Mit seinem typisch verschmitzten Lächeln blickt George Clooney in die Kamera, in der Hand eine Tasse Espresso. Doch der Hollywoodstar trinkt keinen gewöhnlichen Kaffee in einem gewöhnlichen Hollywoodfilm - in fast schon kultverdächtigen Werbespots bewirbt er die Kaffeekapseln der Marke Nespresso. Seit einigen Jahren sind sowohl die Clooney-Werbefilme als auch die Kaffeeprodukte äußerst beliebt - die bunten Aluminiumkapseln mit dazugehörigen Maschinen und Accessoires sind in vielen westlichen Industrieländern fester Bestandteil morgendlicher Kaffeeroutinen geworden.
Damit haben die PR-Strategen von Nespresso laut der Publizistin Kathrin Hartmann einen Erfolg auf ganzer Linie produziert - nicht nur, weil Clooney einer der derzeit beliebtesten Filmstars ist, sondern auch so etwas wie das Gewissen der Branche, das immer wieder auf Missstände in der Welt hinweist. Clooney verleihe den umweltbedenklichen Kapseln des Mutterkonzerns Nestlé so ein vertrauenswürdiges Gesicht.
"Ethischer Konsum" unterstützt grüne Unternehmenslügen
Für Hartmann ist dies nur ein Beispiel von äußerst gelungenem Greenwashing - also der öffentlichkeitswirksamen Strategie von Unternehmen, ihre Produkte und Aktivitäten als vermeintlich nachhaltig, sozial engagiert oder umweltfreundlich darzustellen:
"Und so kommt es, dass ein überflüssiges, überteuertes Kaffeesystem, das eine Menge Müll produziert, Ressourcen verschwendet und Kleinbauern ausbeutet, nicht nur als ökologisch unbedenklich gelten kann, sondern sogar als Wohltat für Mensch, Natur und Klima."
Die Autorin klagt nicht nur Nestlé an, auch viele andere Unternehmen, die sie mit charakteristisch sarkastischer Schreibe als, "Ökogranaten" bezeichnet, seien Meister des Greenwashings. Darunter der Mineralölkonzern BP, der es nach der Explosion seiner Bohrplattform Deepwater Horizon im Jahr 2010 fast meisterlich geschafft habe, sich von den verheerenden Folgen der Katastrophe für Umwelt und Mensch reinzuwaschen.
Der vermeintlich aufgeklärte Kunde ist Teil des Problems
Ein anderes Beispiel für erfolgreiches Greenwashing sei die Textilindustrie, die sich dafür feiern lasse, dass sie neuerdings Bekleidung aus recyceltem Ozeanplastikmüll auf den Markt bringe. Zum einen verschleiern die Konzerne damit laut Hartmann die Tatsache, dass ihnen die natürlichen Rohstoffe ausgehen. Zum anderen lenkten sie mit gezielter Grünfärberei davon ab, dass die Branche mit ihrer Massenherstellung selbst einen Teil der Meeresverschmutzung zu verantworten habe:
"Die beste Ozeanjeans ist also die, die gar nicht erst hergestellt wird. Diese banale Erkenntnis taugt kaum für spektakuläre Weltrettungserzählungen, wie Unternehmen sie benötigen."
Schuldig machen sich für Hartmann aber nicht nur Großkonzerne und ganze Industriezweige, sondern auch kleine Start-ups, die Probleme hinter ihrem oft gut gemeinten Sozialunternehmertum verdeckten.
Die Autorin kritisiert zudem politische Institutionen auf globaler und nationaler Ebene, die sich zu "Handlangern" der Unternehmen machten. Und auch einige Umweltschutzorganisationen kommen in ihrem Buch gar nicht gut weg. Der WWF beispielsweise beteilige sich am Übertünchen systematischen Raubbaus an der Natur, so Hartmann, indem er dabei helfe, problematische Siegel für problematische Rohstoffe zu vergeben.
Mit erhobenem Zeigefinger
Die schlimmen Folgen von grüner Schönfärberei für Mensch, Tier und Umwelt hat die Journalistin im Rahmen ihrer Arbeit am Dokumentarfilm "The Green Lie" von Werner Boote teilweise aus der Nähe gesehen. Viele der von Hartmann berichteten Fälle dürften informierten Lesern zwar bekannt sein. Aber genau hier setzt eine starke These Hartmanns an: Viele - vor allem gut gebildete - Verbraucher wüssten zwar um die globalen Missstände, richteten sich aber lieber mit den grünen Lügen ein:
"Greenwashing funktioniert auch deshalb so gut, weil Angehörige westlicher Konsumgesellschaften gerne hören, dass alles so weitergehen kann wie bisher, ja, dass ihr überbordender Lebensstil selbst es sein könnte, der dafür sorgt, die Welt besser zu machen."
Dieser Irrglaube an den sogenannten "ethischen Konsum" und angeblich nachhaltige Technologie führt, der Autorin zufolge, auch dazu, dass sich unsere Gesellschaften weiter spalten - in diejenigen, die zwar ein hohes Umweltbewusstsein, aber gleichzeitig sehr oft auch einen hohen Ressourcenverbrauch hätten, und diejenigen, die sich den vermeintlich grünen Lebensstil nicht leisten könnten. Das kritisiert die Autorin scharf:
"Denn erstens wird aus einzelnen Einkaufsentscheidungen zwischen verschiedenen vermeintlich grünen Massenprodukten kein kollektives Ganzes, sondern höchstens ein privates gutes Gewissen. Zweitens tötet es jede Solidarität, wenn der Einzelne in einen moralischen Wettbewerb gegen den Nächsten geschickt wird, in dem der ‚gute‘ auf den ‚bösen‘ Verbraucher zur eigenen moralischen Erhebung mit dem Finger zeigt."
Hartmann fordert Engagement gegen Kapitalismus
Hartmanns eigener erhobener Zeigefinger wedelt - oftmals zu Recht - nicht minder aktiv durch die Kapitel des Buches. Wenig überraschend plädiert die Autorin dafür, den Kapitalismus als Ganzes zu bekämpfen, der die grünen Lügen systematisch hervorbringe.
Das energische, aber letztlich doch eher wenig originelle Plädoyer der Autorin für kleinen und großen politischen Widerstand kann man naiv finden. Andererseits: Sie glaubt an die Macht des kollektiven Widersetzens. Das ist ein erfrischender Kontrapunkt zu dem Zynismus, der die Welt an die im Buch beschriebenen Abgründe gebracht hat.
Kathrin Hartmann: "Die grüne Lüge. Weltrettung als profitables Geschäftsmodell"
Blessing Verlag, 240 Seiten, 15 Euro
Blessing Verlag, 240 Seiten, 15 Euro