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Islamistische Propaganda im Netz
Die "Fernuniversität" der IS-Dschihadisten

Nie zuvor war eine Terrorgruppe mit ihrer Propaganda im Netz erfolgreicher als der "Islamische Staat". Umso verwunderlicher ist es, dass zentrale Webseiten frei zugänglich bleiben. Dabei wollen Politiker die Terrormiliz auch im Netz bekämpfen.

Von Jürgen Stryjak, Kairo | 24.11.2014
    Das Foto stammt von der Gruppe Albaraka News, die den Dschihadisten nahe steht. Es zeigt mutmaßliche Kämpfer des IS, die nahe der Grenze zwischen Syrien und dem Irak Stellung beziehen.
    Das Foto stammt von der Gruppe Albaraka News, die den Dschihadisten nahe steht. Es zeigt mutmaßliche Kämpfer des IS, die nahe der Grenze zwischen Syrien und dem Irak Stellung beziehen. (picture alliance / dpa - Albaraka News)
    Neun junge Männer stehen im Kreis. Sie schwören dem sogenannten Islamischen Staat die Treue. Ihre Hände berühren sich in der Mitte, sie tragen schwarze Kampfanzüge und Waffen. Ihre Gesichter sind verhüllt.
    Die Szene entstammt einem der Propaganda-Videos der Terrorgruppe. Das Spektakel wird in HD-Qualität gezeigt. Die Aufnahmen wurden digital nachbearbeitet: Mal sind sie gestochen scharf und kontrastreich, dann wieder weichgezeichnet, mit Farben wie aus Mode-Magazinen. Rebellenromantik pur. So effektvoll werden sonst nur Musikvideos oder Hollywoodfilme präsentiert. Viele der IS-Videos sind von beeindruckender Qualität.
    Professionalität Grund für den Zulauf
    "Die Organisation war schon immer sehr professionell in der Medienarbeit. Das ist sicher einer der Gründe dafür, warum die meisten Ausländer seit 2013 zum IS gehen und nicht mehr zu anderen Gruppierungen", sagt der Islamismus-Experte Guido Steinberg. Der Autor des Buches "Al Kaidas deutsche Kämpfer" glaubt, dass der IS Anhänger vor allem über persönliche Kontakte rekrutiert. Bei der Radikalisierung spiele das Internet aber eine immer wichtigere Rolle.
    "Da gibt es so einen Einschnitt, der scheint etwa im Jahr 2011 gelegen zu haben. Seitdem dominieren nämlich die neuen sozialen Medien, und die haben für die terroristischen Organisationen den Vorteil, dass sie sehr viel schwerer zu kontrollieren sind."
    In den sozialen Medien werden IS-Videos und auch Links zu ihnen inzwischen relativ schnell von den Betreibern entfernt. Auf anderen Webseiten läuft die Propaganda dagegen auf Hochtouren.
    Eine besonders umfangreiche Seite wirkt wie das Online-Hauptquartier des IS. Tausende Unterseiten - manchmal im Minutentakt aktualisiert - enthalten Propagandaschriften, Audiobotschaften, Fotos und Videos - mit theatralisch inszenierter Gewalt und oft mit englischen Untertiteln.
    Propaganda frei zugänglich
    Man muss Arabisch können, um sich auf dem Portal zurechtzufinden. Die Links zu den Videos verbreiten sich im Internet trotzdem wie Lauffeuer. Das Superportal wirkt wie eine Fernuniversität für Dschihadisten.
    Umso unbegreiflicher ist es, dass seine Adresse nicht blockiert wird. Auch in Deutschland ist sie frei zugänglich. Die Domain wurde bei der US-amerikanischen Firma eNom registriert. Die Firma ist eine Tochter des Unternehmens Rightside, ansässig in Seattle. Ihr Sprecher lehnte per E-Mail eine Interviewanfrage ab: "Wir können Ihnen aber mitteilen, dass unsere Firma bezüglich illegaler Aktivitäten unserer Kunden regelmäßig mit den Sicherheitsbehörden kooperiert."
    Viele der IS-Videodateien lagern auf Servern einer Institution in Kalifornien. Auf einen schriftlichen Interviewwunsch hat sie nicht reagiert, ebenso wenig wie US-Regierungsbehörden und das deutsche Innenministerium in Berlin - trotz telefonischer Zusage, die Anfrage zu prüfen. Die Onlinepropaganda des IS entfaltet eine enorme Wirkung. Technisch ist es möglich, diesen Spuk innerhalb von Minuten zu beenden - oder zumindest drastisch einzuschränken.