"Es war ein knallhartes Jahr."
Dieses 'knallharte Jahr', von dem die Fraktionsvorsitzende der Linken im EU-Parlament, Gabi Zimmer, redet, war jenseits der Europawahlen vor allem von einem Thema dominiert in der EU.
"Das erste natürlich - und ganz überwältigend - ist die Ukraine-Krise, verbunden mit dem zerrütteten Verhältnis zu Russland. Das hat die EU in eine Situation gebracht, wo sie außenpolitische getestet wurde, wie niemals zuvor."
Die EU hat diesen Test - wenn auch vielleicht nicht mit Bestnote - bestanden, finden beide, die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Rebecca Harms und der politische Analyst von Carnegie Europa, Jan Techau. Findet auch der CDU-EU-Parlamentarier Herbert Reul. Wirklich bemerkenswert am auslaufenden Jahr war:
"Dass es uns gelungen ist, zwischen den europäischen Staaten eine gemeinsame Haltung in der Ukraine-Frage zu erreichen und durchzuhalten."
In der Tat - dass die EU-Länder in ihrem Umgang mit Russland zusammenblieben, dass sie trotz unterschiedlicher historische Erfahrungen und wirtschaftlicher Verbindungen mit Moskau und unterschiedlichster geopolitischer Befindlichkeiten mit einer Stimme sprechen und sprachen, das ist schon bemerkenswert. Rebecca Harms teilt diese Sicht der Dinge:
"Was so oft gesagt wird über die Ukraine - dass die Politik Putins diese Nation geeint hat, dass das eigentlich auch auf die Europäische Union zutrifft, dass man sich in der neuen Herausforderung einiger geworden ist."
Über die Monate hat die EU die Liste der Personen sukzessive verlängert, die mit Einreiseverboten und Kontosperrungen bedacht wurden. Ihnen sagt man nach, dass sie federführend bei der Krim-Abspaltung von der Ukraine oder den Kämpfen um die Ostukraine beteiligt waren. Ebenso wurde der Export bestimmter Produkte aus der EU nach Russland eingeschränkt. Immer einstimmig beschlossen. Ein Wert an sich. In der Sache kann man das aber durchaus auch so sehen, wie der SPD-EU-Abgeordnete und Experte für die Beziehungen zu Russland, Knut Fleckenstein:
"Ich glaube, dass die Sanktionen zwar wirken, auf die Wirtschaft in Russland, dass sie nicht gewirkt haben, auf irgendeine Bereitschaft zu deeskalieren."
Rechtspopulisten erstarkt
Gabi Zimmer von den Linken sieht das ähnlich, geht aber einen erheblichen Schritt weiter mit ihrer Kritik, wenn es um die Beziehungen der EU zu Russland geht und die Politik der östlichen Partnerschaften insgesamt:
"Nicht nur Russland hat große Fehler gemacht, nicht nur Ukraine hat Fehler gemacht, auch die Europäische Union hat große Fehler gemacht - in der Bewertung dessen, was eigentlich in der Ukraine abläuft und welche Interessen aufeinander prallen."
"Die EU hat mit ihrer Nachbarschaftspolitik teilweise sozusagen diese Entwicklungen mit zu verantworten, hat dann im Management der Krise eine ganz gute Figur gemacht und hat immer neben der robusten Reaktion auch ein Gesprächsangebot an Präsident Putin gemacht. Gleichzeitig hat man sich verpflichtet, der neuen Regierung um Präsident Poroschenko zu helfen. Jetzt hängt die Strategie der EU ganz maßgeblich davon ab, ob die Regierung in Kiew Reformen hinbekommt."
Nicht nur die Situation in der Ukraine war 2014 ein Test für die außenpolitische Handlungsfähigkeit der EU - auch das Erstarken der islamistischen Terror-Milizen der IS im noch immer vom Bürgerkrieg gebeutelten Syrien und im Irak. Es gelang auf EU-Ebene eine gemeinsame Haltung zu Waffenlieferungen an die Kurden zu finden, die den IS-Kämpfern militärisch die Stirn zu bieten versuchen. Dafür musste namentlich Deutschland sein Zögern bei Waffenlieferungen aufgeben. Bundesaußenminister Steinmeier:
"Dann geht es in der Tas auch um die Frage, wie rüsten wir die kurdische Armee so auf, dass sie sich in der Tat gegen die Angriffe der ISIS zur Wehr setzen kann."
Nicht zuletzt das menschenverachtende Wüten von ISIS beziehungsweise IS hat dazu geführt, dass ein anderes Thema in der EU 2014 zusätzlich an Gewicht gewonnen hat - qualitativ und quantitativ: das Thema Flüchtlinge. Über 200.000 haben nach Angaben der UNO 2014 versucht, über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen, mehr als 3400 überlebten den Fluchtversuch nicht. Über 120.000 Menschen kamen auf der Suche nach Sicherheit allein in Italien an.
"Italien steht unter enormem Druck und wir müssen überlegen, wie andere EU-Länder mehr zur Bewältigung der Flüchtlingsströme beitragen können."
Sagte Cecilia Malmström, bis 1. November war sie in der Barroso-EU-Kommission zuständig für Migrationsfragen. Das Migrations- und Flüchtlingsthema hat für die EU auch deshalb in diesem Jahr noch einmal erheblich an Brisanz gewonnen, weil die Rechtspopulisten EU-weit erstarkt sind, wie sich bei den Europawahlen manifestierte. Die Rechtspopulisten haben nicht zuletzt an Zulauf gewonnen, weil sie ihre ureigenen fremdenfeindlichen Schlüsse ziehen aus den nicht zu leugnenden Schwächen der EU-Flüchtlings- und Migrationspolitik, analysiert Jan Techau.
"Ein Thema, das die Europäer seit vielen Jahren nicht in den Griff bekommen - sie sind de facto ein Einwanderungskontinent; gleichzeitig aber, was die Integration dieser Leute angeht, ganz, ganz schwach, die wir in unsere Mainstream-Gesellschaften einfach nicht richtig reinkriegen."