Er ist ein heißer Stuhl, der Lehrstuhl für Islamische Theologie an der Uni Münster, demnächst könnte er wieder frei werden: Der Koordinierungsrat der Muslime, in dem die vier großen islamischen Verbände Deutschlands zusammengeschlossen sind, hat mit Islamprofessor Mouhanad Khorchide endgültig gebrochen - das teilte der Sprecher des Verbandes, Bekir Alboga, gestern Abend bei seiner Heimreise von einem Verbandstreffen mit:
"Khorchide hatte uns versichert, dass er mit uns gut zusammenarbeiten wollte, das hat er nicht beachtet, damit hat er das Vertrauen der muslimischen Religionsgemeinschaften sehr zerstört."
Das Verhältnis sei, so Alboga "nachhaltig zerrüttet und irreparabel beschädigt". Am Tag zuvor schon hatte schon die türkische Ditib Gemeinde auf ihrer Homepage verkündet, Prof. Khorchide sei in seiner Funktion im Zentrum für Islamische Theologie "nicht tragbar". Ditib fordert darum, so wörtlich, die "einschlägigen Stellen dazu auf, entsprechende Schritte einzuleiten". Ein Rauswurf? Professor Khorchide ist derzeit nicht zu sprechen, die Uni hat ihm dazu geraten, keine Interviews zu geben. Noch vor wenigen Tagen, anlässlich eines Islamkongresses in Münster, hatte Khorchide in einem Interview aber noch betont, er fürchte nicht um seine Professur.
"Nein ich habe keine Angst um meinen Job. Erstens, mir geht es nicht um meine Position, sondern die Zukunft der islamischen Theologie, Und zweitens, alle Positionen, die ich vertrete, ich kann auch nachweisen, dass diese Positionen keine Randpositionen sind, sondern von namhaften islamischen Theologen vertreten wurden, innerhalb der islamischen Theologie."
Das sehen die muslimischen Verbände ganz anders: In seinem Buch "Islam ist Barmherzigkeit" habe der Professor vor allem auf die Akzeptanz eines christlichen Publikums abgezielt und Glaubensgrundsätze infrage gestellt - ein schwerer Vorwurf, der sich durch das ganze 70-seitige Gutachten zieht: Kurz: Khorchide soll weg. Die Uni Münster wiegelt unterdessen ab, Unisprecher Norbert Robers zeigt sich gelassen:
"Das ist nicht die Frage, ob wir ihn absetzen, sondern das ist genau wie bei den anderen christlichen Kirchen immer Sache der entsprechenden Organisation, sich dazu zu positionieren, insofern ist das rein spekulativ, ausschließen kann ich gar nichts, ich kann aber auch nichts vorhersagen, das ist alles in der Zukunft und schwer zu sagen."
"Wir glauben, dass es ein ganz normaler Vorgang ist"
Die Entscheidung müsste, so der Unisprecher, am Ende der wissenschaftliche Beirat des Islaminstituts treffen: Der aber ist noch immer nicht zusammengetreten (*). Jetzt soll der Beirat im Januar endlich gegründet werden, verspricht Unisprecher Robers, die Auseinandersetzungen um das Islaminstitut, sie seien doch nichts Ungewöhnliches:
"Wir glauben, dass es ein ganz normaler Vorgang ist, zumindest was die theologische Debatte betrifft. Denn wo sonst als an Universitäten sollten sich Wissenschaftler über die richtige Richtung und Thesen streiten, wenn nicht an Universitäten, das passiert in der Physik wie in der katholischen Theologie, im Moment beobachtet man das in der islamischen Theologie, eine Diskussion über Richtungen, das ist aber ein ganz normaler Vorgang."
Die Uni Münster hat allen Grund, die Angelegenheit kleinzureden. Schon einmal hat ein Islamprofessor, Khorchides Vorgänger, Sven Kalisch, nach Glaubensstreitigkeiten seinen Lehrstuhl verloren: Er hatte die Existenz des Propheten Mohammed infrage gestellt - das war für ihn das Aus.
Mouhanad Khorchide hofft, dass ihm das nicht passiert. Auch im Sinne der Studenten, die bei ihm zu islamischen Religionslehrern ausgebildet werden. Dass er mit seinem Buch und seinem Islambild aber bei konservativen Muslimen anecken würde, das war ihm schon immer bewusst:
"Das gehört dazu, dass Theologen bedroht und angegriffen werden. Jeder Theologe, der versucht, sein Verständnis von seiner Religion zu aktualisieren, stößt in der Regel an Widerstand, der Koran zeigt uns wunderbar am Beispiel aller Propheten, dass sie Widerstände getroffen haben. Deshalb sehe ich das alles als Normalität, das gehört einfach zum Job dazu."
Noch vor drei Wochen hatte Bundespräsident Gauck Professor Khorchide bei einem Besuch in Münster den Rücken gestärkt - ob ihm das jetzt wirklich helfen wird, das ist fraglich.
Hinweis der Online-Redaktion: (*) An dieser Stelle wurde der Beitrag leicht gekürzt.