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Integration
Ist Sprache das einzige Kriterium?

Sprache ist der Schlüssel zur Integration – heißt es immer wieder. Aber an der Umsetzung hapert es oft. Deutsch für alle von Anfang an – das klingt zwar gut und ist politisch gewollt, trotzdem dauert es manchmal Monate, bis Flüchtlingskinder überhaupt in die Schule dürfen. Und dort fehlen dann qualifizierte Lehrer. Nicht das einzige Problem.

Von Claudia van Laak |
    Eine Asylbewerberin nimmt an einem Deutschunterricht für Ausländer teil
    Eine Asylbewerberin nimmt an einem Deutschunterricht für Ausländer teil (dpa / picture-alliance)
    "Ich bin Saria, ich bin 10 Jahre alt, ich komme aus Syrien, ich spreche Arabisch, Englisch, bisschen Türkisch und ein bisschen deutsch." - "Hallo, ich bin Dionys. Ich bin Albaner." – "Arnel. 11 Jahre alt. Bosnien. Sprechen Deutsch und Russisch, Bosnisch." – "Ich bin Arman. Ich bin 11 Jahre alt. Armenisch, russisch und ein bisschen Englisch."
    Die Willkommensklasse der katholischen St. Franziskus-Schule in Berlin-Schöneberg. Seit Oktober lernen sie gemeinsam Deutsch. 8 Kinder, 5 Muttersprachen. Guten Tag!
    Dass ihre Kinder unter dem strengen Blick des gekreuzigten Christus an der Wand Kicker spielen, hat die muslimischen Flüchtlingseltern anfangs irritiert. Dass überall bunte Klebezettel hängen, auf denen "Toilette", "Spiegel" oder "Waschbecken" steht, daran musste sich die St. Franziskus-Gemeinde gewöhnen, in deren Räumen der Unterricht stattfindet.
    Diese Zettel mit den deutschen Begriffen im ganzen Haus helfen enorm beim Deutschlernen, erläutert Lehrerin Aniko Ramshorn, eine gebürtige Ungarin, die in ihrem Heimatland als Deutschlehrerin gearbeitet hat. Noch haben Saria, Arnel, Farshad, Arman, Dionys und die anderen keine gemeinsame Sprache, aber lange wird es nicht mehr dauern, ist die Lehrerin überzeugt.
    "Sie warten auf neue deutsche Wörter, auf neue deutsche Sätze, die sie benutzen können. Ich merke da wirklich eine leere Stelle. Das benutzen sie, das Kleine, was sie bis jetzt gelernt haben, und das werden sie demnächst viel intensiver weiterbenutzen."
    "Da schau mal. Mensch, Ute. Da, schau mal, Ute, schnell, komm mit. Ein UFO. Das habt Ihr schön vorgetragen."
    Deutschland ist ein Bildungsflickenteppich – es verwundert deshalb nicht, dass auch die Beschulung von Flüchtlingskindern von Land zu Land unterschiedlich geregelt ist. In Sachsen gibt es überhaupt kein entsprechendes Gesetz, in Baden-Württemberg gilt die Schulpflicht nach sechs Monaten, in Berlin vom ersten Tag an. Theoretisch. Die Praxis sieht anders aus. Im besten Fall dauert es Wochen, im schlechten Monate, bis die Kinder zum ersten Mal eine Klasse von innen sehen. Claudia Reuber, Konrektorin der Franziskus-Schule:
    "Voraussetzung ist ja auch, dass die Kinder die Meldebescheinigung mitbekommen, einen Gesundheitscheck durchlaufen sind, das sind Dinge, die vorher gelaufen sein müssen."
    Der Schlüssel zur Integration
    Etwa 10.000 Flüchtlingskinder im Schulalter sind im vergangenen Jahr nach Berlin gekommen – 4.000 davon ohne ihre Eltern. Sie leben noch nicht dauerhaft an einem Ort, wechseln manchmal ihre Unterkunft und damit auch die Schulbezirke. Die Verwaltungen tun sich schwer, den Überblick zu behalten. So hatte die Franziskus-Schule zu Beginn im vergangenen Oktober eine Liste mit 15 Schülern. Am ersten Schultag standen zehn Kinder vor der Tür, aber deren Namen standen nur zum Teil auf der Liste, erzählt Claudia Reuber.
