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Katar rüstet auf

Kein anderes Land der Welt drängt mit so viel Macht auf die sportpolitische Bühne wie Katar. So fand in dieser Woche eine große Konferenz zur Sicherheit im Sport in Doha statt und warf die Frage auf: Liegt die Rettung des Sports in der Wüste?

Von Tom Mustroph |
    Die Gefahren heißen Terrorismus, Doping, Wettbetrug und Gewalt von Hooligans. Das sagte Interpol-Direktor Khoo Boon Hui, der praktischerweise gleich im Aufsichtsrat von ICSS sitzt. Diesem Gremium gehören ebenfalls der frühere Chef der Londoner Polizei. Lord John Stevens, der einstige DFB-Schatzmeister und WM-Organisator Horst R. Schmidt, und Ali Soufan, ein ehemaliger Antiterrorismus-Experte des FBI an.

    Auch auf der operativen Ebene versammelt sich Prominenz. Helmut Spahn, ein ehemaliger Abteilungsleiter des BKA, hat seinen Job als Sicherheitsbeauftragter des DFB für die Arbeit als Geschäftsführender Direktor des ICSS aufgegeben. Spahn ist überzeugt, dass er in Doha mehr bewirken kann als vorher.

    "Der Sicherheitsapparat war über lange Jahre immer dadurch gekennzeichnet, dass es immer eines Desasters bedurft hatte, damit man mal in Bewegung kommt. So war es eigentlich überall."

    In Doha will Spahn Katastrophen frühzeitig erkennen und verhindern. Das passt gut zur Philosophie des Emirats.

    "Katar hat eine klare Vision für die nächsten 20 Jahre. Diese oft zitierte "Qatar Vision 2030". Und das ist eben Sport, es ist Ausbildung, es ist alles Gesundheit, alles am Menschen Orientierte, natürlich langfristig angelegt. Wie kann ich das Land aufstellen, wenn irgendwann diese Ressourcen nicht mehr da sind. Und sicherlich dann auch Wissen in dem Land zu generieren."

    Damit dieser Prozess in Gang kommt, werden keine Mühen gescheut. Der Kongress zur Sportsicherheit war eine Werbemaßnahme für das erst seit einem halben Jahr richtig operierende Unternehmen. Der Wissenschaftsdirektor des ICSS, Shaun McCarthy,strich in einer Studie über die ökonomischen und sozialen Effekte von Sportgroßveranstaltungen vor allem die positiven Folgen heraus. Ist es da Zufall, dass die Organisatoren von Olympia 2016 in Rio kurz darauf im Hinterzimmer für Vertragsverhandlungen mit der ICSS verschwanden? Mit dem sportjuristischen Institut der Sorbonne wurde ein Vertrag über gemeinsame Anstrengungen zur Vereinheitlichung der Gesetzeslage in Sachen Wettbetrug getroffen. Das ist ein heißes Thema. FIFA-Chefermittler Chris Eaton legte noch ein paar Kohlen drauf. Ihm geht es nicht mehr nur darum, diejenigen zu fassen, die Sportler und Schiedsrichter bestechen und bedrohen.

    "Wir gucken nach den Organisatoren, den Finanziers. Denn die korrumpieren nicht nur den Sport, sie korrumpieren auch die Buchmacher. Deren Agenten, Superagenten und Broker helfen den Betrügern, die Geldflüsse zu kontrollieren. Regierungen denken, das ist ein Problem, des Sports, aber das ist es nicht, es ist ein Kriminalitätsproblem. Und das ist Sache der Regierungen."

    Bei den jüngsten Wettskandalen in Europa, Asien, Afrika und Lateinamerika handelt es sich tatsächlich nicht mehr um die Art von Betrug, die man noch mit der Gier einzelner Sportler oder Gefälligkeiten gegenüber falschen Freunden erklären könnte.

    Nach Auffassung von Eaton, der zum 30. April die FIFA verlässt und ebenfalls beim ICSS anheuert, ist längst eine neue Dimension erreicht. Regelrechte kriminelle Kartelle organisieren global - und nicht nur auf den Fußball beschränkt - Wettbetrug.

    "Das Problem ist die Größe des illegalen Wettmarkts. Sie löst bei Kriminellen eine enorme Anziehungskraft aus, um an das Geld heranzukommen. Das Problem ist nicht ein Problem des Sports. Der Sport ist ein Opfer dieser Berge von Wetteinsätzen in Südostasien."

    Laut Eaton setzen die wichtigsten zwei Wettanbieter Südostasiens pro Woche jeweils zwei Milliarden Dollar um. Wenn davon zwei bis drei Prozent in den Taschen von Wettpaten landen, ist das eine stattliche Summe. Eaton zufolge liegt bei der Grenze von bis drei Prozent die Aufmerksamkeitsschwelle von Wettagenturen. Verluste, die darunter liegen, schreiben sie einfach ab.

    Für Helmut Spahn sind daher Wettbüros auch potentielle Kunden von ICSS.

    "Die zweite Frage, die immer entstanden ist, wo mich dann Ermittlungsbehörden, Polizei, Richter gefragt haben: Ja wo ist denn hier ein Geschädigter? Der Geschädigte sitzt meistens beim Wettbüro, weil hier plötzlich ganz andere Quoten aufgelaufen sind, Und bei den anderen Wettern, die im Prinzip die Wette gewonnen hätten. Nur die zu lokalisieren, das ist schwierig. Und deswegen sind Wettfirmen oder Agenturen, die das betreiben, sicherlich auch Ansprechpartner.""

    Der komplexe Ansatz von ICSS in Sachen Wettbetrug überzeugt. Was ICSS nicht leisten will und kann, ist polizeiliche Arbeit, versichert Helmut Spahn.

    ""Also wir werden nicht durch die Welt reisen und werden versuchen, Leute festnehmen und die irgendwo hier bei uns im Keller einsperren."

    Das ist angesichts der Ballung von Ex-Geheimdienstlern und Verhörspezialisten bei ICSS eine beruhigende Nachricht. Dass private Dienstleister eine Marktlücke bei der Sicherheit von Sportveranstaltungen erkennen, hat aber auch damit zu tun, dass Polizei und Regierungen solch eine Lücke haben entstehen lassen. Sollten sie sie schließen? Oder liegt das Heil tatsächlich im Outsourcing?