Schulschluss an der Stadtteilschule Mümmelmannsberg. Die Schülerinnen und Schüler verlassen den Schulhof. Eine bunte Mischung: Jungs und Mädchen, einige tragen Kopftuch, andere nicht. Und die Meinungen, ob es an ihrer Schule allzu fanatische Muslime gibt, gehen auseinander:
"Sie sagen, dass Allah das Richtige ist. Und der Islam halt das Beste sei. Aber die sagen nicht direkt, dass man wechseln soll."
"Manche Leute gibt es, die ruhig reden miteinander: 'Wieso trägst Du kein Kopftuch?' Und manche gibt’s, die so richtig ausrasten und schreien: 'Warum trägst Du kein Kopftuch!? Du bist eine schlechte Muslimin!' Und so."
Die Hamburger Morgenpost hatte von einem Hintergrundvermerk der Schulbehörde über "Religiös gefärbte Konfliktlagen an Hamburger Schulen" berichtet. Und behauptet, an der Stadtteilschule Mümmelmannsberg würden islamistische Gruppen an Einfluss gewinnen, die Schulwelt in ihrem Sinne verändern. Aggressive Salafisten, also besonders orthodoxe, den Islam sehr traditionell auslegende Muslime seien besonders aktiv, so das Blatt. Hamburgs Schulsenator bestätigt, dass es Schwierigkeiten, Provokationen gibt und nennt Beispiele:
"Dazu zählt zum Beispiel auch, dass sich plötzlich eine kleine Gruppe von Schülerinnen und Schülern auf dem Schulhof zu einem lautstarken Gebet versammelt. Dass bestimmt Unterrichtsformen abgelehnt werden wie zum Beispiel das Schwimmengehen oder die Klassenreisen oder Ähnliches. In diesem Bereich spielen sich diese Provokationen ab."
An fünf bis zehn Schulen seien ähnliche Entwicklungen zu beobachten. Im Fokus stehen aber jeweils nur kleine Gruppen junger Muslime, manchmal auf einzelne Klassen begrenzt, selten Jahrgangsübergreifend. Körperliche Gewalt spielt dabei allerdings keine Rolle, so Schulsenator Ties Rabe. Die betroffenen Kollegien fordert er auf, stets abgewogen auf die Regelverletzungen zu reagieren. Wenn es sein muss, würden Elterngespräche geführt, im Extremfall aber auch Schüler der Schule verwiesen.
"Die Rolle der Eltern ist insofern ganz spannend, weil nicht – wie häufig angenommen wird – die Eltern der eigentliche Motor sind. Sondern in vielen Fällen die Eltern recht ratlos diesem Treiben ihrer Sprösslinge zusehen. Die das nämlich häufig auch verwenden, um ihrem Leben auf der pubertären Suche nach Sinn und Orientierung eine bestimmte Richtung zu geben. Und sich dabei zum Teil auch absichtlich von der häufig auch durchaus laizistischen Elternwelt abgrenzen und mit ihrem eigenen Fanatismus auch eine Rolle finden wollen."
Manfred Murck, Präsident des Hamburger Verfassungsschutzes, sieht es ähnlich wie der Schulsenator. Sicher spielten in einigen Fällen auch rein pubertäre Provokationen eine Rolle. Allerdings beobachtet der Verfassungsschutz auch, dass salafistische Gruppierungen oder die in Deutschland verbotene islamistische His-bu-Tahrir an den Schulen eine Rolle spielen.
"Wir sehen, wie sich aus den von uns beobachteten Szenen heraus einzelne Fühler und Finger in Richtung Schulen [...]. Die wollen Jugendliche fischen und sie wollen gelichzeitig auch Schule beeindrucken. Und beides tun sie entweder im Rahmen von Überzeugungsarbeit - 'Dawa' – oder aber auch im Rahmen von doch in Teilen recht dreisten Aktionen gegen die schulischen Regeln. Wir haben aber keinen Überblick über die Gesamtsituation an den Schulen, weil wir die nicht beobachten. Da verlassen wir uns schon auf die Informationen, die in der Schulbehörde selbst vorliegen."
Für Alarmismus besteht, da sind sich der Verfassungsschützer und der Schulsenator einig, kein Anlass. Wohl aber dafür, die gezielten Provokationen genau zu beobachten und Eltern und die Lehrerkollegien zu unterstützen. Zum Beispiel durch Konferenzen, in denen über disziplinarische Möglichkeiten bei Regelverstößen aufgeklärt wird. Angespannter als vorher ist die Situation zumindest an der Stadtteilschule Mümmelmannsberg. Seit die Hamburger Morgenpost heimlich gemachte Fotos von verschleierten Schülerinnen veröffentlicht hat, seit die Schule als Schwerpunkt islamistischer Unterwanderung ausgemacht wurde, ist das Misstrauen vieler Schüler gegenüber den Medien gewachsen. Einige schimpfen gleich los, werden ausfallend. Ali ist ungefähr 14, gibt erst nach einem langen Vorgespräch ein Interview:
"Sie sagen selber: Deutschland ist ein freies Land! Und sagen dies und das, jeder liebt seine eigene Religion. Aber machen von unseren Schwestern einfach Bilder und stellen das in die Mopo rein und sagen: Salafisten! Aber ihr wisst selbst nicht mal, was das Wort Salafist bedeutet!"
Er jedenfalls sei einfach nur Muslim, hat mit dem Salafismus nichts am Hut. Und er versteht all jene Glaubensbrüder, die sich weigern, mit Nicht-Muslimen überhaupt zu reden. Das ist ja nun mal erlaubt, sagt er. Deutschland ist ein freies Land.