Die Automobilindustrie habe im Diesel-Skandal "schwere Fehler gemacht und sie hat vor allen Dingen auch Vertrauen verspielt", sagte Merkel auf einer Veranstaltung des Deutschlandfunks und des Fernsehsenders Phoenix. Die Unternehmen seien nun gefordert, zum Beispiel in Form von Software-Updates und Umtauschprämien Verantwortung zu übernehmen.
Darüber hinaus gelte es, für die Einhaltung der Luftreinhalterichtlinie in Städten und Ballungsgebieten zu sorgen. Als Ergebnis des jüngsten Diesel-Gipfels hätten Bund und Autoindustrie jeweils 250 Millionen Euro für die technische Umrüstung in den Städten zur Verfügung gestellt. Die Kanzlerin kündigte an, sie werde nun die betroffenen Kommunen einladen, um mit ihnen zu besprechen, wie dieses Geld - "und gegebenenfalls noch was dazu" - verwendet werden kann.
Was nützt ein E-Auto, das man nicht laden kann?
Dabei gehe es auch um die Verbesserung der Ladeinfrastruktur für E-Mobilität. "Denn was nützt es, wenn Menschen sich ein Elektroauto kaufen würden, aber weder am Arbeitsplatz noch zu Hause die Chance haben zu laden?" Hier sei "unendlich viel zu tun". Das Treffen mit den Kommunen soll laut Merkel noch vor der Bundestagswahl am 24. September stattfinden.
Die Kanzlerin verteidigte sich gegen die Kritik, dass sie am Diesel-Gipfel nicht selbst teilgenommen hat, weil sie im Urlaub war. So etwas sei immer eine Abwägungsfrage, erklärte sie. Der Gipfel sei "ein erster Schritt" gewesen. "Dem müssen weitere folgen." Im Herbst werde man erst einmal ein Resümee ziehen, was bislang an Maßnahmen erfolgt sei. "Da werde ich sicherlich dabei sein."
Flüchtlingskrise ist noch nicht gelöst
Aus Sicht der Bundeskanzlerin sollte Deutschland weiter eine aktive Rolle bei der Lösung weltweiter Probleme spielen. Die Bundesrepublik sei heute schon sehr viel engagierter als noch vor einigen Jahren. "Wir haben, wenn ich an die Flüchtlingsfrage denke, wenn ich an die Partnerschaft mit Afrika denke, sehr viel unternommen", betonte Merkel. "Aber ich muss den Menschen in Deutschland auch sagen, dass wir uns auch weiter werden engagieren müssen." Inzwischen habe man den Zusammenhang verstanden, dass zum Beispiel schlechte Bedingungen für die Menschen in Afrika zu Migrationsbewegungen führen.
Die Flüchtlingskrise von 2015 dürfe sich nicht wiederholen, unterstrich die CDU-Vorsitzende. Was die Verteilung der Flüchtlinge angehe, sei es allerdings bedauerlich, dass es in Europa immer noch keine Einigung gebe. Sie wolle weiter für eine solidarische Verteilung kämpfen. Das sei ein "dickes Brett".
Die Flüchtlingsfrage sei noch nicht gelöst, sagte Merkel weiter. Man habe aber inzwischen "vieles geordnet und gesteuert". Dazu gehöre auch das Abkommen zwischen der EU und der Türkei. Eine Obergrenze für Flüchtlinge, wie sie die CSU fordert, halte sie aber "nach wie vor für nicht richtig".
Verhalten der USA als Ermutigung für Europa
Mit Blick auf die USA sagte Merkel, die Tatsache, dass Amerika unter US-Präsident Donald Trump sehr stark die eigenen wirtschaftlichen Interessen vertrete, könne eine "Ermutigung zu mehr Europa" sein. Dabei gehe es auch darum, dass Europa noch stärker zu gemeinsamen Positionen in der Außenpolitik finde.
Die Kanzlerin ging auch auf den Konfikt zwischen den USA und Nordkorea ein. Sie erklärte, dieser müsse friedlich gelöst werden. Die vom UNO-Sicherheitsrat verhängten Sanktionen seien zu begrüßen. Wichtig sei nun, dass nicht "die Frequenz der Rhetorik" die Dinge entscheide, sondern dass es neue Gesprächswege gebe. So wäre es gut, wenn es wieder ein regelmäßiges Format gäbe, um eine Lösung für den Konflikt zu finden. Besonders die USA und China müssten mit Blick auf dieses Thema zusammenarbeiten.
Innenpolitisch setzt die CDU-Vorsitzende weiter auf ein gutes Verhältnis zur Schwesterpartei CSU und deren Vorsitzendem Horst Seehofer. "Wir brauchen doch gar nicht drum herumzureden, dass wir große Differenzen hatten", räumte sie ein. Inzwischen habe man aber "viele Schritte unternommen". Zudem überwiege das Gemeinsame.
Keine Koalition mit Linken oder AfD
Auf die Frage nach einem möglichen Regierungsbündnis nach der Bundestagswahl sagte Merkel, die Union führe "keine Koalitionswahlkämpfe", sondern kämpfe dafür, "dass wir möglichst selber stark genug sind". CDU und CSU würden keine Koalition mit der Linkspartei oder der AfD eingehen. "Alles andere wird man sehen."
Das vollständige Interview mit der Bundeskanzlerin können Sie
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. Am kommenden Donnerstag (17.08.2017) ist dort der SPD-Vorsitzende und Kanzlerkandidat Martin Schulz zu Gast. Beide treten im "Forum Politik" auf, das der Deutschlandfunk gemeinsam mit dem Fernsehsender Phoenix organisiert.
(gri/ach)