Moritz Küpper: In diesen Tagen gibt es viele Menschen, die sich als große Anhänger des Frauenfußballs outen. Einer, der das Geschehen schon länger verfolgt, ist dagegen Günter Grass. Der Literatur-Nobelpreisträger ist ein großer Fan der gerade laufenden Spiele und hat mir vor dieser Sendung gesagt, was ihm am Frauenfußball so besonders gefällt.
Günter Grass: Ich empfinde ihn, was ja immer gefährlich ist, ihn mit dem Männerfußball zu vergleichen: Es läuft, wenn man mal dieses Nigeria-Spiel auslässt, fairer zu, es gibt weniger Fouls, es ist noch stärker ein Mannschaftsspiel, ein betontes Mannschaftsspiel, und das hat für mich – das sage ich natürlich nur als Mann – einen zusätzlichen ästhetischen Reiz. Ich finde also auch die Spielerinnen – ich bin natürlich, was die deutsche Mannschaft betrifft, vertrauter als andere – sehr individuell ausgeprägt und ihr ganzes Auftreten in der Öffentlichkeit ist differenzierter, als ich es von männlichen Fußballern bis jetzt erfahren habe.
Küpper: Sie haben auch gesagt, Sie befürchten eine Kommerzialisierung des Frauenfußballs.
Grass: Ja, das ist natürlich die große Gefahr. Also wenn ich das vergleiche, wie sagen wir mal ein Schweinsteiger, was ihn auch als jungen Mann völlig überfordert, im Jahr über zwei Millionen verdient und vielleicht die Prinz an die 100.000-Grenze gerade herankommt, dann ist das natürlich eine blödsinnige Diskrepanz zwischen beiden Positionen. Aber es wäre sicher nicht gut, wenn sich der Frauenfußball ein Beispiel nähme an dem, was im Männerfußball geschieht, also im Grunde eine moderne Form hochdotierter Sklaverei. Die Spieler sind nicht mehr Herr ihrer eigenen Entscheidung, meistens sind Berater dabei, der Marktpreis wird jeweils von den Vereinen beim Verkauf oder Ankauf bestimmt, und das ist auch eine nicht würdige Situation für diese jungen Leute, die ja, was man voraussehen kann, dieser Situation auf die Dauer auch nicht gewachsen sein werden.
Küpper: Glauben Sie denn, dass es wirklich im Frauenfußball so schnell gehen wird, dass man diesen Status ...
Grass: Nein, sicher nicht. Aber ich kann nur hoffen, dass man sich dieser Gefahren bewusst ist.
Küpper: Kommen wir noch mal zur WM, die gerade läuft. Sie haben schon gesagt, Sie halten Frankreich für einen Geheimfavoriten, Deutschland ist in der Favoritenrolle, Japan.
Grass: Ja, natürlich, sicher. Und nach wie vor Brasilien.
Küpper: Glauben Sie denn, dass die deutsche Mannschaft es schaffen wird, zum dritten Mal Weltmeister zu werden?
Grass: Ich möchte das anzweifeln. Da muss sie sich jetzt fangen. Die beiden ersten Spiele, sie haben die zwar gewonnen, mühsam, ... da muss noch etwas in der Mannschaft geschehen. Aber das ist auch gleichgültig. Es ist gar nicht notwendig, dass sie wieder Weltmeister werden. Das ist eine wunderbare Veranstaltung, sehr gut und sympathisch vorbereitet von der Steffi Jones und dagegen ist nichts zu machen. Was ich blödsinnig finde, wie sich da Politiker ranschmeißen, also wie die Bundeskanzlerin jede Gelegenheit nutzt. Ihre Begabung, sich in den Medien darzustellen, mag sie im politischen Bereich suchen, aber wie sie da mit den Spielerinnen in die Kabine hineingeht, das gefällt mir nicht.
Küpper: Liegt das vielleicht auch daran, dass um diese Frauen-Weltmeisterschaft ein großer Hype entstanden ist, der dem Frauenfußball generell ja gar nicht so gerecht wird, weil der generell gar nicht so in der Öffentlichkeit steht, sondern dass die WM jetzt mehr als ein Event inszeniert ist, oder wie erklären Sie sich den großen Zuspruch? Während eines Frauen-Bundesliga-Spiels liegt die Zuschauerzahl ja in den Hunderten, nicht in den Tausenden.
