Eine Wiese auf Island: Auf den kargen Böden mit ihrem vulkanischen schwarzen Sand wuchs lange nichts außer Gras für die Schafe. Weil es im Sommer schlicht nicht warm genug wurde, war der Anbau von Nutzpflanzen jahrhundertelang kaum eine Option. Doch die Landwirtschaft der Insel hat vom bisherigen Verlauf des Klimawandels stark profitiert.
"Die Bauern freuen sich, zum Beispiel über die Explosion beim Gersteanbau. Lange waren wir am Rand der Anbauzone für Gerste; kaum 20 bis 30 Prozent der Ackerfläche waren klimatisch für das Getreide geeignet. Heute sind es schon 70 bis 80 Prozent."
Dieser rasante Wandel vollzog sich in gerade mal 25 Jahren. Bjarni Sigurdsson von der Landwirtschaftlichen Universität Islands beschäftigt sich mit den Auswirkungen des Klimawandels auf Böden rund um die Arktis. Und er fand heraus: Worüber sich die isländischen Bauern freuen, birgt global immense Risiken.
Böden der Arktis noch immer schwer kalkulierbar
"Auf einer Bodenkarte von Europa sehen Sie, dass die Produktivität in Richtung Norden immer weiter abnimmt. Aber der Anteil organischer Bodensubstanz steigt! Es gibt riesige Mengen davon in den kalten Böden der Arktis und Subarktis. Und obwohl dort jedes Jahr nur wenig wächst, hält sich das organische Material eine lange Zeit im Erdreich."
Für Klimaforscher sind die Böden der Arktis noch immer schwer kalkulierbar. Weltweit lagert darin doppelt so viel Kohlenstoff wie die Atmosphäre derzeit enthält. Wie stark diese Böden auf die Erwärmung reagieren werden, ist bisher kaum untersucht worden.
"Bei uns gibt es diese Gebiete mit natürlicher Erdwärme, zum Beispiel heiße Quellen, heiße Feuchtgebiete und Bäche. Aber es gibt auch geothermische Ströme im Gestein und die können ihre Hitze nach oben abstrahlen."
Island eignet sich deshalb besonders gut für Freilandexperimente. Und die richtet die Natur manchmal sogar ganz alleine ein.
"Das passiert insbesondere nach großen Erdbeben, die in Südisland recht regelmäßig alle hundert Jahre auftreten. Zuletzt gab es 2008 eines, das die vorhandenen geothermischen Wärmeflüsse so verändert hat, dass ein Gebiet, das zuvor kalt war, allmählich erwärmt wurde."
Kohlenstoff wurde in Biomasse gebunden
Die Forscher brauchten also nur zu beobachten, wie der Boden in der betroffenen Region über die Jahre auf die Temperaturerhöhung reagiert. Zunächst veränderte er vor allem seine Struktur. Dabei wurde zuvor fest an Mineralkörner gebundener Kohlenstoff in eine Form überführt, die nun im Boden lebenden Mikroorganismen und Pflanzen zur Verfügung stand. Dieser Kohlenstoff wurde also nicht in die Luft abgegeben, sondern in Biomasse gebunden. Diese Entwicklung erklärt die bis heute wachsende Produktivität arktischer Böden, hat aber offenbar eine Grenze.
"Es kann sich ein Gleichgewicht einstellen, wenn die biologische Produktivität genauso schnell wächst wie neuer Kohlenstoff aus dem Boden freigesetzt wird. Aber denken Sie daran, dass es sich um kalte Böden mit sehr viel gespeichertem Kohlenstoff handelt. Irgendwann kommt der Punkt, an dem der Boden mehr Kohlenstoff abgibt als Pflanzen und Mikroorganismen umsetzen können."
Der untersuchte Boden besitzt also einen eingebauten Kipppunkt, der im isländischen Boden oberhalb von zwei Grad Celsius lag. Wird der Boden stärker erwärmt, gelangt der frei gesetzte Kohlenstoff als Treibhausgas in die Atmosphäre. Eine fatale Botschaft: Denn selbst wenn der Mensch die mittlere globale Erwärmung noch auf zwei Grad begrenzen kann, dürfte die Arktis eine deutlich stärkere Erwärmung erwarten.