So eine Chance gibt es nur einmal - das dachten viele in Frankfurt, als die Stadt vor zwei Jahren beschloss, das technische Rathaus abreißen zu lassen. Das Technische Rathaus ist ein grauer Koloss aus Waschbeton, in dem Teile der Stadtverwaltung untergebracht sind. Der Bau ist gerade mal 35 Jahre alt, aber schon längst als Bausünde verschrien und außerdem mit Asbest verseucht. Und jetzt, da die Bausünde verschwinden soll, sehen viele die Chance, das wieder aufzubauen, was früher dort war, nämlich die gotische Altstadt. Das Gewirr aus Gassen, Plätzen und Fachwerkhäusern brannte 1944 in einer Bombennacht nieder. Aber im kollektiven Gedächtnis steht die Altstadt schon wieder. Dafür sorgte nicht zuletzt die Bürgerinitiative "Pro Altstadt". Die Fachwerk-Fans gewannen sofort die Oberhand in der öffentlichen Diskussion. Das merkte auch Oberbürgermeisterin Petra Roth. Als sie zur Bürgerversammlung ins Rathaus lud, wurde ihr von einer Bürgerin regelrecht gedroht:
"Ich habe miterlebt, wie wunderschöne alte Häuser niedergerissen wurden, und ich habe geweint. Ich plädiere für den Wiederaufbau der Altstadt. Und ich sage Ihnen eins: Wenn sie nicht mitziehen, werde ich ein Bürgerbegehren hier ins Leben rufen!"
Und das brachte Roth offenbar ins Grübeln. Eigentlich hatte die Stadtpolitik ganz andere Pläne für das Altstadt-Areal. In einem städtebaulichen Wettbewerb hatten Politiker fast aller Parteien einen modernen Entwurf zum Sieger gekürt. Direkt vor den Frankfurter Dom sollte ein großer Hotelbau gesetzt werden, daneben drei Geschäftsgebäude. Aber je lauter die öffentliche Kritik wurde, desto weniger Freunde hatte der moderne Entwurf. Und kurz vor der Oberbürgermeisterwahl Anfang des Jahres schwenkte auch Petra Roth auf die Fachwerk-Linie ein:
"Ich will, dass auf dem historischen Grundriss von 1944 historische Fassaden für die Häuser, die dort gebaut werden, verwendet werden."
Wenn es so kommt, hätte sich in Frankfurt tatsächlich der gefühlte Bürgerwille durchgesetzt. Demnächst will das schwarz-grüne Regierungsbündnis in Frankfurt eine Bebauung beschließen, die sich an der historischen Altstadt anlehnt. Der Stadtverordnete Uli Baier von den Frankfurter Grünen hatte im Planungswettbewerb zwar für den modernen Entwurf gestimmt, der in der Öffentlichkeit so schlecht ankam. Aber als Verlierer fühlt er sich trotzdem nicht.
"Weil natürlich jetzt - hinterher gesehen - diese Diskussion unter den Bürgerinnen und Bürgern außerordentlich fruchtbar war. Der Wettbewerb hat vorher eine Diskussion versäumt, um zu fragen, wie die Bürger sich das vorstellen. Ich und die Grünen treten seit Jahrzehnten dafür ein, dass ein Wettbewerb vorher – ein halbes oder ein Jahr vorgeschaltet - eine Diskussion unter den Bürger haben sollte, und dann erst ein Wettbewerb ausgelobt wird. Die Stadt macht es aber leider oft umgekehrt."
Wenig Bürgerbeteiligung gab es auch beim Neubau der Europäischen Zentralbank im Frankfurter Ostend. Dort will die Bank in den nächsten Jahren zwei große Türme errichten, rund 180 Meter hoch und mit voll verspiegelten Fassaden. Wie zwei glitzernde Bergkristalle sollen sie aus dem Boden wachsen, allerdings genau da, wo schon ein Baudenkmal steht: Die ehemalige Frankfurter Großmarkthalle. In dieser Industriehalle aus den 1920er Jahren wurden bis vor wenigen Jahren noch Fleisch, Obst und Gemüse gehandelt. Sie galt als der Bauch Frankfurts, und dieser Bauch soll jetzt vom Tresor Europas durchlöchert werden. Aber das Stadtparlament habe da nicht viel mitzureden gehabt, sagt der Grüne Uli Baier:
"Das war ein ganz enger, exklusiver Kreis, den die europäische Zentralbank hier eingeladen hat. Die Europäische Zentralbank ist kein Investor wie jeder andere. Das sind verschiedene Banken in Europa und davon die Spitzen. Und die bestimmen dann schon, wen sie einladen oder nicht. Und unsere Frage ist nur die: Gibt die Stadt das Planungsrecht und an welcher Stelle beharrt die Stadt auf dem Denkmalschutz. Und da sind eine ganze Reihe von Änderungen des ursprünglichen Entwurfs durchgesetzt worden."
