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Internationale Bodenwoche
"Böden sind eine langfristige Angelegenheit"

Durch Erosion und falsche Nutzung gingen jedes Jahr rund 24 Milliarden Tonnen Boden verloren, sagte Alexander Müller vom IASS Potsdam, einem Institut für Spitzenforschung in Sachen Nachhaltigkeit, im DLF. Man müsse dafür sorgen, dass Böden in Zukunft nachhaltig bewirtschaftet werden. Sonst würden zukünftige Generationen nur noch ausgelaugte und degradierte Erde vorfinden.

Alexander Müller im Gespräch mit Susanne Kuhlmann |
    Verwehte Fußspuren auf einer Sanddüne bei Assuan in Ägypten, im Hintergrund blauer Himmel
    Die Fläche des verfügbaren Bodens wird immer knapper. (dpa / picture alliance / Arved Gintenreiter)
    Susanne Kuhlmann: Wasser, Nahrung, Energie, das alles sollen Böden liefern, und zwar in gigantischer Menge. Denn die Weltbevölkerung wächst ungebremst weiter. Zur Jahrhundertmitte müssen rund neun Milliarden Menschen satt werden. Aber die Fläche des verfügbaren Bodens wird immer knapper. Vor diesem Hintergrund begann gestern die Internationale Bodenwoche, die Global Soil Week in Berlin. Es ist eine große Plattform mit Vertretern aus Wissenschaft, Politik und Gesellschaft. Organisiert hat sie das IASS Potsdam, das Institut für Spitzenforschung in Sachen Nachhaltigkeit. Dessen Generalsekretär und Bodenexperte Alexander Müller ist jetzt am Telefon. Guten Tag!
    Alexander Müller: Einen wunderschönen guten Morgen.
    Kuhlmann: Anbauen, abbauen, zubauen - in diesem Jahr soll verstärkt daran gearbeitet werden, die verschiedenen Ansprüche an die Ressource Boden unter einen Hut zu bringen. Denn 2015 ist zum Internationalen Jahr der Böden erklärt worden. Schildern Sie uns doch die Spannbreite der Interessen.
    Müller: 2015 wurde von den Vereinten Nationen zum Jahr des Bodens erklärt, und zwar deshalb, weil wir mit Böden in einer Art und Weise umgehen, als ob wir Boden sofort wieder neu produzieren könnten. Boden benötigt mehrere Generationen, um sich zu regenerieren, und gleichzeitig verlieren wir jedes Jahr 24 Milliarden Tonnen Boden durch Erosion. Das ist pro Mensch drei Tonnen. Wenn Sie einen Kleinlastwagen voll Erde irgendwo sehen, das ist die Menge Boden, die wir jedes Jahr verlieren durch Erosion. Das heißt, wir gehen mit Böden um, als ob es eine Ressource wäre, die wir im Kaufhaus noch kaufen könnten, und das ist nicht der Fall. Deswegen wollen wir alle verfügbaren Experten, aber auch Politiker und Zivilgesellschaft zusammenbringen, um dafür zu sorgen, dass wir die Böden in Zukunft nachhaltig bewirtschaften.
    Humusbildung im Boden unterstützen
    Kuhlmann: Das Problem ist ja offenbar auch ganz oben angekommen, wenn man so will, denn im September will die Vollversammlung der Vereinten Nationen ihre umweltverträglichen Entwicklungsziele verabschieden, und einige davon befassen sich ebenfalls mit dem Boden. Worauf wird der Fokus gelegt?
    Müller: Wir sind sehr zufrieden, dass wir auf globaler Ebene diese Nachhaltigkeitsziele im September verabschieden werden. Allerdings müssen wir ganz deutlich sehen, dass - und das mag verrückt klingen - dadurch der Druck auf die Böden weiter zunehmen wird. Die Menschheit wird wachsen, wir brauchen mehr Lebensmittel. Es wird mehr Tierfutter produziert, weil unser Fleischkonsum steigt. Wir reden über die Bioökonomie, das heißt, wir wollen Mineralöl durch natürliche Rohstoffe ersetzen. Dies alles führt dazu, dass mehr Biomasse produziert werden muss, und die Böden sind nun mal die Grundlage. Deswegen muss dies in einen integrierten Konzept nachhaltig bewirtschaftet werden. Sonst werden die nachfolgenden Generationen nur noch ausgelaugte und degradierte Böden vorfinden.
    Kuhlmann: Was heißt das rein praktisch?
    Müller: Das heißt ganz praktisch, dass wir dafür sorgen müssen, dass die Humusbildung im Boden unterstützt wird. Der Boden ist einer der größten Kohlenstoffspeicher, die wir haben, und wenn wir Klimawandel bekämpfen wollen, brauchen wir gesunde, das heißt humusreiche Böden. Das heißt, alle Produktion muss sich darauf hin orientieren, dass sie Nachhaltigkeitskriterien genügt. Kurzfristiger Profit geht meistens über diese Kriterien hinaus und beachtet sie nicht.
    Kuhlmann: Asien, Afrika, Lateinamerika, überall ziehen ja immer mehr Menschen in die Städte. Andererseits leben weiter vor allem ja indigene Gruppen auf dem Land, oft auf sehr kargen Flächen und meistens haben sie auch nicht mal große Anrechte auf diese Flächen. Was passiert denn in der Hinsicht?
    Heute die richtigen Weichenstellungen vornehmen
    Müller: Sie sprechen eines der wesentlichen Probleme an, die Frage: Wie können indigene Völker, wie können arme Menschen, die auf dem Land wohnen, gerechten Zugang zu Land erhalten. Das ist in vielen Regionen nicht nur eine Frage der Lebensmittelsicherheit, sondern auch die Frage von Stabilität und Frieden in den Regionen. Deswegen beschäftigt sich unsere Konferenz insbesondere auch mit dem Zusammenhang zwischen nachhaltiger Bodenbewirtschaftung und Zugangsrechten zu Land. Wir haben Vertreter indigener Völker hier, die darauf verweisen, dass sich die politische Situation in vielen Ländern genau an dieser Frage entscheidet: Können wir nachhaltige Bewirtschaftung von Böden mit Landrechten verbinden? Und das sind insbesondere die Frauen, die hier davon profitieren können.
    Kuhlmann: Wie ist Ihre Prognose? Können die Böden so viel liefern, dass in wenigen Jahrzehnten neun Milliarden satt werden und einigermaßen gut leben können?
    Müller: Wenn wir heute die richtigen Weichenstellungen vornehmen, dann werden unsere Böden zur Mitte des Jahrhunderts neun Milliarden Menschen ernähren können. Das bedeutet aber auch, dass wir integriert denken. Wir müssen die verfügbaren Wasserressourcen mit einbinden, wir müssen ganz massiv den Klimawandel bekämpfen. Böden müssen da eine zentrale Rolle spielen. Und wir müssen weg vom kurzfristigen Denken. Böden sind eine langfristige Angelegenheit. Wenn wir heute handeln, dann können neun Milliarden Menschen ernährt werden. Wenn wir heute falsch handeln, dann werden wir soziale Unruhen in vielen Bereichen der Welt haben, und Sie sehen ja teilweise heute schon die Auswirkungen des Flüchtlingselends und des Dramas aus Afrika. Das hat sicherlich auch mit den veränderten Bodenverhältnissen zu tun.
    Kuhlmann: In Berlin läuft die Global Soil Week, die Internationale Bodenwoche. Danke an Alexander Müller vom Forschungsinstitut IASS für diese Erläuterungen.
    Müller: Gerne geschehen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.