Die Bundesregierung will laut Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) zunächst "nichtletale Ausrüstung" liefern, also militärisches Material, mit dem Menschen nicht getötet werden können. Dazu gehören Schutzwesten, Helmen, Nachtsichtbrillen und Lastwagen. Die Kurden hätten eine allgemeine Anfrage gestellt. Bei der Waffenhilfe werde Deutschland "mit großem Augenmaß" vorgehen und sich "auf das Engste" mit seinen europäischen und internationalen Partnern abstimmen, sagte Steinmeier. "Wir können uns vorstellen, auch weitere militärische Hilfe zu leisten, dazu gehört auch Bewaffnung. Wir sehen die Risiken, die damit verbunden sind."
Innerhalb der nächsten Woche wird nach Angabe der beiden Minister geprüft, welche Waffen sinnvoller- und verantwortlicherweise geliefert werden könnten. Eine Entscheidung solle am kommenden Mittwoch fallen. Steinmeier begründete den Schritt mit dem zunehmenden Terror der Gruppe Islamischer Staat. "Der Vormarsch von IS darf uns in Europa nicht gleichgültig sein", sagte Steinmeier. Heute wurde bekannt, dass die Terrorgruppe angeblich einen US-Journalisten enthauptet hat.
AM #Steinmeier m. VMin von der #Leyen zu #Irak: Es droht ein kriegerischer Flächenbrand im ganzen Mittleren Osten 1/3 pic.twitter.com/5vA99vtB2b— Auswärtiges Amt (@AuswaertigesAmt) August 20, 2014
Auch Waffen für die Ukraine?
Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sprach von einer Zäsur in der deutsche Außen- und Sicherheitspolitik. "Wichtiger als die Frage, ob und welche Waffe wir am Ende liefern, ist die Bereitschaft, Tabus beiseite zu legen und offen zu diskutieren", sagte die Ministerin der Wochenzeitung "Die Zeit" mit Blick auf die Rüstungsexport-Richtlinie der Bundesregierung.
Rüstungsexport-Richtlinie der Bundesregierung:
"Die Lieferung von Kriegswaffen und kriegswaffennahen sonstigen Rüstungsgütern wird nicht genehmigt in Länder,
- die in bewaffnete Auseinandersetzungen verwickelt sind oder wo eine solche droht,
- in denen ein Ausbruch bewaffneter Auseinandersetzungen droht oder bestehende Spannungen und Konflikte durch den Export ausgelöst, aufrechterhalten oder verschärft würden."
"Die Lieferung von Kriegswaffen und kriegswaffennahen sonstigen Rüstungsgütern wird nicht genehmigt in Länder,
- die in bewaffnete Auseinandersetzungen verwickelt sind oder wo eine solche droht,
- in denen ein Ausbruch bewaffneter Auseinandersetzungen droht oder bestehende Spannungen und Konflikte durch den Export ausgelöst, aufrechterhalten oder verschärft würden."
Die Verteidigungsministerin schloss auch Waffenlieferungen an die Ukraine nicht grundsätzlich aus. Es gebe aber keinerlei Automatismus, betonte sie. "Über jedes deutsche Engagement wird gesondert entschieden."
Berichte über Mängel bei Militärgütern
Bislang hatte die Bundesregierung Waffenlieferungen in den Irak nicht ausgeschlossen. Ein solcher Schritt ist in allen Parteien des Bundestages umstritten. SPD-Vize Ralf Stegner etwa sprach sich im Deutschlandfunk gegen Waffenlieferungen aus. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel sagte dem "Spiegel": "Wir können nicht zusehen, wie bis an die Zähne bewaffnete Fanatiker Tausende unschuldige Menschen umbringen und deren Verteidiger keine wirksamen Mittel zum Schutz haben."
Laut einem Bericht der "Bild"-Zeitung hätte die Bundeswehr erhebliche Probleme bei der Bereitstellung militärischer Hilfe. Unter Berufung auf ein vertrauliches Papier für Generalinspekteur Volker Wieker berichtet das Blatt, Schutzwesten könnten gar nicht geliefert werden, weil die zur Verfügung stehenden Westen veraltet und die Schutzplatten im Innern brüchig seien. Bei Nachtsichtgeräten seien von mehr als 1000 geplanten lediglich 680 sofort verfügbar. 400 könnten vermutlich erst in drei Wochen besorgt werden. Die Geräte seien Mangelware bei der Bundeswehr. Beim Kleinlaster Unimog gebe es ebenfalls massive Probleme. Von 58 möglichen Autos seien 35 nicht einsatzbereit, hätten keine Zulassung mehr für die Verwendung in der Bundeswehr und müssten teuer repariert werden. Problemlos lieferbar seien nur Schutzhelme, Funkgeräte und Metall-Detektoren.
Probleme gibt es auch beim Transport humanitärer Hilfe in den Irak. Für weite Hilfsflüge der Bundeswehr hat die Türkei keine Landeerlaubnis für einen Zwischenstopp erteilt. In Ankara sorgen Berichte für Unmut, wonach Deutschland offenbar seit Jahren den Nato-Partner Türkei ausspioniert.
Steinmeier wirbt bei Parteifreunden um Zustimmung
Steinmeier warb bereits bei den Sozialdemokraten im Bundestag um Unterstützung für eine mögliche militärische Hilfe für die Kurden, damit sie im Kampf gegen die islamischen Terroristen besser ausgerüstet sind. "In Krisengebiete wie Ukraine, Syrien, Libyen liefern wir keine Waffen - und das aus guten Gründen", schrieb Steinmeier in Brief an die Mitglieder der SPD-Fraktion. "Vieles spricht dafür, dass die Krise im Nordirak anders gelagert ist." Deutschland dürfe sich von seinen strengen Rüstungsexport-Richtlinien nicht entfernen. "Aber das müssen wir auch nicht, denn die Richtlinien fordern die Politik genau zu dieser Abwägung auf", schreibt Steinmeier. Eine Genehmigung könne erteilt werden, wenn "besondere außen- und sicherheitspolitische Interessen der Bundesrepublik Deutschland unter Berücksichtigung der Bündnisinteressen" dafür sprächen.
Steinmeier warnte vor einer weiteren Offensive der Terrormiliz IS. Die Kurden in der Region seien "das wichtigste Bollwerk gegen die Mörderbanden" des Islamischen Staates. Wenn sie von den islamischen Terroristen überrannt würden, seien "die Staatlichkeit des Irak und die Stabilität der gesamten Region in Gefahr". Nach einer Forsa-Umfrage für den "stern" lehnen 63 Prozent der Deutschen Waffenlieferungen an die Kurden ab.
(sdö/swe)