    "Die Arbeit in der Willkommensklasse braucht ganz viel Flexibilität. Von daher ließ sich auch im Voraus gar nicht richtig planen. Ich fand auch wichtig, dass wir am Anfang den Schwerpunkt gesetzt haben zu sagen, den Kindern auch wirklich einen Ort anzubieten, einen Raum und dass sie sehen: Da ist jemand für mich."
    "Bildung ist ein Menschenrecht und gilt für jeden und jede. Und gerade im Krieg und in Fluchtsituationen leiden insbesondere Kinder und haben über Jahre zum Teil keine Schule. Für uns – wie ich glaube für alle inzwischen - ist der Erwerb der deutschen Sprache der Schlüssel zur Integration", sagt Marlis Tepe, die Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft GEW. Deutsch für alle Flüchtlinge möglichst von Anfang an – das ist Konsens unter den Bildungsexperten und über Parteigrenzen hinweg. Cemile Giousouf, integrationspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion formuliert es so:
    "Das ist sehr wichtig, dass wir von der Stunde null an Möglichkeiten bieten, die Sprache zu lernen, weil das natürlich - und das ist keine Überraschung - der Weg in Bildung, in Arbeit und in die gesellschaftliche Integration ist."
    Cemile Giousouf spricht aus eigener Erfahrung, ihre Eltern sind als Gastarbeiter nach Deutschland eingewandert, ihr Vater spricht bis heute schlecht Deutsch. Die Bundesrepublik dürfe die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen, sagt deshalb auch die 37-jährige CDU-Bundestagsabgeordnete aus dem Ruhrgebiet. Für die erste Gastarbeitergeneration gab es keine Sprachkurse. Türken, Italiener und Spanier sollten in Deutschland arbeiten und nach ein paar Jahren wieder in ihre Heimatländer zurückkehren – Integration war in den 60er und 70er-Jahren ein Fremdwort.
    "Es gab niemanden, der uns einen Deutschkurs vorgeschlagen hat, der uns so etwas empfohlen hat. Es gab gar keine Möglichkeiten, Deutschkurse zu besuchen."
    Dursun Güzel – ein gepflegter älterer Herr mit weißem Schnauzbart – lebt seit 46 Jahren in Deutschland. Er hat in Ulm, Pforzheim, Sindelfingen und zuletzt in Berlin auf dem Bau und in der Automobilindustrie gearbeitet. Zwei Drittel seines Lebens hat Güzel in Deutschland, nur ein Drittel in der Türkei verbracht - trotzdem spricht der 73-Jährige nur gebrochen Deutsch.
    "Heute würde ich das anders machen, ganz klar. Ich würde als Erstes die Sprache lernen. Denn ich weiß, wie wichtig das ist. Ohne Sprache kann man sich nicht verständlich machen, noch nicht einmal beim Arzt."
    Fehler in der Vergangenheit
    Erst mit dem Zuwanderungsgesetz von 2005 hat der Bund flächendeckend die sogenannten Integrationskurse eingeführt. Die Kosten dafür übernimmt zum großen Teil der Bund, Teilnehmer mit eigenem Einkommen zahlen selber – für 600 Stunden Deutsch plus einen 60-stündigen Orientierungskurs. Für Teilnehmer mit hohem Bildungsniveau und einigen Vorkenntnissen in Deutsch reicht das aus. Bildungsferne Ausländer, die gar keine Erfahrungen haben im Lernen von fremden Sprachen, brauchen in der Regel mehr Zeit.
    Der Kurs ist offen für alle Ausländer. Verpflichtend ist er für diejenigen, die Sozialleistungen beziehen und dauerhaft in Deutschland bleiben wollen. Asylbewerber durften bislang die Integrationskurse erst nach Abschluss ihres Verfahrens besuchen – das kann Monate, manchmal Jahre dauern. Doch angesichts des Flüchtlingszustroms sind die Kurse geöffnet worden – nun dürfen auch Personen aus Syrien, Eritrea, Iran und Irak, die gerade erst in Deutschland angekommen sind, an einem Integrationskurs teilnehmen.
    "Guten Morgen – ja, nehmen Sie Platz."
