Archiv

Induktive Energieübertragung
Neue Spulen für effektiven Flugstrom

Kontaktlose Stromübertragung, sogenannter Flugstrom: Viele Forscher widmen sich dieser speziellen Art der Induktion, doch ausgereift sind die Systeme noch nicht. Zu wenig Leistung oder zu unflexibel. Nun haben Wissenschaftler der Hochschule Furtwangen ein System entwickelt, das Distanzen von einem halben Meter überbrückt.

Von Jan Rähm |
    Was haben eine elektrische Zahnbürste und ein Elektroauto gemeinsam? Beide müssen alle Nase lang aufgeladen werden. Während das bei der Zahnbürste schon lange kabellos geht, hängt das Elektroauto noch ganz altmodisch am Netzstecker. Dank der Entwicklung von Markus Rehm von der Hochschule Furtwangen könnte sich das eventuell ändern: "Unser System heißt UniWP. Das steht für Universal Wireless Power, also universelle kontaktlose Energieübertragung."
    UniWP ist ein optimiertes System zur induktiven Übertragung elektrischer Energie. Das Prinzip ähnelt dem eines Transformators. Eine stromdurchflossene Spule, erzeugt ein elektromagnetisches Feld. Eine zweite Spule in der Nähe, die sogenannte Empfangsspule, spürt dieses rasch wechselnde Feld. Weil es die Elektronen in ihr hin und her schubst, fließt ein Strom. Induktive Kopplung nennen das Fachleute. Damit möglichst viel Energie übertragen wird, müssen Sende- und Empfangsspule perfekt aufeinander abgestimmt sein. Markus Rehm hat dazu eine neuartige Steuerelektronik entwickelt, die dafür sorgt, dass die beiden Spulen stets in Resonanz schwingen. Das macht die Energieübertragung effizienter, war bislang aber schwer technisch umsetzbar.
    "Drahtlose Stromversorgungen gibt es auf dem Markt, aber wenig, weil es viele Probleme gibt bezüglich elektromagnetischer Verträglichkeit und man hat auch große Verluste. Das will man nicht. Man will einen hohen Wirkungsgrad."
    100 Watt sind übertragbar
    Je höher der Wirkungsgrad, desto weniger Energie verpufft ungenutzt als Abwärme. Handelsübliche Steckernetzteile für Handys oder Tablet-Computer erreichen heute Wirkungsgrade zwischen 50 und 90 Prozent. Moderne drahtlose Ladesysteme schaffen mittlerweile um die 70 Prozent.
    In diesem Bereich will auch Markus Rehm landen. Um sich von anderen induktiven Übertragungssystemen abzusetzen, will der Ingenieur weitere Nachteile der existierenden Lösungen beheben. Beispiel Ladematten für Handys: Der Anwender muss bisher sein Gerät sehr genau auf der Matte platzieren. Der Abstand zwischen Ladematte und Gerät darf nur wenige Millimeter betragen. Außerdem liegt die Übertragungsleistung in der Regel bei nur wenigen Watt. Diese Probleme könne sein System lösen, sagt Markus Rehm.
    "Wir sind dabei, dieses System zu erweitern auf größere Entfernungen. Also bis 40, 50 Zentimeter und dann - 100 Watt können wir jetzt schon übertragen. Das Ziel ist dann noch mehr im Kilowattbereich."
    Energie auf vielen Frequenzen
    Trotz der jetzt schon hohen Übertragungsleistung störe das vorliegende System andere Elektrogeräte nicht und sei selbst auch kaum anfällig für elektromagnetische Störungen.
    Möglich macht das ein Trick. Die Ingenieure "sweepen". Sie verteilen die Energie auf mehrere Frequenzen und vermeiden dadurch, einzelne Frequenzen zu stark zu belasten. So bleibt UniWP innerhalb der gesetzlichen Normen, vermeidet den umgangssprachlichen Elektrosmog und erreicht dennoch eine deutlich höhere Gesamtleistung als andere induktive Systeme. Bislang gibt es allerdings erst einen Prototypen.
    "Wir haben ein Muster, wo wir die guten Eigenschaften alle zeigen können. Also wenn es ein Pilotprojekt gäbe, würden wir uns freuen, dann könnte man das mal ausprobieren."
    Mehr Leistung, besserer Wirkungsgrad, größerer Abstand der Spulen und weniger elektromagnetische Störfelder: Markus Rehm hat sich recht große Ziele gesetzt. Erste Ergebnisse im Labor zeigen, dass die Technik im Prinzip funktioniert. Läuft weiter alles nach Plan, könnte UniWP eines Tages dem Elektroauto helfen, der elektrischen Zahnbürste nachzueifern - und das Ladekabel überflüssig machen.