Doris Schäfer-Noske: Das alte Frankfurt ist eine Stadt der Stifter gewesen. Reiche Bürger haben Kunst gesammelt und sie später der Stadt überlassen. Im 18. Jahrhundert konnte man mit dem Backen von Kuchen, der Herstellung von Torten und Tafelaufsätzen aus Zucker viel Geld verdienen. So lebte der Konditor Johann Valentin Prehn auf der Zeil, der damaligen Prachtstraße von Frankfurt, und er konnte es sich leisten, eine umfangreiche Kunstsammlung aufzubauen, die auch naturwissenschaftliche Objekte und ethnografische Raritäten enthielt. Viel davon ist verloren gegangen. Erhalten sind aber bis heute Hunderte von Gemälden. Mithilfe der Initiative Kunst auf Lager werden diese Gemälde nun zurzeit untersucht und das Geld dafür kommt von der Oetker Stiftung, der Siemens Kunststiftung, der Hessischen Kulturstiftung und der Adolf und Luisa Haeuser Stiftung. - Frage an Wolfgang P. Cilleßen, den stellvertretenden Direktor des Historischen Museums Frankfurt: Herr Cilleßen, wie muss man sich diese Sammlung denn vorstellen?
Wolfgang P. Cilleßen: Ja. Ich habe hier ein wunderbares Aquarell von Carl Morgenstern von 1829 vor mir liegen. Dort schaut man in das Wohnzimmer der Familie Prehn und ist erstaunt über die Fülle von Gemälden, die dort an den Wänden hängen und bis zur Decke sich ausbreiten, Flächen füllend. Und dann sieht man große Kästen in der Mitte des Raumes, die sind wiederum auch mit Gemälden verziert, und in diesen Kästen, muss man sich vorstellen, befinden sich viele, viele kleine Gemälde. Da konnte man Klappkästen herausziehen und in der Tat sieht man auch eine Staffelei dort stehen und da ist solch ein Klappkasten aufgeschlagen und dort befinden sich viele kleine Gemälde und das war im Grunde genommen ein Sammelschwerpunkt von Prehn, worauf er sich spezialisiert hat und was eigentlich die Besonderheit seiner Sammlung ausmacht. Und dann sieht man weiterhin Bücher auf dem Tisch liegen und auf einem weiteren Tisch steht noch eine Skulptur und das deckt vielleicht das Spektrum dessen ab, was Prehn so gesammelt hat. Man kann eigentlich sagen, dass er ein Universalsammler war, der sich für vieles interessiert hat, ganz im Gegensatz zu manchen anderen Sammlern in Frankfurt, die schon begonnen haben, sich zu spezialisieren.
Schäfer-Noske: Das heißt, was Sie jetzt genannt haben, ist im Grunde genommen ein Gemälde über die Gemälde oder beziehungsweise über das, wie diese Gemälde in der Wohnung von Johann Valentin Prehn aufgehängt wurden?
Cilleßen: Genau so ist es und man kann davon ausgehen, dass er dort viele Besucher empfangen hat und seine Sammlung mit großem Stolz vorgeführt hat. Und diese Kästen, die waren natürlich nicht so offen zu sehen. Man kann sich das eigentlich so vorstellen, dass die wie ein großes Galeriewerk, das man blättern muss, sozusagen peu à peu durchschaut, nur dass es in diesem Falle eben keine Kupferstiche nach Gemälden sind, die dort zu sehen sind, sondern eben die Originale.
"Hang zu erotischen Gemälden"
Schäfer-Noske: Lagen diese Kästen dann herum, oder hingen diese Kästen an der Wand und man konnte dann quasi den Deckel öffnen?
Cilleßen: Nein, nein. Die standen eingestellt in diese tischhohen Schränke, die in der Mitte des Raumes waren, und man musste die da einzeln herausziehen, insofern eine gefaltete Bildenzyklopädie, kann man sagen.
Schäfer-Noske: Was war denn auf diesen Bildern zu sehen?
Cilleßen: Es gibt sicherlich eine Reihe von Gemälden, die typisch sind für eine Sammlung des 18. Jahrhunderts. In Frankfurt sind das vor allem niederländische Gemälde, und jetzt rede ich in der Tat in der Hauptsache von den kleinformatigen Gemälden. Sie müssen sich vorstellen, Sie haben 32 solcher Klappkästen mit über 800 kleinformatigen Gemälden, und die Schwerpunkte liegen im goldenen Zeitalter der Niederlande im 17. Jahrhundert, dann vor allem auch deutsche Gemälde sehr viel, bei Deutschland auch aus dem 18. Und frühen 19. Jahrhundert, Sie sehen Landschaften, Sie sehen mythologische Gemälde, Sie sehen sakrale Gemälde und auch viele Porträts. Und vielleicht ein besonderer Schwerpunkt seiner Sammlung - und das unterscheidet ihn von vielen anderen Frankfurter Sammlern aus dieser Zeit -, dass er einen besonderen Hang zu galanten, um nicht zu sagen erotischen Gemälden hatte.