Grass: Der Frauenfußball ist gegen den Widerstand der Männer durchgesetzt worden, und das läuft natürlich parallel zu anderen Entwicklungen, also das, was man Emanzipation nennt, dass Frauen ins Berufsleben drängen, ein anderes Selbstverständnis. Das ist ja ein politischer Kampf gewesen, der auch mit der 68er-Bewegung zu tun hatte und weiter gegangen ist und eine lange Vorgeschichte bis ins 19. Jahrhundert hat. August Bebel mit seinem Buch "Die Frau und der Sozialismus" ist wegweisend gewesen, aber so lange hat es gedauert. Da war an Frauenfußball noch nicht zu denken. Das wird seinen Weg gehen und ich finde das großartig.
Küpper: Glauben Sie denn, abschließende Frage, dass der Frauenfußball nach der WM, die ja jetzt eine große Aufmerksamkeit hat, wieder in ein Loch fallen wird, in ein vielleicht zu tiefes Loch?
Grass: Nein, das glaube ich nicht. Nein, nein. Ich glaube sogar, dass es jetzt schon eine gute Werbung ist, dass andere Fußball-Vereine, Männerfußball-Vereine sich auch überlegen werden, ob das Werder Bremen ist oder wer immer auch, was für ihre Frauen-Mannschaft zu tun, oder überhaupt eine zuzulassen und zu gründen, und dass es innerhalb der Liga des Frauenfußballs einen richtigen Aufwärtstrieb geben wird.
Küpper: ... , und das werden wir dann in der neuen Saison sehen. – Literatur-Nobelpreisträger Günter Grass über eine seiner Leidenschaften: den Frauenfußball.
Günter Grass: Ich empfinde ihn, was ja immer gefährlich ist, ihn mit dem Männerfußball zu vergleichen: Es läuft, wenn man mal dieses Nigeria-Spiel auslässt, fairer zu, es gibt weniger Fouls, es ist noch stärker ein Mannschaftsspiel, ein betontes Mannschaftsspiel, und das hat für mich – das sage ich natürlich nur als Mann – einen zusätzlichen ästhetischen Reiz. Ich finde also auch die Spielerinnen – ich bin natürlich, was die deutsche Mannschaft betrifft, vertrauter als andere – sehr individuell ausgeprägt und ihr ganzes Auftreten in der Öffentlichkeit ist differenzierter, als ich es von männlichen Fußballern bis jetzt erfahren habe.
Küpper: Sie haben auch gesagt, Sie befürchten eine Kommerzialisierung des Frauenfußballs.
Grass: Ja, das ist natürlich die große Gefahr. Also wenn ich das vergleiche, wie sagen wir mal ein Schweinsteiger, was ihn auch als jungen Mann völlig überfordert, im Jahr über zwei Millionen verdient und vielleicht die Prinz an die 100.000-Grenze gerade herankommt, dann ist das natürlich eine blödsinnige Diskrepanz zwischen beiden Positionen. Aber es wäre sicher nicht gut, wenn sich der Frauenfußball ein Beispiel nähme an dem, was im Männerfußball geschieht, also im Grunde eine moderne Form hochdotierter Sklaverei. Die Spieler sind nicht mehr Herr ihrer eigenen Entscheidung, meistens sind Berater dabei, der Marktpreis wird jeweils von den Vereinen beim Verkauf oder Ankauf bestimmt, und das ist auch eine nicht würdige Situation für diese jungen Leute, die ja, was man voraussehen kann, dieser Situation auf die Dauer auch nicht gewachsen sein werden.
Küpper: Glauben Sie denn, dass es wirklich im Frauenfußball so schnell gehen wird, dass man diesen Status ...
Grass: Nein, sicher nicht. Aber ich kann nur hoffen, dass man sich dieser Gefahren bewusst ist.
Küpper: Kommen wir noch mal zur WM, die gerade läuft. Sie haben schon gesagt, Sie halten Frankreich für einen Geheimfavoriten, Deutschland ist in der Favoritenrolle, Japan.
