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Katholische Kirche in China
Heimliche Bischöfe

Katholiken in China sind vielen Repressalien ausgesetzt: Ihren Glauben können sie oft nur verborgen praktizieren. Das päpstliche Jahrbuch verschweigt deshalb auch die Namen der chinesischen Bischöfe - jedenfalls solange sie leben. Ein neues Buch handelt von den Nachrufen dieser Bischöfe - und verrät viel über die chinesische Untergrundkirche.

Von Thomas Migge |
    Begräbnisgottesdienst des ehemaligen Kopfs der katholischen Untergrundkirche in Shanghai, Bischof Joseph Fan Zhongliang am 22. März 2014
    Begräbnisgottesdienst des ehemaligen Kopfs der katholischen Untergrundkirche in Shanghai, Bischof Joseph Fan Zhongliang am 22. März 2014 (AFP PHOTO/ Peter Parks)
    "Die freie Glaubensausübung ist weltweit anerkannt. Aber in China wird das religiöse Credo verfolgt. In brutaler Art und Weise. Christen und ihre Geistlichen werden verhaftet, gefoltert und getötet."
    Mit einem eindringlichen Videoclip beschreiben in China lebende Christen die ständigen Repressionen, denen sie in diesem kommunistischen und offiziell radikal-laizistischen Regime ausgesetzt sind. Zu martialischer Musik werden Bilder gezeigt, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lassen: Vertreter der Staatsmacht überfallen friedlich lebende Christen und sperren sie in menschenunwürdige Lager. Der Videoclip übertreibe in keiner Weise, meint Padre Bernardo Cervellera, Asien-Missionar des päpstlichen Missionsinstituts und ausgewiesener Chinakenner:
    "Für die Katholiken in China existiert nur ein Mindestmaß an freier Religionsausübung. Allerdings nur für jene, die die staatliche Kontrolle über das katholische Leben akzeptieren. Das heißt: Der Katholik darf nur dann seinen Glauben offen ausüben, wenn er zu einem bestimmten Geistlichen geht, der einem bestimmten Bischof unterstellt ist, die allesamt vom Regime vorgeschrieben werden. Wer diese Bevormundung nicht akzeptiert, praktiziert seinen Glauben im Untergrund, in Privatwohnungen, auf Bauernhöfen etc."
    "Solange sie am leben sind, existieren die Bischöfe offiziell nicht für ihre Kirche"
    Der römischen Propaganda Fide, der Missionskongregation, zufolge, leben in China schätzungsweise 15 Millionen Katholiken. Davon gehören allerdings 5 Millionen der sogenannten Katholisch-Patriotischen Kirche an, also jener katholischen Staatskirche, in der die allmächtige Partei sämtliche Personalentscheidungen trifft. Das päpstliche Jahrbuch nennt rund 150 Erzdiözesen, Diözesen und apostolische Präfekturen. Die Namen der einzelnen Bischöfe in China werden allerdings in keinem päpstlichen Jahrbuch genannt. Jedenfalls nicht solange sie am Leben sind. Gianni Cardinali, Vatikanexperte der Tageszeitung "l'Avvenire", die von der italienischen Bischofskonferenz herausgegeben wird, publizierte vor kurzem ein Buch, das diese unbekannten Bischöfe Chinas präsentiert:
    "Mein Buch enthält alle Nachrufe katholischer Bischöfe in China von 2004 bis heute. Diese Nachrufe wurden, wie alle Nachrufe von Bischöfen der Kirche, im vatikanischen Amtsblatt, dem 'Osservatore Romano', veröffentlicht. Diesen Nachrufen kommt deshalb eine besondere Bedeutung zu, weil die Namen dieser Amtsträger während ihrer Lebenszeit nie genannt werden. Solange sie am leben sind, existieren sie offiziell nicht für ihre Kirche."
