"Es ist nicht einfach, eine Synagoge zu rekonstruieren, ich glaube nicht, dass das das gleiche ist, wie die Frauenkirche in Dresden zu rekonstruieren oder das Schloss."
Über die Köpfe der Journalisten hinweg weist der junge Architekt Kilian Enders auf eine vergilbte Rasenfläche am Ufer des Landwehrkanals in Kreuzberg. Genau dort soll in ein paar Jahren eine Synagoge stehen. Wieder.
Er erklärt: "Es ist die Idee, dass dieser Wiederaufbau eine Art Leerstelle wieder besetzt. Ein Erinnerungsbild als weißes Gebäude, was auch mit Leben gefüllt werden soll. Es soll ein nutzbares Gebäude sein. Und es soll in seiner Außenwirkung deutlich abstrahierter sein, als das, was Herr Alexander Beer, der Architekt, der das 1916 fertiggestellt hat, damals gebaut hat."
Vor knapp 80 Jahren, in der Reichspogromnacht, zerstörten die Nazis die klassizistische Synagoge am Fraenkelufer. Heute steht auf dem Gelände nur noch der Seitenflügel, die Wand zum ehemaligen Haupthaus, zugemauert, fensterlos. Geht es nach den Plänen des Berliner SPD-Fraktionsvorsitzenden Raed Saleh, soll sie genau hier wieder aufgebaut werden.
Saleh sagt: "Es ist mir eine Herzensangelegenheit, dass wir ein Zeichen setzen, dass gerade in Berlin jüdisches Leben willkommen ist. Berlin stand in der deutschen Geschichte für ein Kapitel, das sehr düster war. In der Zeit, wo permanent Schlösser aufgebaut werden, sollte man die Kraft und den Mut haben, auch Synagogen wieder neu zu erbauen."
Am 9. November kam dem Berliner SPD-Politiker gemeinsam mit Parteikollegen die Idee, hier an der Grenze zwischen Kreuzberg und Neukölln eine Synagoge wieder aufbauen zu lassen. An diesem kalten Märzvormittag präsentiert er gemeinsam mit Gideon Joffe, dem Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Berlin, die ersten Skizzen für das alte, neue Gotteshaus. Und spart dabei nicht mit Pathos.
"Willkommen jüdisches Leben in Deutschland!"
Es darf nicht bei Lippenbekenntnissen bleiben, wenn man sagt, wir wollen das jüdische Leben in Deutschland fördern. Ich glaube, es ist nicht nur notwendig, sondern überfällig, dass man ein Zeichen setzt in Sinne von: Willkommen jüdisches Leben in Berlin und in Deutschland! Indem man Fakten schafft."
Für Joffe ist der Wiederaufbau auch ein Zeichen gegen den zunehmenden Antisemitismus in Deutschland - und vor allem in Berlin. 2017 wurden nach neuen Zahlen der Berliner Innenverwaltung knapp 300 antisemitisch motivierte Fälle registriert – was einer Verdopplung gegenüber dem Jahr 2013 entspricht. Ermittler aber auch Lehrer und die jüdische Gemeinde selbst, machen dafür auch die Einwanderer aus dem Nahen Osten verantwortlich. Die Zahl der Anschläge auf Moscheen ist allerdings auch gestiegen. 2010 waren es in Deutschland 23 Angriffe, 2017 schon 73, in den vergangenen Tagen wurden täglich neue bekannt. Eine Synagoge hier am Rande des muslimisch geprägten Neukölln könnte ein wichtiges Begegnungszentrum werden.
Saleh sagt: "Ich würde mich freuen, wenn hier eine jüdische Begegnungsstätte entstehen könnte, bei dem man das Judentum auch kennenlernen kann. Wir haben hier viele Schulen, bürgerschaftliche Vereine. Die alle sind herzlich eingeladen, wenn das Gebäude mal steht, regelmäßig hierher zu kommen, sich auszutauschen, dass man aufeinander zugeht."
Noch ist das, was Saleh und seine Parteifreundinnen aus dem Abgeordnetenhaus präsentieren nur eine erste Skizze, Machbarkeitsstudie, Architekturwettbewerb, Finanzierungskonzept – all das steht noch aus. Klar ist wohl schon: Berlin will das landeseigene Grundstück zur Verfügung stellen und sich finanziell beteiligen. Der Rest der 20-25 Millionen Euro, die der Bau schätzungsweise kosten würde, soll von Stiftungen und Spendern kommen.
Berliner mit palästinensichen Wurzeln hilft jüdischer Gemeinde
"Ich hab mir überlegt", sagt Raed Saleh, "ob man nicht ganz gezielt, als Zeichen des Dialogs, der Versöhnung zeitgleich in einer Woche einen Appel macht, zeitlich in den Kirche, Moscheen und Synagogen Spenden einzutreiben. Es ist klar, dass das am Ende kleine Summen sind, aber allein das Zeichen, dass man für ein gemeinsames Projekt spenden sammelt, verbindet ungemein."
Raed Saleh, im Westjordanland geboren und muslimischen Glaubens setzt sich schon seit Jahren für den Dialog zwischen Muslimen und Juden ein. Er fährt mit Jugendlichen Zuwanderern nach Auschwitz, putzt Stolpersteine und besucht immer wieder Synagogen. In die Gemeinde am Kreuzberger Fraenkelufer, habe er sich "verliebt", sagt er.
Gideon Joffe erklärt: "Als ich vor 12 Jahren zum Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde gewählt wurde, hätte ich nie gedacht, dass ein Berliner palästinensischen Ursprungs der jüdischen Gemeinde helfen würde, hier jüdisches Leben zu etablieren."
Saleh: "Das Menschliche verbindet."
Joffe: "Genau, genau, das ist das Wichtigste."