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"Islamische Zeitung"
Murabitun-Bewegung und Goethe als Moslem

Die "Islamische Zeitung" richtet sich an Muslime in Deutschland und bezeichnet sich selbst als unabhängig. Die Herausgeber, die der umstrittenen Murabitun-Bewegung nahe stehen, sehen sich als Vermittler zwischen islamischer Lebensweise und europäischem Denken. Sie sind davon überzeugt, dass Goethe kein Christ, sondern ein gläubiger Muslim gewesen ist.

Von Thomas Klatt |
    Eine Büste von Johann Wolfgang von Goethe im Brentanohaus, aufgenommen am 23.01.2014 in Oestrich-Winkel (Hessen).
    Dass Johann Wolfgang von Goethe ein Muslim gewesen sei, will die "Islamische Zeitung" durch Goethe-Zitate beweisen. (picture alliance / dpa / Fredrik Von Erichsen)
    "Die 'Islamische Zeitung' ist ein Blatt, das sich unabhängig nennt und von Muslimen für Muslime produziert und herausgegeben wird. Das Blatt besteht seit 20 Jahren, die Islamische Zeitung wurde 1995 von Abu Baku Rieger ins Leben gerufen."
    Friedmann Eißler, Islamreferent bei der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen in Berlin, beobachtet seit Langem den Werdegang der "Islamischen Zeitung". Thema der 24 Seiten starken Monatspostille im Tageszeitungsformat ist immer wieder die Verbindung des Islams mit der deutschen Klassik.
    "Abu Baku Rieger ist ein Konvertit, der zur Murabitun-Bewegung gehört. Sie geht zurück auf den schottischen Schauspieler und Konvertiten Ian Dallas, der als islamischer Scheich Menschen um sich gesammelt hat. Diese Bewegung geht in Deutschland von Freiburg aus, ist dann nach Weimar weitergezogen, das Weimar Institut wurde dort 1995 gegründet, es sollte ein sozialreformerisches Projekt sein. Weimar, Goethe-Schiller-Stadt. Goethe als der Vorzeige-Muslim sozusagen."
    Romantische Orient-Verehrung Goethes
    "Wenn Islam Gott ergeben heißt, im Islam leben und sterben wir alle!" Solche Goethe-Zitate, der West-Östliche Diwan oder Goethes Verehrung für den persischen Lyriker Hafis sind der "Islamischen Zeitung" Beweis genug, dass der deutsche Dichterfürst ein gläubiger Muslim gewesen sein muss. Seltsam nur, dass darüber weder Zeitungs-Gründer Rieger noch die Redaktion ein Interview geben möchten. Man habe keine Zeit, müsse Reisen vorbereiten, die nächste Ausgabe stehe an und man sei personell stark eingeschränkt, heißt es über Monate per E-Mail. Immerhin auf der Webseite der "Islamischen Zeitung" kann man Rieger hören.
    "Goethe war kein Christ. Es gibt testamentarische Belege, wo er jede christliche Symbolik ablehnt. Er hat sich dezidiert gegen das Christentum geäußert, dass es für ihn nicht die letzte Offenbarung ist. Er hat sich sicherlich dem Islam im Sinne der Schahada voll inhaltlich angenähert."
    Weimar - Brücke zwischen Europäern und dem Islam?
    In der "Islamischen Zeitung" wird Ausgabe für Ausgabe ganzseitig für Besuche in Weimar geworben: "Besuche für Muslime im Herzen der deutschen Kultur!"
    "Sei Du edel, hilfreich und gut, wie so ein Befehl Goethes. Das ist schwer zu leben und der Islam ist ein Hilfsmittel, diese Losung, diese Maxime umzusetzen und zu leben."
    Und der Chefredakteur der "Islamischen Zeitung", Sulaiman Wilms, im selben IZ-Video:
    "Weimar war und ist für uns der Ort und das Symbol, um Brücken zwischen den Europäern und dem Islam zu schlagen, wonach es eben keinen wirklichen Widerspruch zwischen der islamischen Lebensweise und dem europäischen Denken geben muss."
    Die romantische Orient-Verehrung Goethes also als Beweis für sein Muslim-Sein? Johannes Kandel, ehemals Islamreferent der Berliner Friedrich-Ebert-Stiftung, hält dies für blanke Propaganda. Er schätzt die Murabitun-Bewegung, zu der die "Islamische Zeitung" zu zählen ist, so ein:
    "Die Murabitun-Bewegung ist eine, wie ich sage, fundamentalistische Politsekte. Der Name kommt aus dem Arabischen und heißt so viel wie die Leute des Klosters oder die Grenzwächter. Im Mittelalter hat man damit eine Gruppe von fundamentalistischen Berbern benannt, die im 11./ 12. Jahrhundert dem relativ toleranten Islamexperiment in Spanien ein jähes Ende bereiteten und ihre fundamentalistische Herrschaft errichteten."
