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Keine Pralinen mehr aus der Ukraine

Beim Gipfeltreffen der Östlichen Partnerschaft der EU Ende November in Vilnius will die Ukraine ein Assoziierungsabkommen unterzeichnen. Der russische Präsident Putin dagegen will, dass die Ukraine und andere Länder stattdessen der Zollunion mit Russland beitreten und übt Druck raus.

Von Gesine Dornblüth |
    Russlands Präsident Wladimir Putin sagt es oft und deutlich: Die Östliche Partnerschaft der Europäischen Union gefährde die Interessen Russlands und schade auch den betroffenen Ländern selbst. Putin bei einem internationalen Forum Mitte September:

    "Unser Problem ist folgendes: Wenn die Zollbestimmungen zwischen der Ukraine und der EU weiter gelockert werden, wird der ukrainische Markt mit qualitativ hochwertigen, relativ billigen Produkten aus Europa überschwemmt. Diese Produkte werden die ukrainischen Erzeugnisse verdrängen - und zwar wohin? Zu uns, nach Russland. Davor müssen wir unseren Markt schützen. Wenn die Ukraine das Assoziierungsabkommen mit der EU unterzeichnet, werden wir die Einfuhren aus der Ukraine begrenzen müssen. Wir müssen einfach an unsere nationalen Interessen denken."

    Und wie um den Ukrainern einen Vorgeschmack darauf zu geben, hat Russland vor gut zwei Monaten die Einfuhr ukrainischer Pralinen gestoppt, wegen angeblicher Qualitätsmängel. Das Verbot trifft vor allem den milliardenschweren Süßwarenfabrikanten Petro Poroschenko. Er sitzt im Parlament der Ukraine und ist ein großer Verfechter der Westintegration.

    Russland will, dass die Ukraine der Zollunion beitritt. Bisher sind dort Russland, Kasachstan und Weißrussland Mitglied. Später soll daraus die Eurasische Union werden, eine Art Gegenstück zur EU, das die gesamte ehemalige Sowjetunion mit Ausnahme des Baltikums umfassen soll. Ein solches Bündnis verspreche Wettbewerbsvorteile für alle Mitglieder, so Putin, auch für die Ukraine.

    "Wir gehen davon aus, dass, wenn die Ukraine der Zollunion beitreten und wir unsere Kräfte vereinigen würden, wir größere Chancen hätten, bei Verhandlungen mit der EU mehr für uns herauszuholen, in der Wirtschaft, im Handel."

    Doch die Ukraine sträubt sich. Ebenso die kleine Republik Moldau. Aus Putins Sicht ist das völlig irrational. Denn auch für die Republik Moldau seien die Vorteile einer Zollunion viel größer als die einer Assoziierung mit der EU, so der russische Präsident.

    "Wohin soll denn bitte die Republik Moldau ihren Wein verkaufen? Etwa nach Frankreich? Die Franzosen lassen sicher keine einzige Flasche moldauischen Wein auf ihren Markt. Oder die Italiener: Die schnappen sich die Flaschen, schlagen sie kaputt und gießen den Inhalt in die Gosse. Der moldauische Wein kommt auf unseren Markt! Hundertprozentig."

    In Russland ist moldauischer Wein nach wie vor beliebt. Zurzeit müssen die Russen allerdings darauf verzichten. Russlands oberster Verbraucherschützer Gennadij Onnischtschenko hat den Import Mitte September verboten, bald nach dem Verbot ukrainischer Pralinen, gleichfalls aus Qualitätsgründen.

    Während die Regierungen in Kiew und in der moldauischen Hauptstadt Chischinau dem Druck aus Russland widerstehen, ist ein anderes Land der Östlichen Partnerschaft eingeknickt: Armenien im Südkaukasus. Anfang September kündigte Armeniens Präsident Sersch Sargsyan bei einem Besuch in Moskau an, sein Land wolle der Zollunion mit Russland beitreten. Sargsyan begründete das mit den nationalen Interessen Armeniens:

    "Armenien hat sich vor 20 Jahren entschieden, seine militärische Sicherheit im Rahmen der Organisation für Kollektive Sicherheit zu gestalten, in Partnerschaft mit Russland und anderen GUS-Staaten. Unsere Partner planen jetzt ein analoges Format für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Es ist unmöglich und ineffektiv, in der militärischen Organisation Mitglied zu sein, sich aus der wirtschaftlichen aber herauszuhalten."

    Der Schritt kam überraschend. Armenien galt bis dahin gemeinsam mit der Republik Moldau und Georgien als einer der besseren Kandidaten für vertiefte Beziehungen mit der EU. Nun hat sich das Land für ein Assoziierungsabkommen mit der EU disqualifiziert, denn eine Mitgliedschaft in der Zollunion mit Russland und eine Assoziierung mit der EU schließen einander aus.

    Offenbar war der Druck aus Russland zu groß. Armenien hängt wirtschaftlich und militärisch an Moskau und hat aufgrund mangelnder diplomatischer Beziehungen zu seinen Nachbarländern Türkei und Aserbaidschan keine Chance, sich aus der Abhängigkeit von Russland zu befreien. Russlands Präsident Putin stellte dem Gast aus Armenien prompt weitere russische Investitionen in den Energiesektor des Landes in Aussicht, in die armenische Eisenbahn, in das Bankensystem. Moskau hält an seinem altbewährten Prinzip im Umgang mit den Nachbarn fest: Zuckerbrot und Peitsche.