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Iran vor den Präsidentschaftswahlen
"Die Jungen wollen Rohani behalten"

Er kämpft gegen hohe Arbeitslosigkeit und skeptische Hardliner um Revolutionsführer Ali Khamenei: Irans Präsident Hassan Rohani hofft auf eine Wiederwahl - und mit ihm junge Leute und Künstler in dem konservativen Land: "Er macht zumindest teilweise eine Öffnung möglich", sagte die Schriftstellerin Nora Bossong im DLF. Verliere er, wollten viele dem Land den Rücken kehren.

Nora Bossong im Gespräch mit Anja Reinhardt | 17.05.2017
    Irans Präsident Hassan Rohani am 11. April 2017 in Teheran.
    Irans Präsident Hassan Rohani (imago stock&people)
    Anja Reinhardt: Am Freitag wird in Iran ein neuer Präsident gewählt – der jetzige Amtsinhaber Hassan Rohani hofft auf eine Wiederwahl. Rohani gilt als vergleichsweise moderat und ihm ist es zum großen Teil zu verdanken, dass das Land nicht mehr isoliert ist. Seine Position ist trotzdem schwierig: Innenpolitisch nicht nur wegen der hohen Arbeitslosigkeit, sondern auch, weil die Hardliner um Ali Khamenei ihm skeptisch gegenüber stehen. Und außenpolitisch sind viele mit der Syrien-Politik und der Unterstützung Assads nicht einverstanden. Für großes mediales Interesse in Deutschland sorgte kürzlich dann auch noch die geplatzte Teheran-Ausstellung, die in Berlin gezeigt werden sollte. Das Begleitprogramm zu dieser Ausstellung allerdings fand statt – und im Rahmen dieses Begleitprogramms konnte die Schriftstellerin Nora Bossong zwei Wochen durch Iran reisen und mit Autoren, Akademikern und Kulturschaffenden sprechen. Über deren Situation wollen wir nun mit Nora Bossong sprechen….
    Frau Bossong: Sie waren vor einem halben Jahr in Iran, spürte man da schon etwas von den bevorstehenden Wahlen?
    Rohanis Wiederwahl "nicht mehr ganz so leicht"
    Nora Bossong: Ja, man spürte etwas davon, und zwar in dem Moment, als über Nacht klar wurde, dass Donald Trump die Wahl in Amerika gewonnen hat. Genau in dem Moment war auch klar, dass Rohani es nicht mehr ganz so leicht haben würde mit der Wiederwahl, weil natürlich jetzt seine Widersacher die Bindung an den Westen deutlicher kritisieren können und Amerika als neues Feindbild jetzt noch mal eine andere Bedeutung bekommen hat, als das vor einem halben Jahr absehbar war.
    Reinhardt: Aber wie stehen denn überhaupt die Intellektuellen und die Kulturschaffenden, die Kulturszene zu Rohani, der ja doch als relativ moderat gilt?
    Bossong: Er steht natürlich deutlich besser da als sein Vorgänger Ahmadinedschad. Es ist jemand, der, wie mir scheint, auch die jungen Leute mobilisiert, zu den Wahlen zu gehen, auch wenn die Wahlen natürlich nicht ganz so verlaufen, wie wir das hier in Deutschland kennen, der Revolutionsführer weiterhin sehr große Macht hat. Jenseits des Präsidenten ist es aber dennoch eine Möglichkeit, Einfluss zu nehmen, und das ist etwas, was die jungen Leute, glaube ich, gerade sehr stark ernst nehmen, gerade weil sie Rohani auch behalten wollen als jemand, der zumindest teilweise eine Öffnung möglich macht, teilweise bestimmte Restriktionen zurückfährt und einfach es möglich macht, dass es auch internationalen Austausch gibt und Iran nicht mehr ganz so isoliert dasteht, wie es noch unter dem Vorgänger der Fall war.
    "Eine gewisse Liberalisierung unter Rohani schon zu bemerken"
    Reinhardt: Ich glaube, in Europa denkt man wahrscheinlich doch eher, dass im Iran alles unter dem Diktat der Zensur steht. Ist das denn wirklich so?
    Bossong: Natürlich. Es gibt die Zensur. Die zeigt sich auch unterschiedlich, je nach Kulturbereich. Die Künstler haben andere Formen, damit umzugehen, als etwa die Schriftsteller, gerade Romanschriftsteller. Wenn dann ein Kapitel aus einem Roman einfach nicht gedruckt wird, kann man sich ein bisschen fragen, was der Sinn einer Veröffentlichung dann noch bedeutet. Das ist nach wie vor da. Gleichwohl ist wie gesagt einfach eine gewisse Liberalisierung, eine gewisse Öffnung unter Rohani schon zu bemerken, und das ist etwas, was den Leuten, den Kulturschaffenden, gerade den jüngeren wichtig ist, einfach auch, damit sie einen Anschluss an internationale Szenen finden können und nicht auf sich im Iran begrenzt bleiben.
    Vernetzte Literatur-, Kultur-, Kunstszene in Teheran
    Reinhardt: Aber für so einen Anschluss ist es ja eigentlich auch wichtig, dass man im Land vernetzt ist, gerade unter Schriftstellern, unter Künstlern. Inwieweit ist das denn möglich?
    Bossong: Das habe ich eigentlich als sehr vernetzt empfunden. Ich meine, gerade in Teheran ist es wahrscheinlich gar nicht so anders als in Deutschland, wo Berlin die Metropole für Kulturschaffende ist. In Teheran habe ich die Literatur-, die Kultur-, die Kunstszene durchaus als vernetzt, natürlich mit Zwist und Streitigkeiten empfunden, als informiert empfunden. Gleichwohl ist es aber so, dass nur sich um sich selbst zu drehen da nicht ausreicht. Wenn man in so einem Land lebt, dann möchte man auch nach außen wirken können, und gerade für die bildenden Künste ist es sehr wichtig, Kontakte auch in andere Länder zu knüpfen.
    "Im Moment haben viele Angst"
    Reinhardt: Wenn man jetzt mal davon ausgeht, dass am Freitag doch ein konservativer, religionsorientierter Bewerber um das Präsidentenamt gewinnt, was würde das im schlimmsten Fall für die Kulturschaffenden im Iran bedeuten?
    Bossong: Ich glaube, das kann man noch nicht absehen. Die Tatsache ist einfach, dass im Moment viele Angst haben bei den Kulturschaffenden, dass es der Fall sein könnte. Einige sagen, sie würden dann ins Ausland gehen, sie würden versuchen, in welches Land auch immer aber ihren Wohnsitz zu verlegen, ihren Lebensmittelpunkt zu verlegen. Man kann, glaube ich, nicht wirklich sagen, wie sehr sich die Zeit unter Ahmadinedschad wiederholen würde. Es ist aber sicherlich so, dass einfach diese zaghafte Öffnung gen Westen erst mal wieder unterbunden wird und dass es eine nationalistische, eine protektionistische Tendenz annehmen würde.
    Reinhardt: Und es wäre für Sie wahrscheinlich auch nicht mehr so einfach, zwei Wochen durch das Land zu reisen?
    Bossong: Das wäre ganz sicher nicht mehr so einfach.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.