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IT-Konzerne an Schulen
"Das sind häufig PR-Kampagnen"

Große IT-Konzerne, die Schulen für den Informatikunterricht ihre Geräte zur Verfügung stellen und das mit Kursen verbinden: Für Felix Kamella von LobbyControl sind das in erster Linie keine bildungspolitischen Projekte, sondern PR-Kampagnen der Unternehmen. Ihr Engagement ziele auf eine Markenbindung der Schüler ab, sagte er im DLF.

Felix Kamella im Gespräch mit Manfred Götzke |
    Eine Schülerin arbeitet an ihrem Laptop, auf der die Afrika-Karte zu sehen ist.
    Eine Schülerin arbeitet an ihrem Laptop, auf der die Afrika-Karte zu sehen ist. (picture-alliance / dpa / Marc Tirl)
    Manfred Götzke: Gehört Informatik in einer durchdigitalisierten Welt zur Allgemeinbildung? Viele Länder sehen das so und haben Informatik schon vor Jahren zum Pflichtfach gemacht, Südkorea oder die USA zum Beispiel. In Deutschland halten viele Bildungspolitiker Informatik für ein nettes Wahlfach, das man belegen kann, aber nicht muss. Entsprechend mies sind die meisten Schulen technisch ausgestattet, und auch kompetente Informatiklehrer sind Mangelware. Das hat offenbar auch der IT-Konzern Microsoft mitgekriegt und gibt den Schülern deshalb ein bisschen Nachhilfe. Bei dem Programm "Code your Life" können Schüler direkt bei Microsoft ein bisschen programmieren lernen.
    Tja, aber geht es hier wirklich um gesellschaftliches Engagement der großen IT-Konzerne oder doch um irgendwas anderes? Darüber möchte ich mit Felix Kamella sprechen. Er ist bei LobbyControl unter anderem für Lobbyismus an Schulen zuständig. Hallo!
    Felix Kamella: Hallo, Herr Götzke!
    Götzke: Herr Kamella, was bezweckt Microsoft Ihrer Meinung nach tatsächlich mit solchen Programmen?
    Kamella: Na ja, diese Programme werden natürlich so dargestellt, dass sie auf den ersten Blick so aussehen, als handele es sich dabei um gesellschaftliches Engagement. Aber die eigentlichen Gründe, warum Microsoft sich in diesen Programmen engagiert oder auch andere Unternehmen wie Google, wie Apple - die großen Technik- und Internetkonzerne sind eigentlich alle auch an Schulen aktiv -, sind natürlich andere. Es sind häufig eben doch PR-Kampagnen, die hier aufgezogen werden, und die haben unter anderem das Ziel, den Unternehmen ein positiveres Image zu verpassen. Sie haben aber auch das Ziel, den Zugang in die Schulen aufzubauen, zu verstärken, weil dort natürlich wichtige Entscheidungen getroffen werden. Und für das Unternehmen macht es einen großen Unterschied, ob die Klasse Tablets von Apple oder Samsung kauft oder ob sie eben die Software von Microsoft oder Google benutzen. Das heißt, das sind wichtige Entscheidungen, da wollen diese Konzerne mitreden. Und dann geht es schlussendlich auch darum, den Kontakt zu den Schülern aufzubauen, eine Markenbindung herzustellen, und da brauchen sie gar keine Produktwerbung zu machen, das läuft ganz subtil und hat dann letztendlich auch sicherlich Erfolg.
    "Die Schulen haben letztendlich sehr wenig davon"
    Götzke: Jetzt haben wir gerade einen Lehrer gehört, der sagt, nur weil wir hier Angebote von Microsoft und Co. nutzen, werden wir noch lange keine Microsoft- oder Apple-Schule. Wo ist also das Problem?