Schäfer-Noske: Weiß man denn heute, warum Johann Valentin Prehn damals Kunst gesammelt hat und nach welchen Kriterien er das ausgewählt hat?
Cilleßen: Das ist ein bisschen schwierig zu beurteilen, weil wir eigentlich überhaupt keine Egodokumente von Prehn besitzen. Das heißt, weder Briefe, noch andere schriftliche Dokumente, die etwas über seine Sammelleidenschaft und über sein privates Leben aussagen. Das heißt, wir können eigentlich nur Rückschlüsse über die Sammlung selbst ziehen und über die Umstände, dass er wohl vermutlich viele Kontakte zu anderen Frankfurter Sammlern, unter anderem seinem Nachbarn Morgenstern, einem Maler und Restaurator hatte. Für ihn war sicherlich Johann Ludwig Morgenstern ein wichtiger Nachbar, weil Morgenstern nicht nur als Maler, sondern auch als Restaurator tätig war und für ihn sowohl restauriert hat und sicherlich auch viele Gemälde organisiert hat und für ihn gekauft hat, sodass man von einem lebhaften Austausch ausgehen kann.
Schäfer-Noske: Stichwort Restaurieren. Restauriert werden diese Bilder nun nicht, denn ihr Zustand ist in Ordnung, sondern sie werden untersucht. Das heißt, zurzeit sind im Museum neun Kästen zu sehen, die sind bereits untersucht worden, und die übrigen 23 Kästen mit Bildern sind nun an der Reihe. Was interessiert Sie dabei, Herr Cilleßen?
Cilleßen: Zweierlei muss man vielleicht dabei betonen. Es ist auf der einen Seite eine kunsthistorische Untersuchung. Uns interessieren natürlich, welche Künstler haben die Gemälde eigentlich gemalt. Bei manchen weiß man das und ist die Überlieferung gut; bei anderen gibt es Zuschreibungen, die aus der Prehn-Zeit oder aus dem 19. Jahrhundert stammen, die man aber zum Teil in Frage ziehen muss, und wir hoffen, dass die Kunsthistoriker durch Vergleich herausbekommen können, sind es Originale, von welchen Künstlern stammen sie, sind es Kopien und wonach sind die unter Umständen angefertigt worden, aber auch, was sind eventuell die Provenienzen dieser Gemälde, wo könnte Prehn sie erworben haben, auf Auktionen, auf der Frankfurter Messe, oder über andere Sammler. Das ist die eine Hälfte.
Die andere Hälfte bezieht sich auf die kunsttechnologische Untersuchung und die wird durch die Restauratoren durchgeführt, und da interessiert uns der Zustand der Gemälde, um zu schauen, gibt es alte Retuschen, gibt es frühere Restaurierungen, oder befinden sie sich im noch frischen Zustand, so wie sie mal vom Maler gemacht worden sind. Dann rahmt man sie aus, um zu schauen, sind sie eventuell beschnitten worden, handelt es sich um Fragmente von ursprünglich größeren Gemälden, und das ist eine Besonderheit bei Prehn, dass etliche Fragmente in seiner Sammlung sind. Das heißt, das sind Gemälde, die ursprünglich mal in Sammlungen oder in Kirchen hingen und die dann sei es bei der Säkularisierung aus den Kirchen herausgekommen worden sind und die verkleinert worden sind, um sie in bürgerliche Sammlungen hängen zu können, oder aber es sind bei Restaurierungen schadhafte Teile abgeschnitten worden und daraus hat man wieder kleine Gemälde gemacht, die Prehn natürlich besonders interessiert haben. Uns interessieren auch die Materialien. Prehn hat Gemälde auf ganz unterschiedlichen Materialien gesammelt, auf Holz gemalt, auf Elfenbein, auf Pappe, aus Blech. Das hat sicherlich auch damit zu tun, dass in der Prehnschen Sammlung Gemälde vom frühesten 15. Bis zum frühen 19. Jahrhundert vorhanden sind, also ein enorm langer Zeitraum der Kunstgeschichte damit abgedeckt wird. Und wir schauen auf rückseitige Aufschriften, die zum Teil unter Montagen verborgen sind, wo man natürlich gerne wissen möchte, erfährt man vielleicht doch noch etwas mehr über die Herkunft des Gemäldes, oder über den Künstler, der sich da eventuell verewigt hat.