    Islam als Anti-Kapitalismus?
    Ein zweifelhaftes historisches Vorbild also für ein sich aufgeklärt gebendes religiöses Presseorgan. Kandel sieht in der "Islamischen Zeitung" somit auch nicht ein liberales Meinungs- und Debattenblatt.
    "Der Islam wird am Ende siegen, den sogenannten Raubtierkapitalismus überwinden, eine neue Weltordnung herstellen. Es wird ein neues Finanzsystem geben, da wird es Gold- und Silberwährung geben, mit Golddinar und Silber-Dirham. Da wird es dann keinen Zins mehr geben, da werden die Menschen in Harmonie miteinander leben. Aber das geschieht eben nur, wenn der Islam weltweit durchgesetzt wird."
    Weit gefehlt aber, wenn man die "Islamische Zeitung" nun als Teil der weltwirtschaftskritischen Occupy- oder Attac-Bewegung einstufen würde. Friedmann Eißler:
    "Die Murabitun ist im Grunde eine moderne Kalifats-Bewegung, die eine Mischung aus Antikapitalismus, auch deutlich antisemitischen Tönen verbindet. Ein Anti-Imperialismus, das sich mit rechten, auch rechtsextremen Positionen teilweise verbindet."
    Die "Islamische Zeitung" erscheint als Monatszeitung. Neben dem ersten allgemeinpolitischen Teil gibt es die Unter-Rubriken "Muslime & Globalisierung", "Berliner Seiten", "Muslime & Lebensart". Aber man dürfe sich eben nicht über das Profil täuschen lassen.
    "Das zeigt sich dann auch in so Thesen, das Papiergeld sei von Juden erfunden worden. Das sei Betrug und eben auch eine jüdische Erfindung. Die Welt-Finanz als Hauptfeind und man müsse den Golddinar wieder einführen. Viel konservative islamisch-sufisch geprägte Lehre die mehr oder weniger glücklich journalistisch verpackt wird."
    Marabutin-Ideologie: Islam als Lösung der Menschheitsprobleme
    Die Murabitun sollte man allerdings nicht zu den gewaltbereiten Extremisten zählen. Es geht um dawa, um friedliche Mission. Aber der Herausgeber der "Islamischen Zeitung", Abu Baku Rieger, habe da so seine ganz speziellen Vorstellungen, weiß Islamexperte Johannes Kandel.
    "Rieger gibt nun zu der Murabutin-Ideologie noch eine besondere Note dazu. Die würde ich beschreiben aus einer eklektischen Mischung aus Islam, existentialistischen Philosophie Heidegger und einem rechts-konservativ-völkischen Denken. Der Islam ist die Lösung der Menschheitsprobleme. Wie er Kategorien übernimmt von dem berüchtigten Carl Schmitt, einem Rechtswissenschaftler, der seinerzeit den Nationalsozialisten den Führerstaat wissenschaftlich begründet hat."
    Wenn man genau lese, so fänden sich beim "IZ"-Herausgeber Rieger Kategorien und Begrifflichkeiten, die durchaus als problematisch anzusehen seien. Zum Beispiel "Ausnahmezustand".
    "Der Ausnahmezustand ist ein heilloser Zustand in einer Gesellschaft und nur der Souverän, also in Schmitts Kategorien der Führer, entscheidet, wann der Ausnahmezustand eintritt und wie man ihn überwinden kann, nämlich durch diktatorische Maßnahmen. Diese Kategorie übernimmt jetzt Rieger. Und für ihn ist eben der Ausnahmezustand die heillose raubtierkapitalistische Ordnung mit dem zerrütteten Finanzsystem, das dann durch den Islam ersetzt wird."
    Alles andere als Sprachorgan der Muslime in Deutschland
    Es geht den Machern der "IZ" letztlich um nichts weniger als den Umbau und damit die Abschaffung der jetzigen demokratischen Ordnung.
    "Das politische Modell von Rieger, das harmonische Modell soll nach dem Modell Medina aufgebaut werden, das ist mitnichten eine demokratische oder pluralistische Ordnung, sondern es ist eine ganzheitlich diktatorische Ordnung. Rieger spricht auch immer vom Islam als Organismus, das ist ja auch ein völkischer Begriff, den verbindet er mit dem Islam."
    Die "Islamische Zeitung" ist anders als der Titel vermuten lässt aber alles andere als Sprachorgan oder gar Leitmedium der Muslime in Deutschland .Burhan Kesici, Vorsitzender des Islamrates in Deutschland, liest die "Islamische Zeitung" nicht mehr.
    "Was mich gestört hat, es ist ein Medium und gleichzeitig steht eine Gemeinde dahinter. Da sehen wir, dass diese Gemeinde, dass sie eine ganz kleine Gruppe darstellt. Und denen ist es auch egal, was die Mehrheit der Gemeindemitglieder denken."