    Martina Kaminski begrüßt ihre Schülerinnen und Schüler aus dem Integrationskurs der Volkshochschule Friedrichshain-Kreuzberg. 14 Männer und Frauen sind an diesem Morgen mehr oder weniger pünktlich gekommen – zwölf Muttersprachen haben sie mitgebracht. Von Arabisch bis Tschechisch, von Hebräisch bis Spanisch, nur asiatische Sprachen sind nicht vertreten.
    Mit der deutschen Sprache lehrt Dozentin Martina Kaminski gleichzeitig die Eigenheiten und Gepflogenheiten des Gastlandes. Ganz wichtig für die Neuankömmlinge: das Amt.
    "Ramon war auf dem Amt, warum? Richtig. Der Führerschein war nicht gültig. Was machen wir noch auf dem Amt? Einen Pass bekommen wir auf dem Amt."
    Lama Habib und Abed Dahla sitzen nebeneinander an einem Tisch, ab und zu tuscheln sie auf Arabisch. Die beiden syrischen Flüchtlinge sind etwa vor einem Jahr nach Berlin gekommen. Obwohl die Hausaufgaben der 44jährigen Lehrerin perfekt sind – 'meine Söhne helfen mir mit dem Deutsch', sagt Lama Habib – spricht Abed Dahla besser als sie. Der 20jährige teilt sich eine Wohnung mit deutschen Freunden – das hilft.
    "Für mich, als ich gekommen nach Deutschland, ich nicht können Deutsch und nicht Englisch. Aber jetzt sehr gut. Ich haben viele deutsche Freunde. Ich wohne einen Monat in WG. Jetzt spreche ich only Deutsch. Und das ist super."
    Abed Dahla hat ein Ziel vor Augen. Er will die Prüfung am Ende des Integrationskurses unbedingt bestehen. Zum Studieren reicht das Deutsch dann noch nicht aus, aber für eine Ausbildung schon. Der Syrer träumt von einer Lehrstelle als Automechaniker. Vorher steht allerdings noch die komplizierte deutsche Grammatik auf der Tagesordnung, an der er regelmäßig scheitert. Genau wie Lama Habib. Der heutige Lernstoff: Dativpräpositionen.
    "Ich wohne bei meinem Mann. Nein, sie wohnen mit ihrem Mann zusammen, denke ich. Ich gehe nach Arbeit. Nein. Ich gehe nach der Arbeit. Nein. Ich gehe nach Hause."
    Bürokratische Hürden für Flüchtlinge
    Unter den 14 Teilnehmerinnen und Teilnehmern am Integrationskurs in der Volkshochschule Friedrichshain-Kreuzberg sind gerade einmal zwei Flüchtlinge: Lama Habib und Abed Dahla. Die anderen stammen aus EU-Ländern, aus Russland und Israel. Nur zwei Asylsuchende – das irritiert – werden doch seitens der Politik genau diese Kurse als unverzichtbar für alle Flüchtlinge angepriesen.
    Doch bürokratische Hürden versperren derzeit den Zugang für gerade hier angekommene Menschen aus Syrien, Eritrea, Irak und Iran. Denn nur diejenigen erhalten eine Berechtigung zum Kursbesuch, die sich nicht vorher in einem anderen europäischen Land als Flüchtling haben registrieren lassen. Diese Überprüfung führt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – kurz BAMF – durch. Die Behörde ist bekanntlich überlastet, der Vorgang dauert also.
    Dies konterkariert die ursprünglich gute Idee des Deutschlernens von Anfang an, sagt Bärbel Schürrle, Leiterin der Volkshochschule Friedrichshain-Kreuzberg.
    "Dadurch, dass die Prüfung dauert, bedeutet es auch, dass die Leute letztendlich formal theoretisch den Zugang hätten, es aber im Vollzug nicht umsetzbar ist für die Integrationskursträger, weil sie die BAMF-Zulassungen für die Leute dann nicht haben. Das heißt, es funktioniert so in der Aufgabenteilung jetzt auch für Berlin, zwischen Bund und Land aktuell nicht."
