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Kaliningrad
Wirbel um Deutsch-Russisches Haus

Spionage, politische Ambitionen und sogar nationalistische Untriebe: Das Deutsch-Russische Haus in Kaliningrad ist aktuell Zielscheibe zahlreicher Verdächtigungen in der russischen Presse. Alles falsch, sagen die Verantwortlichen. Sie sehen sich als Opfer einer Hexenjagd.

Von Gesine Dornblüth |
    Hinter einer Wasserfläche ist ein großes Hochhaus und deneben ein kleines Ensemble historischer Gebäude zu sehen.
    Das Deutsch-Russische Haus in Kaliningrad beherrscht seit Tagen unfreiwillig die Schlagzeilen der russischen Presse. Zu Unrecht, finden die Verantwortlichen. (picture alliance / dpa / Soeren Stache)
    Im russischsprachigen Internet macht derzeit eine Nachricht aus Kaliningrad die Runde: Das russische Justizministerium habe das Deutsch-Russische Haus in Kaliningrad als "ausländischen Agenten" registriert. Die Meldung ist falsch, das Haus steht nicht im Register ausländischer Agenten. Der Präsident des Hauses, Wiktor Hoffmann, spricht von einer Kampagne.
    "Das ist eine Hexenjagd. Wir sind ein gemeinsames deutsch-russisches Projekt. Wir verstoßen gegen kein Gesetz."
    Das Deutsch-Russische Haus in Kaliningrad wurde Anfang der 90er-Jahre gegründet: Eine Begegnungsstätte, vor allem für deutschstämmige Übersiedler aus Zentralasien, die, statt in die Bundesrepublik auszuwandern, im ehemaligen Ostpreußen in Russland eine neue Heimat finden wollten. Das Projekt wurde von der russischen und der deutschen Regierung unterstützt. Zurzeit fließen etwa 80.000 Euro Bundesmittel im Jahr. Das wird dem Haus nun zum Verhängnis. Der Leiter, Wiktor Hoffmann:
    "Über uns wird sogar gesagt, wir seien ein trojanisches Pferd in Kaliningrad. So als würden wir mit deutschem Geld gegen Russland arbeiten."
    Falschmeldungen und unbegründete Verdächtigungen
    Das russische Justizministerium hat das Haus überprüft und festgestellt, dass es nicht nur Geld aus Deutschland erhält, sondern außerdem politisch tätig sei. Damit wären die Kriterien erfüllt, die Organisationen in Russland zum "ausländischen Agenten" machen. Doch Hoffmann hat gegen die Rechtmäßigkeit der Überprüfungen geklagt. Im Februar hat ein Bezirksgericht seine Klage abgewiesen, doch Hoffmann ging in Berufung. Das Berufungsverfahren läuft noch.
    Jetzt veröffentlichte das Bezirksgericht trotzdem seine nicht in Kraft getretene Entscheidung. Die Lokalpresse nahm das zum Anlass, zu behaupten, die Begegnungsstätte sei bereits im Agentenregister eingetragen. Einige Zeitungen berichten ferner über angebliche nationalistische Umtriebe im Deutsch-Russischen Haus.
    Möglicher Hintergrund des Ganzen: Vor zwei Jahren hatte der Kulturattaché des deutschen Generalkonsulates in der Begegnungsstätte das Vorgehen Russlands in der Ukraine kritisiert.
    Krawalle und Beschimpfungen
    Auch anderswo in Russland verschlechtert sich die Stimmung gegenüber deutschen Institutionen. Letzte Woche in Moskau. Das russische historische Zentrum "Memorial" veranstaltet einen Geschichtswettbewerb für Schüler, finanziert unter anderem von deutschen Stiftungen. Provokateure beschimpfen die russischen Lehrerinnen als Huren, ausländische Gäste gezielt als Faschisten. Den Vertreter der deutschen Körber-Stiftung trifft ein faules Ei. Dem Reporter des Deutschlandradios brüllen Männer hasserfüllt ins Gesicht, er begebe sich auf die Spuren Napoleons und Hitlers, mit deutschem Geld würde er russische Kinder verdummen.
    Hinter den Krawallen steht eine nationalistische Gruppierung, gegründet von einem Duma-Abgeordneten der Regierungspartei Einiges Russland.
    Julius Freytag-Loringhoven leitet die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung in Moskau. Er meint, derartige Störaktionen sollten vor allem russische Partnerorganisationen treffen. Aber auch die deutschen Stiftungen seien nicht mehr sakrosankt. Die Naumann-Stiftung richtet seit Jahren im Frühjahr gemeinsam mit einem russischen Oppositionspolitiker ein Wirtschaftsforum in Sibirien aus. Dieses Jahr war kein einziges Hotel bereit, das Forum zu beherbergen. Am Ende trafen sich die Teilnehmer in einem Café. Freytag-Loringhoven:
    "Im Großen und Ganzen haben wir in den Einzelfällen, wenn es echte Konflikte gab, immer von der russischen Seite, vom russischen Außenministerium, die Zusage bekommen, dass wir gewünscht und gewollt sind. Aber in dem Gesamttrend der stärker werdenden antiwestlichen Stimmungen häufen sich die Einzelfälle. "
    Unpolitisches als Konfliktvermeidung
    Die Naumann-Stiftung hat Konsequenzen gezogen. Sie halte zwar an den Zielen fest, so Freytag-Loringhoven, in Russland liberale Werte zu stärken,
    "aber gleichzeitig fangen wir auch an, Veranstaltungen in Bereichen zu organisieren, die unpolitischer sind, weil unsere Partner die Sorge haben, dass sie zum Ziel von Angriffen werden könnten, wenn sie zu offen die Verhältnisse im Land kritisieren."