Was sagen Politiker, die eine Diskussion abwürgen wollen?
"Die zu beschließenden Hilfen für Griechenland sind alternativlos, um die Finanzstabilität des Euro-Gebietes zu sichern."
Alternativlos.
Was sagen Politiker, die ihrem Gegner - verklausuliert - Faulheit unterstellen?
Renate Künast (Bündnis90/Grüne): "Hausaufgaben einer Verbraucherschutzministerin sind hier nicht gemacht worden."
Unerledigte Hausaufgaben.
Was sagen Politiker, die etwas kritisieren – die Kritik aber gleichzeitig wieder abschwächen wollen?
Norbert Röttgen, CDU: "Und darum ist die Finanzierungsdebatte, die dort jetzt angestoßen wird, äh ... eigentlich nicht zielführend."
Nicht zielführend.
Und was sagen Politiker, die ihre zerstrittenen Anhänger wieder auf Spur bringen wollen?
Gregor Gysi, Die Linke: "Jetzt wird gekämpft! Ab heute haben wir zu kämpfen!"
Graf von Nayhauß: "Ich war ja 30 Jahre lang Kolumnist der Bild-Zeitung. Und bei Bild muss man ja kurze Sätze schreiben und außerdem keine Fremdwörter verwenden. Das hat also sozusagen mir auch richtig auf dem Herzen gelegen, dazu was zu machen."
Berlin-Mitte, im Tagungszentrum der Bundespressekonferenz. Rund 60 zumeist ältere Herren mit Schlips und Anzug sowie ein paar Frauen in eleganten Kleidern. Mittendrin: ein dünner, 86-jähriger Mann: Mainhardt Graf von Nayhauß, Herausgeber des neuen Buches "Kauderwelsch – die Sprache der Politiker". Bildzeitung, knackige Schlagzeilen? Klar. Aber ist dort nicht - statt Kauderwelsch – eine Kampagnen-Sprache gefragt?
"Ja, aber dafür bin ich nicht zuständig. Ich drücke mich nicht um die Antwort. War also, wie gesagt, nur für meine Kolumnen zuständig. Und da fand so was nicht statt. Keine Kampagnen."
Graf von Nayhauß hat 21 Persönlichkeiten überzeugt, einen kurzen Text über politische Worthülsen und Phrasen zu schreiben. Parteivertreter, Journalisten, Moderatoren. Wie Klaus Bresser. Der Ex-ZDF-Chefredakteur ist überzeugt, dass Abgeordnete und Funktionäre häufig Dinge verschleiern wollen mit ihrem Kauderwelsch.
"Nehmen wir mal die Schlecker-Frauen. Die sind ja nicht rausgeworfen, entlassen worden – wie man auf Deutsch sagen würde – sondern sie sind 'dem Arbeitsmarkt zugeführt worden'. Das ist eine Lüge in sich."
"Oft habe ich an Wahlprogrammen oder Positionspapieren mitarbeiten dürfen. Selbstkritisch muss ich sagen: Was dort am Ende steht, kann oft alles und nichts bedeuten."
Räumt CSU-Politiker Michael Glos in dem Sammelband ein.
"Nächtelang feilen Mitarbeiter und Referenten an abstrusen Formulierungen, in denen sich am Ende jede noch so unbedeutende Parteigliederung wiederfinden muss. Und die dann kein Mensch mehr versteht. Mit der klaren Sprache geht dann die klare Position verloren. Die Menschen wenden sich ab von der Politik. Auch wegen der Sprache."
Andere Autoren, wie SPD-Chef Sigmar Gabriel, haben weniger klare Texte abgeliefert – sozusagen "ihre Hausaufgaben nicht gemacht". Gabriel benutzt Worthülsen wie:
"Das ist eine bleibend aktuelle Form der Aufklärung."
Herausgeber Graf von Nayhauß weiß, dass in seiner Anthologie nicht alle Kauderwelsch-Kapitel phrasenfrei sind. Schlechte Texte hat er nicht mit Rotstift korrigiert und den Schreibern zurück geschickt.