Immerhin: Die Großmarkthalle soll weitgehend erhalten bleiben und sogar in den EZB-Neubau einbezogen werden. Allerdings sollen zwei Anbauten verschwinden, und das tut dem obersten hessischen Denkmalschützer Gerd Weiß weh, sagt er.
"Denn natürlich ist der Abriss der Annexbauten, der jetzt noch hingenommen werden musste, etwas, was wir sehr bedauerlich fanden, weil es auch einfach im Rahmen des Ausgreifen dieses Baus in den freien Raum hinein und des Verhältnisses von Außenraum zu Innenraum besonders schmerzhaft war."
Weiß war einer der ganz wenigen, die bis zuletzt für die Unversehrtheit der Halle kämpften. Die Diskussion füllte zwar über Wochen die Zeitungsseiten, aber es gab - anders als bei der Altstadt-Debatte - weder Bürgerinitiativen noch Diskussionsabende.
Manchmal reicht aber auch eine einzige Aktivistin, um ein großes Projekt zu stoppen. Sie muss nur unbestechlich sein. So wie die Politologin Hannelore Kraus, die neben dem Hauptbahnhof eine Pension betreibt. Eine Investorengruppe wollte vor 20 Jahren in unmittelbarer Nachbarschaft einen 300 Meter hohen Büroturm errichten, der ihre Pension buchstäblich in den Schatten gestellt hätte. Angeblich boten sie Kraus damals acht Millionen Mark, damit sie ihren Widerstand aufgab. Sie gab aber nicht auf, und verhinderte den Baubeginn vor Gericht. Jetzt wollen die Investoren einen neuen Anlauf nehmen. Kraus glaubt, dass mögliche Spekulationsgewinne die Triebfeder sind:
"Selbst wenn das Haus in Zukunft leer stehen würde, also praktisch nur ein Monument, ein Pfeiler im Gelände wäre, wäre es für diese Gruppe ein Gewinn."
Dass sie das Hochhaus am Hauptbahnhof noch einmal verhindern kann, ist allerdings unwahrscheinlich. Das Planungsrecht hat sich nämlich geändert. Und breiten öffentlichen Widerstand wird es wohl auch nicht geben. Denn bei ihrer Pension geht es weder um Fachwerk noch um Denkmalschutz. Und deshalb gibt es bisher auch weder Bürgerinitiativen noch Zeitungsdebatten. Aber vielleicht geht den Investoren ja auch selbst die Luft aus, auch das hat es in Frankfurt oft genug gegeben.
"Ich habe miterlebt, wie wunderschöne alte Häuser niedergerissen wurden, und ich habe geweint. Ich plädiere für den Wiederaufbau der Altstadt. Und ich sage Ihnen eins: Wenn sie nicht mitziehen, werde ich ein Bürgerbegehren hier ins Leben rufen!"
Und das brachte Roth offenbar ins Grübeln. Eigentlich hatte die Stadtpolitik ganz andere Pläne für das Altstadt-Areal. In einem städtebaulichen Wettbewerb hatten Politiker fast aller Parteien einen modernen Entwurf zum Sieger gekürt. Direkt vor den Frankfurter Dom sollte ein großer Hotelbau gesetzt werden, daneben drei Geschäftsgebäude. Aber je lauter die öffentliche Kritik wurde, desto weniger Freunde hatte der moderne Entwurf. Und kurz vor der Oberbürgermeisterwahl Anfang des Jahres schwenkte auch Petra Roth auf die Fachwerk-Linie ein:
"Ich will, dass auf dem historischen Grundriss von 1944 historische Fassaden für die Häuser, die dort gebaut werden, verwendet werden."
Wenn es so kommt, hätte sich in Frankfurt tatsächlich der gefühlte Bürgerwille durchgesetzt. Demnächst will das schwarz-grüne Regierungsbündnis in Frankfurt eine Bebauung beschließen, die sich an der historischen Altstadt anlehnt. Der Stadtverordnete Uli Baier von den Frankfurter Grünen hatte im Planungswettbewerb zwar für den modernen Entwurf gestimmt, der in der Öffentlichkeit so schlecht ankam. Aber als Verlierer fühlt er sich trotzdem nicht.
