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Kampf gegen Steueroasen
OECD: "Wichtig ist, dass die zentralen Länder mitmachen"

Im Kampf gegen die Steuervermeidungspraxis von Großkonzernen hat die OECD in Paris Empfehlungen vorgestellt. Nun sei es nicht mehr so leicht, "immaterielle Wirtschaftsgüter auf Steueroasen zu verlagern", sagte OECD-Steuerexperte Achim Pross im Deutschlandfunk.

Achim Pross im Gespräch mit Jessica Sturmberg |
    Großaufnahme eines roten Aktendeckels mit der Aufschrift "Steuerstrafakten in Sachen gegen..."
    Briefkastenfirmen, konzerninterne Verrechnungspreise oder Darlehenszinsen in Tochterfirmen in einer Steueroase: Die OECD will das Hin- und Herschieben von Steuerlast verhindern. (picture alliance / dpa)
    Jessica Sturmberg: Die Zutaten lauten: Briefkastenfirmen, Lizenzgebühren, konzerninterne Verrechnungspreise, Patente, Markenrechte oder Darlehenszinsen in Tochterfirmen in einer Steueroase. Diese Steuervermeidungspraxis, die Großkonzernen mit einer entsprechenden Struktur vorbehalten ist, höhlt Steuersysteme in Volkswirtschaften weltweit aus.
    Darum hatten sich im vergangenen Jahr die G20-Staaten auf einen Aktionsplan verständigt, den die Organisation für Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) erarbeiten sollte. Heute wurden in Paris die Ergebnisse vorgestellt und mit dabei Achim Pross, Leiter der Abteilung steuerliche Zusammenarbeit und Finanzverwaltung bei der OECD und mitverantwortlich für die Empfehlungen.
    Vor der Sendung habe ich Achim Pross gefragt, wie die OECD das Hin- und Herschieben von Steuerlast denn verhindern will.
    "Im Steuersystem fehlt es an Substanz und Transparenz"
    Achim Pross: Wir haben ein Steuersystem im internationalen Rahmen, das teilweise seit 1920 in den Grundfesten das gleiche geblieben ist, und da haben sich Löcher aufgetan. Da haben sich Löcher aufgetan, die zwischen den Staaten bestehen. Es fehlt an der Kohärenz, es gibt Doppelbesteuerung an der Grenze, aber auch doppelte Nichtbesteuerung. Es fehlt an Substanz, Sie können dort Gewinne erzielen, wo die wirtschaftliche Aktivität nicht stattfindet, und es fehlt an Transparenz. So haben wir es aufgebaut auf Kohärenz, Transparenz und Substanz und ganz konkrete Aktionen heute vorgeschlagen, die ersten sieben, wie es Konzernen in der Zukunft schwieriger werden wird, die Gewinne zu verlagern, und dass in Zukunft die Gewinne dort versteuert werden, wo die Wertschöpfung auch stattfindet.
    Sturmberg: Sagen Sie doch mal an einem Beispiel, wie konkret Sie das anpacken wollen.
    Pross: Sie nehmen eine Finanzierung, sichern sich damit in zum Beispiel Deutschland einen Zinsabzug, damit zahlt die deutsche Tochtergesellschaft weniger an Steuern, den wandeln Sie aber um in eine steuerbefreite Dividende in einem anderen Land, und so haben Sie weiße Einkünfte. Weiße Einkünfte sind solche, wo Sie zum einen einen Abzug in einem Land bekommen haben, aber niemand besteuert die entsprechenden Einkünfte. Das geht in Zukunft nicht mehr.
    "Wir haben die Verrechnungspreise angezogen"
    Das ist nur ein Beispiel. Wir haben noch mehrere andere Beispiele, wo die Gestaltungen, die wir kennen, nicht mehr gehen. Es ist nicht mehr so leicht, immaterielle Wirtschaftsgüter auf Steueroasen zu verlagern, weil wir auch die Verrechnungspreise entsprechend angezogen, klargestellt haben und noch weitere Arbeiten machen, also auch da weniger Möglichkeiten bestehen.
    Ein dritter Punkt: Wir werden auch das sogenannte Treaty-Shopping - Sie sind eine Briefkastengesellschaft und kaufen sich ein DBA (Doppelbesteuerungsabkommen). Alle unsere Mitgliedsstaaten schließen völkerrechtliche Verträge ab, die bestimmte Steuervergünstigungen für ihre Ansässigen einräumen, und da führt das dann häufig dazu, dass die, die dazu eigentlich gar nicht berechtigt sind, sich mit diesem DBA Vorteile einräumen, indem sie Zwischengesellschaften dort errichten, und das beschränken wir auch durch die sieben Empfehlungen, die heute rausgekommen sind.
    Sturmberg: Voraussetzung dafür ist ja, dass alle mitmachen. Ansonsten funktioniert das Ganze ja nicht. Wie wollen Sie das denn sicherstellen?
    Pross: Eine Sache, die wir uns schon sehr früh überlegt haben - und das ist auch einer der entscheidenden Gründe, warum hier bei der OECD nicht nur die OECD-Mitgliedsstaaten im Boot sitzen, sondern auch die G20-Staaten, und damit haben Sie 90 Prozent des globalen Bruttosozialprodukts und deswegen geht auch das ganze Paket, was wir heute vorgestellt haben, am Wochenende zu den G20-Finanzministern, wo es auf der Tagesordnung steht, und wenn es dort abgesegnet wird, geht es auch weiter zu den Regierungschefs, die sich im November in Brisbane treffen.
    "Es werden Lücken bleiben"
    Sturmberg: Wenn Sie sagen, 90 Prozent machen mit, eventuell, was ist denn mit den zehn Prozent? Reichen die nicht, damit das ganze Steuersparmodell noch weiter sein Unwesen treibt?
    Pross: Sicherlich schauen sie immer, dass Lücken bleiben. Wir haben auch einige Regelungen konstruiert, die nicht davon abhängen, dass jeder mitmacht. Was heißt das? Wir haben zum Beispiel im Bereich der hybriden Finanzgestaltung eine Regel, die dann gilt, wenn es beide machen, und eine andere Regel, die gilt, wenn es nur einer macht. Wir haben auch teilweise bei den Regelungen schon darüber nachgedacht, was passiert, wenn nicht alle mitmachen. Wichtig ist natürlich auch - das für viele Fragen der Verrechnungspreise -, dass die zentralen Länder mitmachen, und viele von denen, nicht alle, sind auch jetzt schon dabei.
    Sturmberg: Und wie optimistisch sind Sie, dass die Regierungschefs dem dann zustimmen werden?
    Pross: Das müssen wir sehen. Das ist eine Sache der Regierungschefs. Wir haben uns hier auf technischer Ebene geeinigt. Sie müssen auch wissen, dass wir bei der OECD keine Erlebnisaufsätze schreiben, sondern dass hier Ausschüsse sitzen, wo die Vertreter aller dieser Staaten an diesen Empfehlungen arbeiten, und so ist das, was Sie heute sehen, nicht eine Empfehlung des, wenn Sie so wollen, OECD-Sekretariats, sondern etwas, was aus diesen Ausschüssen, wo alle die Fachvertreter dieser Länder sitzen, schon abgesegnet ist.
    Sturmberg: Achim Pross von der OECD zum Kampf gegen Steueroasen und wie die Empfehlungen lauten von der OECD.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.