    "Diese Nachrufe sind kleine Biografien"
    Doch nach ihrem Tod bricht die Kirche dieses Schweigen. Cardinalis Buch mit den Nachrufen gibt Einblick in das Leben katholischer Würdenträger, die im Verborgenen wirkten, die ihr Leben riskierten, die jahre-, manchmal sogar jahrzehntelang in Lagern saßen. Erst beim genauen Lesen der einzelnen rund 100 Nachrufe wird deutlich, wie aktiv die katholische Untergrundkirche ist. Gianni Cardinali:
    "Diese Nachrufe sind kleine Biografien, die, soweit das möglich ist, darüber berichten, wo, wann und wie diese Geistlichen wirkten, was sie erleiden mussten im Umgang mit dem Regime und wie viele Gläubige ihre Diözesen umfassen. Einige dieser Biografien sind recht umfangreich, weil man von diesen Bischöfen und ihrer Arbeit viel weiß. Andere Nachrufe sind sehr kurz: Denn in diesen Fällen weiß man auch im Vatikan nur sehr wenig aus dem Leben dieser Bischöfe. Das waren Bischöfe, die den Großteil ihres Lebens als katholische Würdenträger in Lagern verbrachten."
    Weihe des Bischofs Liu Xinhong (Mitte) in der Stadt Wuhu im Osten Chinas am 03. Mai 2006. Papst Benedikt XVI. hatte zu der Weihe nicht seine Zustimmung gegeben
    Weihe des Bischofs Liu Xinhong (Mitte) in der Stadt Wuhu im Osten Chinas im Jahr 2006. Papst Benedikt XVI. hatte zu der Weihe nicht seine Zustimmung gegeben (EPA/ HE JUN/ dpa - Report)
    Wie etwa im Fall von Giovanni Han Dingxiang. Er war Bischof von Yongnian und starb am 9. September 2007. In Gianni Cardinalis Buch der Nachrufe ist über diesen 1939 geborenen Katholiken, der 1989 zum Bischof geweiht wurde, nur wenig zu lesen. Er ist ein typisches Beispiel für einen katholischen Geistlichen, der lange, sehr lange vom Regime weggesperrt worden war. Ganze 20 Jahre mußte er in einem Straf- und Arbeitslager verbringen, weil er seinem Glauben nicht abschwören und nicht mit der katholischen Staatskirche kollaborieren wollte. Die letzten Jahre vor seinem Tod war Giovanni Han Dingxiang verschwunden. Wahrscheinlich untergetaucht, um dort in Ruhe sterben zu können. Nur durch seine Gläubigen erfuhr der Vatikan vom Tod dieses Bischofs. Der Nachruf, den Cardinali in seinem Buch veröffentlicht hat, spricht auch vom Versuch des kommunistischen Regimes, den Ort des Grabes dieses Bischofs geheim zu halten. Vergeblich: Das Grab ist heute ein Pilgerort.
    "Blick in das ungemein vielseitige katholische Leben innerhalb der Diktatur Chinas"
    Die Lektüre der Nachrufe gibt dem Leser die Möglichkeit, einen Blick hinter die vom Regime in Peking hochgezogenen Mauern zu werfen. Deutlich wird dabei auch, wie unterschiedlich sich die einzelnen Bischöfe in einem Unterdrückungssystem wie dem chinesischen den Machthabern gegenüber verhielten, um Rom treu bleiben zu können - wie sie, so Gianni Cardinali, die Quadratur des Kreises versuchten:
    "Die Biografien der Bischöfe, das zeigen die Nachrufe, sind oftmals sehr unterschiedlich. Da gibt es Bischöfe, die nie mit dem Regime zusammengearbeitet haben, und dafür teuer bezahlen mussten. Dann gibt es Bischöfe, die nur im Untergrund agierten, Bischöfe, die vorgaben, mit den Kommunisten zu kollaborieren, um sich eine gewisse Autonomie erhalten zu können und um relativ ungestört dem Vatikan treu bleiben zu können. Und es gibt Bischöfe, die zunächst vom Regime ernannt wurden und später auch vom Vatikan, weil sie ganz im Sinn der Amtskirche agierten."