Stefan Römermann: Haben Sie schon von der Bielefeld-Verschwörung gehört? Nein? Kein Wunder. Das wollen die da oben auch gar nicht. Ich sage es Ihnen trotzdem: Bielefeld existiert eigentlich gar nicht. Alle Berichte über diese Stadt sind erfunden. Und wer behauptet, er war selbst schon mal in Bielefeld, der ist selbst Teil der Verschwörung. Okay, das ist natürlich gelogen, aber die Geschichte kursiert inzwischen seit über 20 Jahren als Internet-Scherz oder hoax, wie es im Englischen heißt. Auch andere Internet-Falschmeldungen sind oft schon seit Jahren im Umlauf, wie zum Beispiel die Geschichte von den angeblich HIV-infizierten Nadeln in den Polstern von Kinosesseln, die angeblich absichtlich dort versteckt werden, um Menschen anzustecken. Alles falsch, und doch werden solche Geschichten immer wieder geteilt: per E-Mail oder in den letzten Jahren auch immer häufiger per Facebook, Twitter oder WhatsApp. Computer-Experte Frank Ziemann sammelt auf seiner Webseite hoaxinfo.de solche Falschmeldungen und Scherze. Passend zum heutigen 1. April habe ich ihn gefragt, wie man solche Geschichten eigentlich erkennen kann und wo sie herkommen.
Frank Ziemann: Soweit man das sagen kann, sind das in aller Regel mehr Missverständnisse oder andere Dinge, gar nicht mal so sehr, dass jetzt jemand sich in dem Sinne einen Scherz, der so "April, April"-verdächtig wäre, erlauben wollte. Es sind ein paar dabei, die könnte man da einsortieren, aber die Mehrzahl sind doch Warnungen vor nicht existenten Computerviren oder Gesundheitsgefahren oder dergleichen mehr, die wenig mit Aprilscherzen in dem Sinne zu tun haben.
Römermann: Was sind denn für Themen tatsächlich besonders beliebt bei diesen Kettenbriefen, Weiterleitungen? Bei Facebook wird das ja auch häufig einfach nur als ein Bildchen geteilt. Welche Themen sind denn da besonders beliebt? Kann man da irgendwelche Trends oder so was ausmachen?
Ziemann: Na ja, es gibt, wenn wir gerade mal den Bereich soziale Netzwerke, speziell Facebook und auch WhatsApp dazu noch nehmen, solche Sachen wie, man soll doch keinen Kontakt mit dem Benutzer so und so aufnehmen, das sei ein Virus oder ein Hacker und der würde dann den Computer lahmlegen und solche Geschichten. Da wechseln dann ständig die Namen, weil man irgendjemandem vielleicht was auswischen will. Oder aber es sind so Dinge wie, der Dienst XY - das könnte jetzt meinetwegen WhatsApp sein oder Facebook, oder früher waren es andere wie ICQ, die klassischen Chat-Programme, die alle kostenlos sind - soll jetzt kostenpflichtig werden oder sei überlaufen und man müsse überprüfen, ob denn noch alle Leute da aktiv sind, damit man die nicht mehr aktiven rausschmeißen könne, und deswegen soll man das an zehn Leute weiterleiten. Solche Geschichten, das sind so typische Social Network Hoaxes, die seit Jahren immer wieder in der Gegend herumspuken.
Bekannte gelten als vertrauenswürdig
Römermann: Viele von diesen Sachen, die kursieren tatsächlich schon seit Jahren, manche schon seit über zehn Jahren in dieser oder ähnlicher Form. Wie erklären Sie sich das?
Ziemann: Es hat nie jemand von den Leuten, die es immer weiterleiten, nachgeprüft, ob es stimmt, und es steht auch nicht dabei, dass es schon so alt ist. Also denkt jeder, das ist was Neues und das stimmt. Und derjenige, von dem man es bekommen hat, ist in aller Regel jemand, den man kennt, dem man per se erst mal zutraut, dass er jetzt einem keinen Unsinn erzählt. Insofern wird einfach gutgläubig davon ausgegangen, na ja, das wird schon stimmen, und dann leite ich es mal einfach weiter.
Römermann: Wie gehe ich denn vor, wenn ich jetzt beispielsweise so ein Bild bei Facebook sehe mit irgendeiner ganz skandalösen Nachricht, oder in meinen E-Mail-Briefkasten eine Nachricht bekommen habe? Wie gehe ich am günstigsten vor, um zu gucken, ob da wirklich was dran ist?
Ziemann: Das erste Warnzeichen, bei dem die Alarmglocken läuten sollten, ist die Aufforderung, es an möglichst viele Leute weiterzuleiten beziehungsweise es möglichst breit zu teilen, mit jedem, den man kennt, oder so. Das ist dann schon mal das erste Zeichen, dass da eventuell was faul sein könnte. Der zweite Schritt ist, dann mal inhaltlich zu gucken: Kann das sein, was da steht? Kann das überhaupt stimmen und wer hat was davon? Habe ich vielleicht was davon, wenn ich es weiterleite, oder habe ich nichts davon? Warum sollte ich es dann weiterleiten? Und im dritten Schritt guckt man dann mal in der Lieblingssuchmaschine nach ein paar Stichworten aus der Mail, gibt vielleicht noch das Stichwort "hoax" mit dazu, und bekommt dann wahrscheinlich eine Trefferliste, in der die Dinge schon so aufgeführt sind, dass man erkennt: Aha, das ist auf diversen Seiten, die sich mit hoaxes beschäftigen, schon aufgeführt, dann ist es wohl einer.
Römermann: Frank Ziemann, Betreiber der Internet-Seite hoaxinfo.de. Das Gespräch haben wir vor der Sendung aufgezeichnet.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.