Grass: Ja, natürlich, sicher. Und nach wie vor Brasilien.
Küpper: Glauben Sie denn, dass die deutsche Mannschaft es schaffen wird, zum dritten Mal Weltmeister zu werden?
Grass: Ich möchte das anzweifeln. Da muss sie sich jetzt fangen. Die beiden ersten Spiele, sie haben die zwar gewonnen, mühsam, ... da muss noch etwas in der Mannschaft geschehen. Aber das ist auch gleichgültig. Es ist gar nicht notwendig, dass sie wieder Weltmeister werden. Das ist eine wunderbare Veranstaltung, sehr gut und sympathisch vorbereitet von der Steffi Jones und dagegen ist nichts zu machen. Was ich blödsinnig finde, wie sich da Politiker ranschmeißen, also wie die Bundeskanzlerin jede Gelegenheit nutzt. Ihre Begabung, sich in den Medien darzustellen, mag sie im politischen Bereich suchen, aber wie sie da mit den Spielerinnen in die Kabine hineingeht, das gefällt mir nicht.
Küpper: Liegt das vielleicht auch daran, dass um diese Frauen-Weltmeisterschaft ein großer Hype entstanden ist, der dem Frauenfußball generell ja gar nicht so gerecht wird, weil der generell gar nicht so in der Öffentlichkeit steht, sondern dass die WM jetzt mehr als ein Event inszeniert ist, oder wie erklären Sie sich den großen Zuspruch? Während eines Frauen-Bundesliga-Spiels liegt die Zuschauerzahl ja in den Hunderten, nicht in den Tausenden.
Grass: Der Frauenfußball ist gegen den Widerstand der Männer durchgesetzt worden, und das läuft natürlich parallel zu anderen Entwicklungen, also das, was man Emanzipation nennt, dass Frauen ins Berufsleben drängen, ein anderes Selbstverständnis. Das ist ja ein politischer Kampf gewesen, der auch mit der 68er-Bewegung zu tun hatte und weiter gegangen ist und eine lange Vorgeschichte bis ins 19. Jahrhundert hat. August Bebel mit seinem Buch "Die Frau und der Sozialismus" ist wegweisend gewesen, aber so lange hat es gedauert. Da war an Frauenfußball noch nicht zu denken. Das wird seinen Weg gehen und ich finde das großartig.
Küpper: Glauben Sie denn, abschließende Frage, dass der Frauenfußball nach der WM, die ja jetzt eine große Aufmerksamkeit hat, wieder in ein Loch fallen wird, in ein vielleicht zu tiefes Loch?
Grass: Nein, das glaube ich nicht. Nein, nein. Ich glaube sogar, dass es jetzt schon eine gute Werbung ist, dass andere Fußball-Vereine, Männerfußball-Vereine sich auch überlegen werden, ob das Werder Bremen ist oder wer immer auch, was für ihre Frauen-Mannschaft zu tun, oder überhaupt eine zuzulassen und zu gründen, und dass es innerhalb der Liga des Frauenfußballs einen richtigen Aufwärtstrieb geben wird.
Küpper: ... , und das werden wir dann in der neuen Saison sehen. – Literatur-Nobelpreisträger Günter Grass über eine seiner Leidenschaften: den Frauenfußball.
Berichterstattung während der Frauenfußball-WM
In Deutschland werden die öffentlich-rechtlichen TV-Anstalten ARD und ZDF 28 der 32 Turnierspiele live übertragen. Die restlichen vier Spiele werden bei Einsfestival und ZDFinfokanal zu sehen sein. Die Spiele des deutschen Teams und das Finale werden auch in unserem Live-Stream über den Kanal Dokumente und Debatten übertragen. Aus lizenzrechtlichen Gründen wird er jedoch bei Fußballübetragungen nur in Deutschland abzurufen sein. Einen Überblick über die Sendungen zur Frauenfußball-WM finden Sie hier. Im FIFA Frauen-WM 2011 Sammelportal finden Sie alle dradio.de-Beiträge vor, während und nach der WM.
Die Übersicht über alle Spiele auf den DFB-Seiten
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