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Israels Medien und der Krieg
"Ruhe - wir schießen"

Kritik am Einsatz der Armee im Gazastreifen mit Hunderten Toten wird gerade in Israel kaum laut. Wer sie dennoch wagt, wird schnell zurechtgewiesen. Auch von vermeintlich objektiv berichtenden Journalisten.

Von Bettina Marx |
    Panorama-Ansicht von Al Shejaeiya: Ein Haus auf einem Hügel brennt, von dort aus steigt eine dichte Wolke mit schwarzem Rauch über die Stadt auf.
    Nach einer israelischen Militäroperation steigt Rauch über der Stadt Al Shejaeiya im Gazastreifen auf. (picture alliance / dpa / Mohammed Saber)
    Wer gegen die Offensive im Gazastreifen ist, der hat es in den israelischen Medien derzeit schwer. In der Regel kann er höchstens einen einzigen Satz sagen, bevor er unterbrochen wird. Nicht nur die anderen Diskussionsteilnehmer fallen ihm - oft ausgesprochen rüde – ins Wort. Auch die Moderatoren dulden in der Regel keine abweichenden Meinungen.
    Wenn einer der wenigen Dissidenten dann doch versucht, seine Meinung vorzutragen, endet das meistens in Geschrei. Im Fernsehstudio sitzen ein Journalist und ein Radiomoderator, und zwischen ihnen Jehuda Shaul von "Breaking the silence", einer Organisation von ehemaligen Soldaten, die gegen die Besatzung sind. Er kündigt für den Abend eine Demonstration gegen die Militäroffensive an und fängt sich damit die Kritik des Radiomoderators ein:
    "Du bist ein Jude und solltest dich schämen. Du solltest deine Uniform anziehen und in den Gazastreifen gehen und nicht in Fernsehstudios sitzen und Demonstrationen organisieren."
    Zugeschaltet ist der arabische Knesset-Abgeordnete Muhammad Barakeh. Auch er zieht den Zorn des Radiojournalisten auf sich:
    "Sie sind ein Lügner, Sie sind ein Verbrecher, und Sie sollten hier gar nicht reden dürfen. Treten Sie doch im Hamas-Fernsehen auf. Verschwinden Sie! Sie unterstützen die Hamas! Und ich habe diesen Streit nicht angefangen. Ich bin höflich. Sie sind derjenige, der unhöflich ist."
    Israel in diesen Tagen. Das ganze Land ist in Krisenstimmung. Die drei Fernsehkanäle – ein staatlicher und zwei private – senden rund um die Uhr. „Ein Staat unter Feuer" – so lautet die reißerische Schlagzeile:
    "Die Operation Tzuk Eitan. Die Armee beginnt die Bodenoffensive. Guten Morgen Israel."
    Sturm der Entrüstung
    Für viel Wirbel hat in den vergangenen Tagen der Journalist Gideon Levy gesorgt. Er hatte in der Tageszeitung Haaretz einen Artikel geschrieben, in dem er die Piloten der Luftwaffe für ihre Einsätze über dem Gazastreifen kritisiert.
    "Sie haben niemals das Weiße in den Augen ihres Feindes gesehen und das rote Blut ihrer Opfer aus der Nähe. Sie sind Helden, die die schwächsten und hilflosesten Menschen bekämpfen, Menschen, die keine Luftwaffe haben, keine Luftabwehr, die kaum einen Drachen steigen lassen können."
    Der Artikel löste einen Sturm der Entrüstung aus. Kampfpiloten gelten in Israel als unantastbare Helden. Nur die Besten der Besten, so die Überzeugung, schaffen die mühsame und langwierige Ausbildung zum Kampfpiloten, sie sind die Elite in der militaristischen Gesellschaft des Landes. Levys Artikel, geschrieben, nachdem in Gaza die 21 Mitglieder der Familie des Polizeichefs als Kollateralschaden ums Leben gekommen waren, gilt als Nestbeschmutzung und unverzeihliches Sakrileg. In Talkshows und Interviews versucht der Journalist seither seine Position zu erklären:
    "Die meisten Israelis sind den Bildern aus Gaza leider nicht ausgesetzt und sehen gar nicht, was dort geschieht. Aber in den letzten Tagen wurde dort Tod und Zerstörung in einem fürchterlichen Ausmaß verbreitet, und dafür trägt jemand die Verantwortung. Nicht nur die Piloten sind dafür verantwortlich, aber auch die Piloten. Und man muss sich fragen, ob denn keiner dafür die moralische Verantwortung übernimmt."
    Gerettet von einer Fernsehkamera
    Als Levy diese Worte sagte, stand er in Ashkelon, einer der Städte, die in den letzten Wochen besonders häufig mit Raketen aus dem Gazastreifen angegriffen wurden. Vor einem Einkaufszentrum stehend wurde er in das Fernsehstudio zugeschaltet. Doch Levy konnte nicht lange reden. Dann wurde er von Umstehenden unterbrochen:
    "Du bist ein Verräter. Du nennst unsere Piloten Mörder. Schämst Du dich nicht? Du darfst hier nicht reden. Du bist ein mieser Verräter. Unsere Piloten sind sehr moralisch. Du solltest verschwinden."
    Der Moderator im Studio musste das Gespräch abbrechen, denn immer mehr Umstehende gesellten sich hinzu und stimmten in die Beschimpfung des Journalisten mit ein. Levy schrieb später – in einem weiteren Artikel in Haaretz, er sei fast gelyncht worden. Nur die Fernsehkamera habe ihn gerettet.
    "Die Samen der Hetze der letzten Jahre, die nationalistische und rassistische Gesetzgebung, die aufwieglerische Propaganda, die Angstkampagnen und die Zersetzung der Demokratie durch das rechte Lager – all dies hat Frucht getragen, und diese Frucht ist widerlich und verdorben. Die nationalistische Rechte ist auf ungekannte Tiefen herabgesunken, und fast das ganze Land folgt ihr. Das Wort Faschismus, das ich so wenig wie möglich benutze, hat inzwischen seinen rechtmäßigen Platz im israelischen politischen Diskurs. Meine besten Freunde haben mich gedrängt, das Land zu verlassen bis die Lage sich beruhigt hat, vorsichtig zu sein oder wenigstens zu Hause zu bleiben."
    Doch Levy bleibt nicht zuhause und verlässt auch nicht das Land. Stattdessen stellt er sich weiter den Fragen der Talkshowmoderatoren und kämpft für seine Überzeugung:
    "Ich frage euch: Es gibt einen solchen starken und einheitlichen Chor in den Medien, warum stört euch eine einzige Stimme, ein bloßes Echo, das davon abweicht? Warum löst das einen solchen Sturm aus? Warum?"