Gesellschaft anpassen, um in diese goethianischen Kreise zu kommen, wo man auch ein bisschen den Hintern gepudert bekommt. Das hat Hölderlin, glaube ich, nie geschafft. Oder wenn er die Möglichkeit gehabt hätte, dann hat er gemerkt, er kann das gar nicht. Oder er will das auch gar nicht. Insofern ist die Beschäftigung mit den Klassikern ja auch immer eine politische Suche. Und wenn man sie in den Vergleich stellt, ist es auch immer interessant zu sehen, was passiert heute, was passierte damals?

    Tegeler: Martin Feifel, wie geht ein Schauspieler wie Sie damit um, dass ein so wunderschöner Film wie Feuerreiter, dass der letztendlich vom Publikum wie der Kritik nicht missachtet, sondern, ja, eher nicht wirklich beachtet worden ist. Ist das ein tiefer Frust für einen Schauspieler?

    Feifel: Ja, das tut mir natürlich immer noch in der Seele weh, dass der da in einer Zeit rauskam, als offensichtlich das Interesse für eine Figur wie Hölderlin nicht da war. Ich glaube, dass das heutzutage, wirklich vierzehn, fünfzehn Jahre später erst, das ist ja keine lange Zeitstrecke, ganz anderes Interesse für so eine Biografie da wäre. Ich weiß nicht, woran das liegt, aber wie gesagt, das tut mir natürlich weh. Ich bin sehr froh, dass es den Feuerreiter auf der Arte-Edition, glaube ich, zu kaufen gibt, so ist er noch in der Welt und verschwindet nicht in irgendeiner Schublade.

    Tegeler: Hamlet! War das eine Figur, die haben Sie gespielt, Shakespeare. War der Ihnen auch so nahe wie der Hölderlin?

    Feifel: Ja, Hamlet war für mich vor allem in der Interpretation, wie Frank-Patrick Steckel das mit mir erarbeitet hat, nämlich eben nicht als traurigen Tropf, der sich aufbäumt, sondern, dass man den als einen klugen, vielleicht für die Gesellschaft zu klugen Kopf formuliert. Und das hat mir natürlich eine Riesenfreude gemacht, weil das ein ganz anderer Antrieb ist, als wenn man denkt, ach, das ist nur ein armer Bursche, der nicht zurechtkommt mit den Machtverhältnissen. Sondern, der hat sich richtig aufgelehnt, und das hat natürlich eine große Freude gemacht vor allem über diese lange Strecke. Das waren ja mit Pausen, glaube ich, acht Stunden.

    Tegeler: Acht Stunden?

    Feifel:... die Inszenierung, weil der Patrick den Ehrgeiz hatte, den wirklich ungestrichen zu inszenieren. Und es werden normalerweise beim Hamlet immer große Textpassagen rausgenommen.

    Tegeler: Wie schafft man das, so acht Stunden Text in sich reinzuschaufeln?

    Feifel: Gut, es war so, dass Frank-Patrick Steckel eine eigene Übersetzung gemacht hat. Und er hat mir quasi Wochen und Monate vor Probenbeginn immer dann so die frisch übersetzen Sachen rübergefaxt. Und ich habe dann immer schon angefangen zu lernen. Dadurch hatte ich einen relativ großen Zeitraum, um mich dieser Textmasse zu stellen. Aber, da muss ich sagen, da habe ich wirklich bis zur Erschöpfung gespielt. Also, ich war zum Teil nicht mehr fähig, mich zu verbeugen. Also, da brauchte ich entweder einen Kollegen oder Steckel selbst, der mir dann irgendwie ... der mich mit an die Rampe genommen hat, um mich zum Verbeugen vorzubringen.

    Tegeler: Feuerreiter, über den wir geredet haben, ein Film, die Hamlet-Inszenierung Theater. Martin Feifel, am Anfang Ihrer Karriere, als es noch keine Karriere war, wollten Sie Clown werden, haben ein bisschen geschnuppert in den Zirkus Roncalli. Jetzt mal Hand aufs Herz: Das Filmset oder die Theaterbühne oder das Theatergeschehen, was ist denn der größere Zirkus?

    Feifel: Also, im Grunde genommen ist es ja so, dass das 'fahrende Volk', was der Theaterschauspieler früher war, das ist ja heute das Filmvolk. Weil das fährt rum und macht die Gegend unsicher, und die Leute holen ihre Wäsche rein. Bzw. so ein Filmteam kann da durchaus auch mal so ein bisschen verbrannte Erde hinterlassen. Dann kommt es natürlich drauf an, was man für Stoffe bearbeitet beim Film. Da gibt es natürlich auch großes Gefälle.