"Weil natürlich jetzt - hinterher gesehen - diese Diskussion unter den Bürgerinnen und Bürgern außerordentlich fruchtbar war. Der Wettbewerb hat vorher eine Diskussion versäumt, um zu fragen, wie die Bürger sich das vorstellen. Ich und die Grünen treten seit Jahrzehnten dafür ein, dass ein Wettbewerb vorher – ein halbes oder ein Jahr vorgeschaltet - eine Diskussion unter den Bürger haben sollte, und dann erst ein Wettbewerb ausgelobt wird. Die Stadt macht es aber leider oft umgekehrt."
Wenig Bürgerbeteiligung gab es auch beim Neubau der Europäischen Zentralbank im Frankfurter Ostend. Dort will die Bank in den nächsten Jahren zwei große Türme errichten, rund 180 Meter hoch und mit voll verspiegelten Fassaden. Wie zwei glitzernde Bergkristalle sollen sie aus dem Boden wachsen, allerdings genau da, wo schon ein Baudenkmal steht: Die ehemalige Frankfurter Großmarkthalle. In dieser Industriehalle aus den 1920er Jahren wurden bis vor wenigen Jahren noch Fleisch, Obst und Gemüse gehandelt. Sie galt als der Bauch Frankfurts, und dieser Bauch soll jetzt vom Tresor Europas durchlöchert werden. Aber das Stadtparlament habe da nicht viel mitzureden gehabt, sagt der Grüne Uli Baier:
"Das war ein ganz enger, exklusiver Kreis, den die europäische Zentralbank hier eingeladen hat. Die Europäische Zentralbank ist kein Investor wie jeder andere. Das sind verschiedene Banken in Europa und davon die Spitzen. Und die bestimmen dann schon, wen sie einladen oder nicht. Und unsere Frage ist nur die: Gibt die Stadt das Planungsrecht und an welcher Stelle beharrt die Stadt auf dem Denkmalschutz. Und da sind eine ganze Reihe von Änderungen des ursprünglichen Entwurfs durchgesetzt worden."
Immerhin: Die Großmarkthalle soll weitgehend erhalten bleiben und sogar in den EZB-Neubau einbezogen werden. Allerdings sollen zwei Anbauten verschwinden, und das tut dem obersten hessischen Denkmalschützer Gerd Weiß weh, sagt er.
"Denn natürlich ist der Abriss der Annexbauten, der jetzt noch hingenommen werden musste, etwas, was wir sehr bedauerlich fanden, weil es auch einfach im Rahmen des Ausgreifen dieses Baus in den freien Raum hinein und des Verhältnisses von Außenraum zu Innenraum besonders schmerzhaft war."
Weiß war einer der ganz wenigen, die bis zuletzt für die Unversehrtheit der Halle kämpften. Die Diskussion füllte zwar über Wochen die Zeitungsseiten, aber es gab - anders als bei der Altstadt-Debatte - weder Bürgerinitiativen noch Diskussionsabende.
Manchmal reicht aber auch eine einzige Aktivistin, um ein großes Projekt zu stoppen. Sie muss nur unbestechlich sein. So wie die Politologin Hannelore Kraus, die neben dem Hauptbahnhof eine Pension betreibt. Eine Investorengruppe wollte vor 20 Jahren in unmittelbarer Nachbarschaft einen 300 Meter hohen Büroturm errichten, der ihre Pension buchstäblich in den Schatten gestellt hätte. Angeblich boten sie Kraus damals acht Millionen Mark, damit sie ihren Widerstand aufgab. Sie gab aber nicht auf, und verhinderte den Baubeginn vor Gericht. Jetzt wollen die Investoren einen neuen Anlauf nehmen. Kraus glaubt, dass mögliche Spekulationsgewinne die Triebfeder sind:
"Selbst wenn das Haus in Zukunft leer stehen würde, also praktisch nur ein Monument, ein Pfeiler im Gelände wäre, wäre es für diese Gruppe ein Gewinn."
Dass sie das Hochhaus am Hauptbahnhof noch einmal verhindern kann, ist allerdings unwahrscheinlich. Das Planungsrecht hat sich nämlich geändert. Und breiten öffentlichen Widerstand wird es wohl auch nicht geben. Denn bei ihrer Pension geht es weder um Fachwerk noch um Denkmalschutz. Und deshalb gibt es bisher auch weder Bürgerinitiativen noch Zeitungsdebatten. Aber vielleicht geht den Investoren ja auch selbst die Luft aus, auch das hat es in Frankfurt oft genug gegeben.