Die andere Hälfte bezieht sich auf die kunsttechnologische Untersuchung und die wird durch die Restauratoren durchgeführt, und da interessiert uns der Zustand der Gemälde, um zu schauen, gibt es alte Retuschen, gibt es frühere Restaurierungen, oder befinden sie sich im noch frischen Zustand, so wie sie mal vom Maler gemacht worden sind. Dann rahmt man sie aus, um zu schauen, sind sie eventuell beschnitten worden, handelt es sich um Fragmente von ursprünglich größeren Gemälden, und das ist eine Besonderheit bei Prehn, dass etliche Fragmente in seiner Sammlung sind. Das heißt, das sind Gemälde, die ursprünglich mal in Sammlungen oder in Kirchen hingen und die dann sei es bei der Säkularisierung aus den Kirchen herausgekommen worden sind und die verkleinert worden sind, um sie in bürgerliche Sammlungen hängen zu können, oder aber es sind bei Restaurierungen schadhafte Teile abgeschnitten worden und daraus hat man wieder kleine Gemälde gemacht, die Prehn natürlich besonders interessiert haben. Uns interessieren auch die Materialien. Prehn hat Gemälde auf ganz unterschiedlichen Materialien gesammelt, auf Holz gemalt, auf Elfenbein, auf Pappe, aus Blech. Das hat sicherlich auch damit zu tun, dass in der Prehnschen Sammlung Gemälde vom frühesten 15. Bis zum frühen 19. Jahrhundert vorhanden sind, also ein enorm langer Zeitraum der Kunstgeschichte damit abgedeckt wird. Und wir schauen auf rückseitige Aufschriften, die zum Teil unter Montagen verborgen sind, wo man natürlich gerne wissen möchte, erfährt man vielleicht doch noch etwas mehr über die Herkunft des Gemäldes, oder über den Künstler, der sich da eventuell verewigt hat.
"Gemälde häufig beschnitten und verkleinert"
Schäfer-Noske: Sie haben von den Fragmenten gesprochen. Kann es denn auch sein, dass Prehn damals als Sammler gesagt hat, dieses Bild passt aber nicht in meine Sammlung rein, denn er hat ja immer nur sehr kleinformatige Bilder gemocht, und ein Bild einfach auseinandergeschnitten hat?
Cilleßen: Vorstellbar ist das sicherlich, aber wir wissen ja aus der Darstellung des Carl Morgenstern mit der Ansicht dieses Wohnzimmers, dass er auch großformatige Gemälde gesammelt hat. Dann hätte er sie natürlich auch hinhängen können. Aber auf der anderen Seite ist es so, dass Johann Ludwig Morgenstern, der Gemälde restauriert hat, und aus seinem Arbeitsbuch ist überliefert, dass er bisweilen Teile abgesägt hat und kleinformatige Gemälde daraus hergestellt hat, oder aber, dass er zu Gemälden, die in der Prehnschen Sammlung schon vorhanden waren, Pendants hergestellt hat im gleichen Format, und das spiegelt ein bisschen die Situation, die wir auch von großen Gemäldegalerien kennen aus dem 17., aus dem 18. Jahrhundert, den fürstlichen Sammlungen wie auch den bürgerlichen Sammlungen, dass man bei der Petersburger Hängung häufig Pendants brauchte und die Wände lückenlos füllte. Und um das erreichen zu können, hat man häufig Gemälde beschnitten und verkleinert, damit sie als Pendant funktionieren konnten, oder aber in die vorhandene Lücke passten, oder umgekehrt, dass man Gemälde vergrößert hat. Beide Verfahren sind durchaus denkbar und für Prehn waren natürlich die kleineren Formate interessant.
Schäfer-Noske: Was passiert denn mit den Ergebnissen, wenn Sie fertig sind, und was passiert dann auch mit den Gemälden?
Cilleßen: Wir planen zweierlei. Einerseits sollen die Ergebnisse in einem gedruckten Bestandskatalog publiziert werden und wir wollen es in einer reduzierten Form wahrscheinlich in eine Internet-Datenbank tun, wo man dann Bild und Text miteinander verknüpfen kann und suchen kann, und damit wollen wir nach Möglichkeit im kommenden Jahr schon beginnen, sodass man peu à peu sieht, wie sich das aufbaut, und unsere Forschungsergebnisse dort veröffentlichen.
Schäfer-Noske: Und die Gemälde? Im Moment - ich habe es ja schon gesagt - sind neun dieser Kästen zu sehen. Was wird denn mit den übrigen Kästen passieren?
Cilleßen: Die sind zurzeit in der seit 2012 eröffneten Dauerausstellung im Historischen Museum "Frankfurter Sammler und Stifter" zu sehen, und dieser Raum, der sozusagen das Prehnsche Gemäldekabinett zeigt, hat eine Stellage, wo man die 24 Kästen hereinstellen kann. Das ist so eine Ziehanlage und bei Führungen kann man nach Bedarf jeweils einen Kasten herausziehen, um zu zeigen, was es sonst noch, außer den bereits dort installierten Kästen, in der Sammlung gab. Und je nachdem können wir uns auch vorstellen, die Kästen immer wieder mal zu tauschen, damit in der permanenten Präsentation auch andere Teile der Sammlung zu sehen sind.
Schäfer-Noske: Das war Wolfgang P. Cilleßen vom Historischen Museum Frankfurt über die Gemäldesammlung des Frankfurter Konditors Johann Valentin Prehn.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.