    Tegeler: Anfang der 1990er Jahre fangen Sie an, sehr viel mehr Film zu machen und Fernsehen zu machen. Ist das ein wohlfeiler Brotjob, das Fernsehen? Oder finden Sie da auch für jemanden, der die Bühne auch bespielt hat, durchaus auch Stoffe, wo Sie sagen, oh, das reizt mich.

    Feifel: Ja, das ist durchaus so. Also, ich habe mich, als ich am Theater war, mit einer gewissen Arroganz und Eitelkeit, die der junge Schauspieler meistens so mit sich bringt, Film und Fernsehen einfach so, na ja, Film nicht so, aber Fernsehen, wirklich abgetan und gesagt, das ist Kacke. Ich habe dann im Kontakt mit Dominik Graf gemerkt, was Fernsehen alles kann. Also, man muss nicht unbedingt auf die große Leinwand, sondern das Medium Fernsehen, wenn man es optimal ausnutzt und wirklich alle Kräfte da raus zieht, dann kann das wunderbar sein. Und da nehme ich mit Absicht das Beispiel Dominik Graf, weil der das auch so postuliert. Also, der sagt, das Fernsehen ist ein Medium, das man sich zu eigen machen muss, dann kann was draus entstehen. Wenn man sich selber dem Fernsehen unterwerfen muss, also dem Diktat von Produktionen und Redakteuren oder so, dann wird es natürlich immer schwieriger, weil, das sind dann so viele Menschen, die da mitreden, und dadurch geht dann auch, glaube ich, viel kaputt.

    Tegeler: Haben sie die Liebe zum Theater weiterhin im Blut?

    Feifel: Ja, auf jeden Fall. Das ist dann tatsächlich die alte Leidenschaft, dass man mal wieder richtig Publikum hat und spürt, was da passiert zwischen Publikum und Schauspieler. Die Lust auf die große Bühne zu gehen, habe ich nach wie vor. Aber ich möchte mich im Moment nicht diesem doch fast leibeigenschaftlichen Arbeitsverhältnis eines festen Ensemblemitglieds nicht aussetzen.

    Tegeler: Das ist schon sehr zwanghaft?

    Feifel: Also, ich habe das in jedem Fall so erlebt, man hat überhaupt keine Freiheiten mehr. Also das, was man sich so als Künstler vorstellt, dass man seinem Beruf nachgeht und trotzdem eine große künstlerische Freiheit hat, das habe ich vor allem am Thalia überhaupt nicht so empfunden. Also, ich dachte eher, ich bin jetzt geknebelt, gefesselt und muss machen, was man mir vorsetzt. Und meine eigene Freiheit im Denken und im Ausdrückenwollen gar nicht mehr gefragt ist.

    Tegeler: Martin Feifel, wie kommt dieser Hang zu ... diese Freude auch am mundartlichen Spiel? Das ist ja auch etwas, was Sie in den letzten Jahren gemacht haben. Sie sind in München geboren, das heißt die Sprache, also das Bayerische liegt Ihnen nahe, aber das heißt ja nicht unbedingt, dass man gerne solche Rollen spielt.

    Feifel: Also, was mich am Mundartlichen reizt und was mir daran gefällt, ist, wenn man im Dialekt spielt, spielt man anders. Also, man steht anders am Boden. Das Bayerische hat ja direkt was Erdiges, das ist ja auch ein bisschen schwerfällig.

    Tegeler: Aber der Dialekt hat natürlich etwas extrem Direktes auch im Ausdruck. Finden Sie nicht auch?

    Feifel: Ja, es ist so unverstellt. Man sagt: Man spricht so aus dem Arschloch raus. Man spricht aus dem tiefen Bauch. Und das gefällt mir. Mir gefällt das sehr gut. Gerade der bayerische und der österreichische Dialekt ... finde ich auch sehr schön geeignet für die Bühne und für Film.

    Tegeler: Wäre das nicht sozusagen die Synthese für das Schaffenswerk von Martin Feifel in vielen, vielen, vielen Jahren ... den mundartlichen Clown?

    Feifel: Ja, da könnte man mal drüber nachdenken.

    Tegeler: Würde Sie das reizen?

    Feifel: Ich glaube, es ist eher der Narr. Also, bei mir schießt dann auch immer so dieses ganz Losgelöste, Leichte, Luftige ... das habe ich dann doch nicht. Sondern, bei mir ist der Beruf Schauspieler auch immer dazu da: Ich habe die Chance, mich vor Leute hinzustellen und kann eine Haltung beziehen und kann die Leute damit konfrontieren. Also, immer auch der kritische Aspekt unseres Berufes, den man eigentlich nie aus dem Auge verlieren sollte, ist bei mir schon immer wichtig. Insofern ist der Narr für mich besser als Begriff als der Clown.