"In Bonn schmückt die weiße Flagge mit den olympischen Ringen den Festsaal im Alexander-König-Museum. Gründung des Nationalen Olympischen Komitees."
In den fünfziger und sechziger Jahren wollten Deutsche und Israelis nach vorn blicken. Frühere Nazi-Größen fanden in der Bundesrepublik neue Aufgaben. Der einstige kommissarische Reichssportführer Karl Ritter von Halt leitete das Nationale Olympische Komitee. 1936 hatte er vor den Olympischen Spielen in Berlin noch die Ausladung der jüdischen Hochspringerin Gretel Bergmann vorangetrieben. "Wir Deutschen wollen der Welt auch auf diese Weise zeigen, dass wir die Olympischen Spiele getreu dem Befehl unserer Führers und Reichskanzlers..."
Die Vergangenheit wird ausgeklammert
Nach dem Krieg machte sich Karl Ritter von Halt für den israelischen Sport stark, ebenso wie Willi Daume. Der Präsident des Deutschen Sportbundes überreichte 1957 dem israelischen Sportverband eine Spende. Von Halt und Daume waren Mitglieder der NSDAP gewesen. Ließen sich die Funktionäre nun von Schuldgefühlen treiben? Der Historiker Moshe Zimmermann aus Jerusalem sagt, dass die Israelis sich kaum für die Herkunft ihrer deutschen Förderer interessierten. "Schon gegen Ende der fünfziger Jahre, Anfang der sechziger Jahre war eine Normalisierung - und die beruhte eben auf sehr viel Ignoranz oder viel Wegschauen. Die Frage stellte man sich nicht: Herr Daume kommt - was hat er vor 1945 getan?"
Seit 1957 schickte der Israelische Fußballverband seine besten Trainer zur Ausbildung nach Köln. Einer der ersten Absolventen, Emanuel Schaffer, freundete sich mit Hennes Weisweiler an. Sie legten die Basis für den deutsch-israelischen Austausch: Als erster deutscher Verein war der FC Bayern Hof 1969 in Israel zu Gast. Einer der Gegner in den Testspielen: Petach Tikwa. Dessen Spieler Mordechai Spiegler reiste im August 1969 mit der israelischen Nationalmannschaft zu einem Trainingslager in die Sportschule Hennef. In Frechen bei Köln fand das erste Länderspiel statt, gegen die deutsche Olympia-Auswahl. Spiegler schloss Freundschaften, sagt er, doch über die Vergangenheit sprachen sie nicht.
"Warum sollten wir über eine Vergangenheit sprechen, an der wir nicht beteiligt waren? Ich habe Spieler wie Günter Netzer nie gefragt, was ihre Eltern im Krieg gemacht haben. Um die Geschichte sollten sich die Historiker kümmern. Ich wollte auf dem höchsten Niveau Fußball spielen. Fast wäre ich nach Mönchengladbach gewechselt, ich hatte sogar Kontakte zu Bayern München. Ich habe die Politik hinter mir gelassen. Hass sollte in meinem Leben keine Rolle spielen."
Gladbachs Israel-Trip im Jet der Bundesluftwaffe
Legendär ist die erste Reise von Borussia Mönchengladbach 1970 nach Tel Aviv, bis in den frühen Morgen wurden die deutschen Gäste nach ihrem 6:0-Sieg gefeiert. Was kaum bekannt ist: Dieser Ausflug war in Gefahr geraten, wegen eines Anschlags auf eine Maschine der israelischen Fluglinie El Al. Bundesinnenminister Hans-Dietrich Genscher stellte den Gladbachern ein Flugzeug der Bundesluftwaffe zur Verfügung. Mit an Bord: der damals 26 Jahre alte Spieler Herbert Laumen.
"Es war so, dass die Frauen nicht begeistert waren. Ich weiß nur, dass der ganze Laderaum frei war, dass nur die Mannschaft und zwei oder drei Sicherheitsbeamte in der Maschine waren und der Tross von Mönchengladbach. Alles andere war ausgeräumt. Selbst unser eigenes Gepäck wurde kontrolliert. Und in Tel Aviv ist die Maschine drei Tage, also während des Aufenthalts, Tag und Nacht bewacht worden."
"Gelangweiltes Gähnen" in Yad Vashem
Das Engagement Mönchengladbachs täuschte über das Desinteresse des DFB hinweg. Das erste A-Länderspiel zwischen Israel und Deutschland fand am 25. März 1987 statt, erst 22 Jahre nach Aufnahme diplomatischer Beziehungen. Das Stadion in Ramat Gan war beim 2:0-Sieg der Deutschen nur zur Hälfte gefüllt. Staatspräsident Chaim Herzog blieb dem Spiel fern. In der Gedenkstätte Yad Vashem hatten einige deutsche Spieler versucht, ihr "gelangweiltes Gähnen zu tarnen", schrieb die Zeitung Chadaschot. 17 Jahre nach der Mönchengladbacher Premiere in Tel Aviv stand die israelische Öffentlichkeit dem DFB kritisch gegenüber. Der Historiker Moshe Zimmermann:
"Eine Generation nach Ende des Krieges, das heißt ab 1980, meldet sich eine neue Generation zu Wort. Und die beginnt die Auseinandersetzung und die Diskussion um die Beziehung zu Deutschland von Anfang an. Diese Generation hat ja mit dem Krieg persönlich nichts zu tun. Und da kommen Schriftsteller, Sänger, Politiker und betrachten die deutsche Mannschaft, als wäre sie eigentlich eine Vertreterin der deutschen Vergangenheit. Und entwickeln eine eher negative Einstellung zu Deutschland über diese Schiene."
Die Angriffe auf Asylbewerber in Deutschland Anfang der neunziger Jahre bestärkten die neue Reserviertheit der Israelis. Erst zu Beginn des neuen Jahrtausends haben Staat und Zivilgesellschaft in Deutschland um eine würdige Erinnerungskultur gestritten. Theo Zwanziger stieß als DFB-Präsident politische Projekte an. Der Verband ließ seine Rolle im Dritten Reich erforschen. 2006 ließ die Atmosphäre während der heimischen WM das Ansehen Deutschlands in Israel wachsen, Fanklubs von deutschen Vereinen entstanden im Heiligen Land. 2008 begründete der DFB eine Tradition: Jährlich im Dezember reist die Auswahl der Unter-Achtzehnjährigen nach Israel, auch nach Yad Vashem.
Deutsche Trainer in Israel sind eine Seltenheit
Über die Beziehungen diskutierten Wissenschaftler und Fußballvertreter vor kurzem in der Schwabenakademie Irsee auf einer Konferenz. Bislang waren erst zwei deutsche Trainer in der höchsten israelischen Liga tätig: Uwe Klimaschewski 1972 in Haifa und Lothar Matthäus 2008 in Netanya. Im deutschen Profifußball hat es noch keinen israelischen Coach gegeben, aber Spieler wie Schmuel Rosenthal, Itay Shechter oder Almog Cohen. Vielleicht werden es bald mehr, denn seit 2013 beschäftigt der Israelische Fußballverband einen Technischen Direktor aus Deutschland: Michael Nees. Ressentiments spüre Nees selten. Im Gegenteil, sagt Nees, wie die Idee für ein Werbevideo der israelischen U21-Mannschaft zeigt.
"Dann haben sie sich so eine Story ausgedacht, wo ich in der Kabine sitze und irgendetwas Israelisches esse, eine Falafel. Und meine Spieler da übers Training auf Deutsch sprechen. Ja, gutes Training. Aber das Motto war: Endlich haben wir eine Mannschaft, die wie eine deutsche Mannschaft spielt."