"Die Bedeutung des Betreffenden spielt ja auch eine Rolle für das Buch. Es ist eine Werbung für das Buch. Also nehme ich das in Kauf."
"Wenn Sie vom Hauptbahnhof in München mit zehn Minuten, ohne dass Sie am Flughafen noch einchecken müssen, dann starten Sie im Grunde genommen am Flughafen, am, am Hauptbahnhof in München starten Sie ihren Flug. Zehn Minuten! Wenn Sie vom Flug-, äh, vom Hauptbahnhof starten, Sie steigen in den Hauptbahnhof ein ..."
Eine der zahlreichen, mittlerweile legendären Worthülsen des bayerischen Ex-Ministerpräsidenten Edmund Stoiber, CSU. So etwas würde wohl einem Hans-Dietrich Genscher nicht passieren. Der ehemalige Außenminister hielt gestern Abend die Laudatio bei der Kauderwelsch-Buchvorstellung. Er selbst habe sich immer um eine deutliche Sprache bemüht, betont der FDP-Mann. Aber er gesteht:
"Ich habe mich an die alte und bewährte Regelung für das Verhältnis von Journalisten und Politikern gehalten. Der Journalist stellt die Frage. Er ist Herr der Frage. Der Politiker ist frei, was er antworten will – und er hat auch das Recht, die Frage auszuwechseln und eine andere Frage zu beantworten, als die, die gestellt war. Eine bewährte Methode, um die Botschaft, die man sich vorgenommen hat, auch wirklich unter die Leute bringen zu können."
Vorausgesetzt, die Politiker wissen selbst, was sie unter die Leute bringen wollen. Gerade wenn es um solch unsichere Sachen wie die Zukunft geht.
Angela Merkel (CDU): "Zukunft: Alles, was noch nicht gewesen ist, ist Zukunft, wenn es nicht gerade jetzt ist. So."
"Kauderwelsch in jeder Form hilft der Politik enorm."
Resümiert – in der neuen Textsammlung - der niedersächsische Ex-Redakteur, Ingenieur und Hobbydichter Arnold Kirchner.
"Allerdings heißt oft ihr Los: Fehlschuss! – Ging nach hinten los!"
"Die zu beschließenden Hilfen für Griechenland sind alternativlos, um die Finanzstabilität des Euro-Gebietes zu sichern."
Alternativlos.
Was sagen Politiker, die ihrem Gegner - verklausuliert - Faulheit unterstellen?
Renate Künast (Bündnis90/Grüne): "Hausaufgaben einer Verbraucherschutzministerin sind hier nicht gemacht worden."
Unerledigte Hausaufgaben.
Was sagen Politiker, die etwas kritisieren – die Kritik aber gleichzeitig wieder abschwächen wollen?
Norbert Röttgen, CDU: "Und darum ist die Finanzierungsdebatte, die dort jetzt angestoßen wird, äh ... eigentlich nicht zielführend."
Nicht zielführend.
Und was sagen Politiker, die ihre zerstrittenen Anhänger wieder auf Spur bringen wollen?
Gregor Gysi, Die Linke: "Jetzt wird gekämpft! Ab heute haben wir zu kämpfen!"
Graf von Nayhauß: "Ich war ja 30 Jahre lang Kolumnist der Bild-Zeitung. Und bei Bild muss man ja kurze Sätze schreiben und außerdem keine Fremdwörter verwenden. Das hat also sozusagen mir auch richtig auf dem Herzen gelegen, dazu was zu machen."
Berlin-Mitte, im Tagungszentrum der Bundespressekonferenz. Rund 60 zumeist ältere Herren mit Schlips und Anzug sowie ein paar Frauen in eleganten Kleidern. Mittendrin: ein dünner, 86-jähriger Mann: Mainhardt Graf von Nayhauß, Herausgeber des neuen Buches "Kauderwelsch – die Sprache der Politiker". Bildzeitung, knackige Schlagzeilen? Klar. Aber ist dort nicht - statt Kauderwelsch – eine Kampagnen-Sprache gefragt?
"Ja, aber dafür bin ich nicht zuständig. Ich drücke mich nicht um die Antwort. War also, wie gesagt, nur für meine Kolumnen zuständig. Und da fand so was nicht statt. Keine Kampagnen."