    Das Land Berlin hat – wie viele andere Bundesländer auch – ein Sonderprogramm für Deutschkurse an den Volkshochschulen aufgelegt. Engpass ist das Personal – an den Schulen fehlen Lehrer, die eine besondere Ausbildung im Bereich "Deutsch als Fremdsprache" absolviert haben. Auch private und öffentliche Bildungsträger suchen händeringend Deutsch-Dozenten – die Anforderungen an das Personal sinken.
    Besonders gut qualifizierte Lehrerinnen und Lehrer können sich momentan über Festanstellungen bzw. Verbeamtungen im Schuldienst freuen – allein das Land Berlin hat in den letzten Monaten 700 Lehrer für seine Willkommensklassen neu eingestellt.
    Volkshochschulen und andere Bildungsträger setzen nach wie vor auf freiberufliche Dozentinnen und Dozenten – die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) beklagt schon seit langem unsichere Arbeitsverhältnisse und zu niedrige Honorare. Auch Christoph Schröder, Professor für Deutsch als Fremdsprache an der Universität Potsdam, fordert feste Stellen für Deutsch-Dozenten.
    "Es ist dann natürlich ein Skandal, dass das immer noch im Wesentlichen auf der Grundlage von Honorarkräften läuft. Das heißt, dass die Menschen, die in den Integrationskursen diese großartige Arbeit leisten, nämlich als Dozenten Deutsch zu unterrichten, was sowohl eine "Deutsch als Fremdsprache"-Dozententätigkeit ist, aber gleichzeitig immer auch eine gewaltige sozialarbeiterische Tätigkeit, dass die tatsächlich immer noch auf Stundenbasis bezahlt werden."
    Keine individuelle Förderung
    Christoph Schröder übt auch generelle Kritik an den vom Bund finanzierten Integrationskursen. Ein Einheitskurs für alle werde den Flüchtlingen nicht gerecht. Da gebe es einerseits Akademiker, die in den Kursen unterfordert, andererseits Bildungsferne, die überfordert seien. Außerdem seien die Kurse zu unspezifisch, müssten viel stärker auf den Arbeitsmarkt ausgerichtet sein.
    "Wenn wir uns die Zahlen anschauen: In den letzten zehn Jahren, seit Bestand der Integrationskurse, ist die Arbeitslosigkeit unter Ausländern nicht weniger geworden. Ich halte das für problematisch. Erfolgreich sind diejenigen, die vielleicht auch ohne Integrationskurs erfolgreich wären, die anderen aber eben nicht."
    Was ebenfalls bedenklich stimmt: nur sechs von zehn Teilnehmern erreichen am Ende das gewünschte Deutsch-Niveau. Deshalb plädiert auch die integrationspolitische Sprecherin der Unions-Bundestagsfraktion dafür, das Konzept zu überarbeiten – weg vom Einheitskurs, hin zu differenzierten Angeboten, die auf das Bildungsniveau der Schülerinnen und Schüler abgestimmt sind. Cemile Giousouf hofft außerdem darauf, dass sich die CDU mit ihrer Forderung nach einer Integrationsvereinbarung für alle Asylbewerber durchsetzen kann. Diese mache deutlich, dass auch die Flüchtlinge eine Verantwortung hätten, schnell Deutsch zu lernen.
    "Dass wir sagen, diejenigen, die sich ganz besonders anstrengen, können mehr Leistungen bekommen. Dass man beispielsweise sagt, wenn Du Deinen Deutschkurs in einer bestimmten Zeit schaffst, bekommst du mehr Leistungen oder du musst den Kurs gar nicht mehr finanzieren. Solche Modelle wären möglich, um die Menschen positiv zu motivieren."
    Momentan ist die Motivation zum Deutschlernen allerdings größer als das Kursangebot. In vielen Erstaufnahmeeinrichtungen übernehmen Ehrenamtliche den Deutschunterricht, eine ganze Reihe von Apps – zum Beispiel vom Goethe-Institut – unterstützt Flüchtlinge ebenfalls dabei, die für sie fremde Sprache zu lernen.
    Eine große Zahl von Asylbewerbern – etwa 220.000 – nimmt an Sprachkursen teil, die die Bundesagentur für Arbeit finanziert hat. Die Sinnhaftigkeit dieser Kurse ist allerdings umstritten – wurde das Geld doch freihändig an Bildungsträger vergeben, die zum Teil überhaupt keine Erfahrung mit Sprachkursen haben. Ein Qualitätsnachweis war nicht nötig. Die Leiterin der Volkshochschule Friedrichshain-Kreuzberg, Bärbel Schürrle, hält dies für fatal.