    Kamella: Wie gesagt, andere Ziele sind beispielsweise die Verstärkung des Images. Die Unternehmen wollen positiv dastehen, sie wollen bei bildungspolitischen Entscheidungen mitreden. Und das Ganze wird dann als PR-Kampagne aufgezogen. Es wird positiv dargestellt, es wird so gemacht, dass es den Schülern Spaß macht mitzumachen, dass es sehr leicht ist, daran teilzunehmen, häufig findet das nur in sehr geringem Umfang statt. Und wenn die Schulen sich dann auf diese Programme einlassen, dann lassen sie sich eben auch auf diese PR-Kampagnen, die da immer dabei laufen, mit ein. Und da muss man sich schon fragen, ob sich das eigentlich lohnt für die Schulen. Beispielsweise gibt es diese Veranstaltung "Hour of Code", die auch aktuell in Berlin und anderen Städten in Deutschland stattfindet, da geht es darum, die Kinder vom Thema Programmieren zu begeistern. Und was letztendlich stattfindet, ist, dass dort eine kleine Stunde sich mit dem Thema Programmieren beschäftigt wird, und natürlich lernt niemand in einer Stunde Programmieren. Das heißt, die Unternehmen profitieren sehr stark davon, sie treten sehr stark in Erscheinung und die Schulen haben letztendlich sehr wenig davon. Und da stellt sich dann schon die Frage, ob sie sich auf so was einlassen sollten.
    Götzke: Jetzt ist es ja so, die Schule können sich zeitgemäße Rechner oder Tablets in der Regel gar nicht leisten. Würden Sie also sagen, lieber gar keinen Tablet-Unterricht statt ein Sponsored-by-Apple?
    Kamella: Na ja, die Fragen, was in der Schule unterrichtet werden soll und auf welchen Geräten unterrichtet werden soll, sind bildungspolitische Fragen, die natürlich diskutiert werden müssen. Aber in dem Moment, in dem Sie die Diskussion dem einzelnen Unternehmen überlassen, ist klar, dass die Interessen des Unternehmens - kauft unsere Produkte! - sehr stark in den Vordergrund gerückt werden. Und wer mehr Informatikunterricht in der Schule fordert, der muss auch gleichzeitig immer beantworten, wovon soll denn weniger im Unterricht vermittelt werden. Und wenn man quasi diesen Einfluss der Konzerne ungehindert auf die Schulen zulässt, dann läuft es darauf hinaus, dass die Fächer unterstützt werden, wo finanzkräftige Akteure, Unternehmen im Hintergrund stehen, und die Fächer wie Geschichte, wie Musik, wie Sport, wo es eben nicht diese finanzielle Unterstützung im Hintergrund gibt, die drohen dann in den Hintergrund zu geraten.
    "An bildungspolitischen Entscheidungen mitreden können"
    Götzke: Aber ist es nicht ein Unterschied, ob eine Versicherungsfirma in Unterrichtsmaterialien bestimmte Finanzprodukte bewirbt - was ja auch vorkommt, das haben Sie ja auch mal untersucht - oder ob eine IT-Firma an einer Schule einen Klassensatz Laptops sponsert?
    Kamella: Wenn es um eine inhaltliche Einflussnahme geht, ist eine bestimmte Darstellung von wirtschaftspolitischen Sachverhalten eine andere Problematik. Hier geht es eher darum, sehr stark an bildungspolitischen Entscheidungen auch mitreden zu können und zu dürfen und sich da als ein Akteur zu positionieren, an dem man nicht vorbeikommt, wenn es um eine Neugestaltung, auch um eine technische Ausgestaltung von Unterricht geht. Und deswegen sind es in erster Linie keine bildungspolitischen Projekte, sondern PR-Kampagnen der Unternehmen. Und da ist es wichtig, darauf hinzuweisen, und das muss man sich auch bewusst machen, wenn man die Entscheidung trifft, ob man sich auf so Aktivitäten einlässt oder eben auch nicht.
    Götzke: Sagt Felix Kamella von der Organisation LobbyControl. Vielen Dank für Ihren Besuch bei uns im Studio!
    Kamella: Gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.