Graf von Nayhauß hat 21 Persönlichkeiten überzeugt, einen kurzen Text über politische Worthülsen und Phrasen zu schreiben. Parteivertreter, Journalisten, Moderatoren. Wie Klaus Bresser. Der Ex-ZDF-Chefredakteur ist überzeugt, dass Abgeordnete und Funktionäre häufig Dinge verschleiern wollen mit ihrem Kauderwelsch.
"Nehmen wir mal die Schlecker-Frauen. Die sind ja nicht rausgeworfen, entlassen worden – wie man auf Deutsch sagen würde – sondern sie sind 'dem Arbeitsmarkt zugeführt worden'. Das ist eine Lüge in sich."
"Oft habe ich an Wahlprogrammen oder Positionspapieren mitarbeiten dürfen. Selbstkritisch muss ich sagen: Was dort am Ende steht, kann oft alles und nichts bedeuten."
Räumt CSU-Politiker Michael Glos in dem Sammelband ein.
"Nächtelang feilen Mitarbeiter und Referenten an abstrusen Formulierungen, in denen sich am Ende jede noch so unbedeutende Parteigliederung wiederfinden muss. Und die dann kein Mensch mehr versteht. Mit der klaren Sprache geht dann die klare Position verloren. Die Menschen wenden sich ab von der Politik. Auch wegen der Sprache."
Andere Autoren, wie SPD-Chef Sigmar Gabriel, haben weniger klare Texte abgeliefert – sozusagen "ihre Hausaufgaben nicht gemacht". Gabriel benutzt Worthülsen wie:
"Das ist eine bleibend aktuelle Form der Aufklärung."
Herausgeber Graf von Nayhauß weiß, dass in seiner Anthologie nicht alle Kauderwelsch-Kapitel phrasenfrei sind. Schlechte Texte hat er nicht mit Rotstift korrigiert und den Schreibern zurück geschickt.
"Die Bedeutung des Betreffenden spielt ja auch eine Rolle für das Buch. Es ist eine Werbung für das Buch. Also nehme ich das in Kauf."
"Wenn Sie vom Hauptbahnhof in München mit zehn Minuten, ohne dass Sie am Flughafen noch einchecken müssen, dann starten Sie im Grunde genommen am Flughafen, am, am Hauptbahnhof in München starten Sie ihren Flug. Zehn Minuten! Wenn Sie vom Flug-, äh, vom Hauptbahnhof starten, Sie steigen in den Hauptbahnhof ein ..."
Eine der zahlreichen, mittlerweile legendären Worthülsen des bayerischen Ex-Ministerpräsidenten Edmund Stoiber, CSU. So etwas würde wohl einem Hans-Dietrich Genscher nicht passieren. Der ehemalige Außenminister hielt gestern Abend die Laudatio bei der Kauderwelsch-Buchvorstellung. Er selbst habe sich immer um eine deutliche Sprache bemüht, betont der FDP-Mann. Aber er gesteht:
"Ich habe mich an die alte und bewährte Regelung für das Verhältnis von Journalisten und Politikern gehalten. Der Journalist stellt die Frage. Er ist Herr der Frage. Der Politiker ist frei, was er antworten will – und er hat auch das Recht, die Frage auszuwechseln und eine andere Frage zu beantworten, als die, die gestellt war. Eine bewährte Methode, um die Botschaft, die man sich vorgenommen hat, auch wirklich unter die Leute bringen zu können."
Vorausgesetzt, die Politiker wissen selbst, was sie unter die Leute bringen wollen. Gerade wenn es um solch unsichere Sachen wie die Zukunft geht.
Angela Merkel (CDU): "Zukunft: Alles, was noch nicht gewesen ist, ist Zukunft, wenn es nicht gerade jetzt ist. So."
"Kauderwelsch in jeder Form hilft der Politik enorm."
Resümiert – in der neuen Textsammlung - der niedersächsische Ex-Redakteur, Ingenieur und Hobbydichter Arnold Kirchner.
"Allerdings heißt oft ihr Los: Fehlschuss! – Ging nach hinten los!"