    "Ich persönlich bin der Meinung, dass es im Bereich der Erwachsenenbeschulung sehr problematisch ist, wenn man nicht qualifizierte Lehrkräfte zum Einsatz bringt. Denn sprachliche Fehler, die durch nicht geschultes Personal letztendlich verursacht werden, sind sehr, sehr schwer später zu revidieren."
    Anders bei Kindern. In der Willkommensklasse der katholischen St. Franziskus-Schule in Berlin-Schöneberg geht es wild durcheinander. Viele Kinder mischen ihre Muttersprache mit Englisch und Deutsch. Im Moment macht das gar nichts, sagt Lehrerin Franziska Zalud. Sie beobachtet, dass sich das Deutsche mit der Zeit mehr und mehr durchsetzt.
    "Das war in einer Mathematikstunde. Die Aufgabe war: Wie würdest Du einem anderen Kind erklären, was es jetzt tun soll? Was herauskam, war für mich ziemliches Kauderwelsch. Überraschenderweise wusste das dritte Kind ganz genau Beschied, was zu tun war. Was für mich noch einmal verdeutlicht hat, dass die Sprache der Kinder untereinander schon ganz schön weit ist."
    Kinder helfen ihren Eltern
    Vier Monate nach Schulstart – zweiter Besuch in der Willkommensklasse. Deutsch wird langsam aber sicher zur gemeinsamen Sprache der Kinder aus Afghanistan, Syrien, Italien, Albanien, Bosnien. Die Leistungsstärksten dürfen bereits einige Stunden in die Regelklassen wechseln, zunächst in den Fächern Sport, Kunst und Musik. Die ersten Kinder beginnen, ihren Eltern bei Behördengängen und beim Arztbesuch zu helfen.
    "Ich komme aus Afghanistan. Ich heiße Aida. Ich bin 10 Jahre alt." – "Können Mama und Papa schon Deutsch?" – "Nein." – "Noch gar nicht?" – "Ich ein bisschen und meine Bruder groß bisschen."
    "Ich habe mich letzte Woche mit einer Schülerin unterhalten, die ganz stolz erzählt hat, dass sie ihre Eltern dazu auffordert, Deutsch zu sprechen. Wo sie erzählt hat, Papa sagt immer, sprich mit mir Arabisch, sonst verstehe ich Dich nicht. Und sie sagt: nein, Papa, Du musst Deutsch lernen."
    Die beiden Kinder von Dursun Güzel, der vor 46 Jahren als Gastarbeiter aus der Türkei nach Deutschland gekommen ist, haben ihren Vater nicht aufgefordert, Deutsch zu lernen. Sie haben ihm bei Behördengängen und Arztbesuchen geholfen – der Vater blieb bei seinem Türkisch. Trotzdem sagt der 73Jährige von sich: Ich bin in Deutschland gut integriert. Schließlich habe er dem deutschen Staat nie auf der Tasche gelegen und immer rechtschaffen gelebt.
    "Natürlich hat die Sprache viel mit Integration zu tun, aber es darf nicht das ausschließliche Kriterium sein. Es gibt viele Aspekte, die man heranziehen muss, wenn man sich die Frage stellt, wann ein Mensch integriert ist. (..) Wenn nur die Sprachkenntnisse fehlen, kann man diesen Menschen nicht verurteilen und sagen, der ist nicht integriert."
    Trotzdem möchte der in Berlin lebende Rentner den vielen Neuankömmlingen einen guten Rat geben. Einen Rat, den er selber nie beherzigt hat.
    "Ich empfehle diesen Menschen unbedingt, die Sprache dieses Landes und das Zusammenleben mit der Gesellschaft hier schnellstens zu lernen. Auf der anderen Seite empfehle ich auch Deutschland, eine gute Integration zustande zu bringen, damit das Zusammenleben gut funktioniert. Die Integration muss menschlich gestaltet werden und die Menschen müssen das Leben und die Regeln hier akzeptieren."