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Journalistenausbildung
Uni Leipzig reformiert umstrittenen Journalistik-Master

Einst gab es an der Uni Leipzig eine der renommiertesten Journalisten-Ausbildungen des Landes. Doch politische Kämpfe und der Streit um einen Professor führten beinahe zum Untergang des Masters Journalistik. Kann der Studiengang durch eine Reform noch gerettet werden?

von Isabelle Klein |
    Das ehemalige Wilhelm-Wolff-Haus, auch bekannt als das "Rote Kloster" für die Leipziger Journalistik.
    Das ehemalige Wilhelm-Wolff-Haus, auch bekannt als das "Rote Kloster" für die Leipziger Journalistik. (picture-alliance/ ZB / Jan Woitas)
    Nach monatelangem Ringen um eine Reform des Studiengangs bleibt der Master Journalistik. Am Namen ändert sich erst einmal nichts, inhaltlich und strukturell aber steht ein Neuanfang an. Das Ziel: Angehende Journalisten fit machen für die digitale Welt.
    "Wir lesen die ganze Zeit von den großen Datensätzen, 'Paradise Papers' war das letzte. Das eine ist, so einen Datensatz zu haben, das andere ist, zu verstehen, wie man methodisch kontrolliert solche Datensätze auswertet."
    Uni Leipzig will "zeitgemäßen Journalismus" lehren
    Studiendekan Thomas Kater hat die Reformkommission geleitet. Zusammen mit Mitarbeitern der Journalistik und der Kommunikationswissenschaft sowie externen und studentischen Vertretern hat er nach neuen Ideen für den Master-Studiengang gesucht - unter dem Stichwort "Datenjournalismus". Gefunden hat man schließlich ein Konzept, das zusammen mit dem Institut für Informatik der Universität umgesetzt werden soll. Was dabei gelehrt werden soll, nennt Junior-Professor Markus Beiler noch recht schwammig: "zeitgemäßen Journalismus". Beiler wird die Leitung des neuen Masters übernehmen.
    "Das Zentrale ist wahrscheinlich, dass durch die sozialen Netzwerke, die öffentliche Kommunikation durch immer mehr Teilöffentlichkeiten zerfällt. Und dort muss der Journalismus seine Funktion nach wie vor erfüllen, nämlich der Information, der Kritik und Kontrolle, der Mitwirkung an der Meinungsbildung und vor allem der Herstellung von Öffentlichkeit. Das sind aber aktuelle Phänomene, wir wissen nicht war in zwei, drei Jahren für aktuelle Phänomene hinzukommen."
    Am Ende bilde man aber weder Programmierer, noch Datenjournalisten aus, so Beiler, sondern weiterhin Redakteure - auch wenn das journalistische Handwerk neben Informatik und Sozialforschung nur noch einen Teilbereich des Studiengangs einnehmen soll.
    Bewerber müssen Grundkenntnisse schon mitbringen
    "Es geht um grundlegende Kenntnisse aus dem Bereich der Technik, des Internets, um Algorithmen und Daten, und unsere Absolventen sollen das grundlegende Konzept verstehen, das hinter Daten und Algorithmen steht, um dieses dann auch in ihrer journalistischen Arbeit anzuwenden."
    Die grundlegenden Kenntnisse des Journalismus sollen allerdings nicht gelehrt werden – die Bewerber müssen sie schon mitbringen.
    Diese Abwendung von der allgemeinen Journalistenausbildung im Master stößt bei Michael Haller auf Kritik. Der emeritierte Journalistik-Professor hatte den Lehrstuhl in Leipzig nach der deutschen Wiedervereinigung übernommen und die Journalistenausbildung damals umgebaut.
    "Ich glaube, das ist nicht für eine Universität angemessen. In einer sich demokratisch organisiert habenden, rechtsstaatlichen Gesellschaft brauchen wir tiefergehende Kompetenzen: Diese gesellschaftliche Aufgabe auch selber erkennen, wahrnehmen und einlösen wollen."
    "Universität richtet ihr Fähnchen nach dem Wind"
    Dieses Verständnis rückt aus Sicht von Haller am Leipziger Institut der Kommunikations- und Medienwissenschaft mehr und mehr in den Hintergrund.
    "Das eigentlich Empörende ist für mich, dass eine Universität ihr Fähnchen nach dem Wind richtet. Und der Wind bläst so ein bisschen aus der Welt der marketinggetriebenen, marktanpasserischen Muster."
    Michael Haller spielt auf den PR-Master Communication Management an, der personell viel besser ausgestattet ist als die Journalistik – und für den Emeritus besser an einer privaten Akademie aufgehoben wäre.
    "Das kann aus meiner Sicht nicht die Aufgabe einer über Steuergelder gespeisten Universität nicht sein, hier Auftragskommunikationstechniken als Studiengang zum Zentrum zu nehmen."
    Umstrittener Professor nicht am neuen Master beteiligt
    Parallel zur Vergrößerung der PR hatte die Journalistik an der Universität Leipzig in den letzten Jahren Personal einbüßen müssen - eines der Hauptprobleme des Studiengangs, das auch mit der Reform vorerst nicht gelöst wird. Ein anderes Problem der Journalistik war die Besetzung der letzten verbleibenden vollen Professur. Lehrstuhlinhaber Marcel Machill war in den vergangenen Jahren zur umstrittenen Personalie geworden. Studiendekan Thomas Kater: "Herr Professor Machill wird an diesem neuen Studiengang nicht beteiligt sein, auch weil er seine Expertise in die journalistische Ausbildung auf Bachelorebene einbringen möchte."
    Ein eigener Journalistik-Bachelor ist an der Universität Leipzig aber nicht geplant. Stattdessen sollen mehr journalistische Grundlagen im bestehenden Bachelor der Kommunikation- und Medienwissenschaft vermittelt werden. Ein alter Hut: 2012 hatte die Uni Leipzig ihren Master Hörfunk ganz abgeschafft und Inhalte in das Bachelor-Wahlfach "Hörfunk" integriert. Auch das gibt es durch die Reform nicht mehr. Es heißt nun: "Crossmedia-Journalismus".