Manfred Götzke: Kein Job, kein Geld, keine Perspektive, und das trotz Studium. Das war einer der wichtigsten Auslöser für den Arabischen Frühling. In Tunesien, Ägypten oder Libyen gingen die Proteste von den Studierenden aus und dann auf den Rest der Bevölkerung über. Mittlerweile sind die Demonstrationen längst nach Syrien übergeschwappt, wo Präsident Assad Demonstrationen von Scharfschützen erschießen lässt. Viel erfahren wir nicht über die Situation im Land, weil kaum noch Journalisten vor Ort sind. Einen sehr guten Einblick hat dagegen Ulrike Mitter. Sie ist DAAD-Lektorin in Syrien, seit Ende April zwar wieder in Deutschland, steht aber in engem Kontakt mit ihren Studierenden in Damaskus. Frau Mitter, ist der Aufruhr gegen das Assad-Regime ebenfalls ein Aufstand der Jugend, der Studierenden?
Ulrike Mitter: Aus meiner Sicht kann ich das so nicht bestätigen. Als ich dort war – und die Situation hat sich nicht geändert, wie gesagt, ich stehe in Kontakt noch mit Studenten und Professoren – gibt es zwar kleinere Demonstrationen auch vonseiten der Studenten an der Universität in Damaskus, an der Universität in Aleppo. Aber man kann nicht sagen, dass das von den Studenten ausgeht, sondern es hat einen ganz anderen Ausgangspunkt genommen und ist zum Teil auf die Studenten übergegangen.
Götzke: An den Universitäten, an den Hochschulen läuft alles wie gehabt?
Mitter: Ja, also zurzeit ist Prüfungszeit. Wir sind ja leider, also meine Kollegen und ich sind leider nicht im Lande, aber wir stehen im Kontakt mit unserem Fachbereichsleiter. Wir reichen ihm die Prüfungsfragen per E-Mail weiter, er führt dann die Prüfungen durch. Es ist gerade Prüfungszeit, die Prüfungen werden normal abgenommen, die Universität ist geöffnet, da ist nichts geändert.
Götzke: Wie erleben Ihre Studierenden in Damaskus die Situation? Beteiligen die sich an den regelmäßigen Demonstrationen nach dem Freitagsgebet oder bleiben die lieber zu Hause?
Mitter: Das ist sehr gemischt. Ich würde sagen, wahrscheinlich wie die syrische Bevölkerung da auch sehr gemischt ist. Einige haben mir persönlich erzählt, also auch ohne jegliche Scheu, einfach auf dem Flur der Universität darüber gesprochen, dass sie sich beteiligt haben, dass sie auch nicht unbedingt jetzt den Sturz des Präsidenten möchten, aber dass sie einfach in Freiheit leben wollen und genug haben von dem Geheimdienst und so weiter. Also da haben die sich zum Teil auch beteiligt, andere nicht. Andere haben nach Pro-Assad-Demonstrationen auch Fähnchen noch am nächsten Tag mit herumgetragen. Alle hören immer sehr gespannt dann die Reden des Präsidenten an. Es ist einfach sehr gemischt. Viele halten sich heraus und gehen freitags zum Beispiel nicht auf die Straße. Das ist so bei den meisten, auch bei den jungen Leuten, die ich so kenne, dass sie sagen, wir bleiben freitags lieber zu Hause, warten ab, bis dann die Lage wieder ruhig ist, und dann am Samstag, Sonntag geht ja der Alltag dann wieder los, also die Woche. Da ist dann in Damaskus das Leben völlig normal, was man sich hier auch immer nicht so vorstellen kann. Die Leute gehen einkaufen, gehen auf die Straße, also es ist ganz normales Alltagsleben.
Götzke: Gestern erreichte uns die Meldung, dass 100 Studierende verhaftet worden seien in Damaskus. Vorgestern soll es Tote gegeben haben bei einem Aufruhr in einem Studentenwohnheim – was wissen Sie darüber?
Mitter: In Damaskus selbst, also ich kann da auch sprechen über meine Mitarbeiterin, mit der ich hier auch in engem Kontakt stehe, die wiederum auch Kontakt zu Studenten hat, da ist mindestens nicht bekannt geworden. Man kann jetzt nicht sagen, dass Damaskus jetzt in Unruhe ist, dass die Stimmung irgendwie umgeschlagen hätte. Also es ist alles ganz normal. Man spricht darüber nicht. Für mich hat sich dann daraus der Eindruck ergeben, dass da womöglich ein kleiner Aufruhr war, warum auch immer. Das ist natürlich schon auch häufiger, dass sich vielleicht Studenten nicht beteiligen wollten an den Pro-Assad-Demonstrationen und dass es dann zu Schlägereien gekommen ist mit Sicherheitskräften, also das ist relativ wahrscheinlich. Dass es zu Toten gekommen ist, halte ich eher für unwahrscheinlich, weil man nichts davon gehört hat.
Götzke: In Tunesien und Ägypten war wie gesagt die Perspektivlosigkeit der jungen Leute, auch gut ausgebildeter junger Leute ein Auslöser für die Revolte – wie steht es denn um die berufliche Zukunft junger Syrer?
Mitter: Das ist natürlich auch ein Problem. Die Jugendarbeitslosigkeit, die Arbeitslosigkeit der jungen Leute ist relativ groß. Viele versuchen auch, erst mal im Ausland ein Studium zu absolvieren, weil man dann auch in Syrien sehr gute Chancen hat oder bessere Chancen hat, eine Arbeit zu bekommen. Viele versuchen natürlich auch, nach Deutschland zu kommen. Gerade welche, die schon immer mal im Ausland studieren wollten, die versuchen jetzt, ihr Visum zu beantragen, was übrigens auch relativ normal geht. Auch unsere Stipendiaten gehen zur Botschaft, bekommen ihr Visum, reisen aus, Flugzeuge fliegen normal. Die Aussichten sind schon nicht so sehr gut, aber wir hatten bisher immer den Eindruck, dass es in Syrien vielleicht noch ein bisschen besser geht als in anderen Ländern, jedenfalls nicht, dass die Mehrheit der Studenten den Umsturz möchte oder die auch Verzweiflung so sehr groß ist wie jetzt in anderen Ländern, dass kein anderer Ausweg bleibt.
Götzke: Verlassen denn momentan mehr junge Leute, mehr Studierende das Land als sonst?
Mitter: Ich denke mal. Es versuchen jetzt vermehrt auch welche, das Schengenvisum zu bekommen, weil das einfacher zu bekommen ist. Aber die Botschaft guckt sich das dann noch genauer an, die prüft sehr genau, ob die Rückkehrwilligkeit auch gegeben ist, und da ist dann schon festzustellen, dass viele versuchen, auch in Deutschland dann zu bleiben. Aber es ist nicht so, dass man sagen kann, dass es in großem Ausmaß ist. Was auf jeden Fall nicht gegeben ist, dass jetzt eine Abwanderung von Studenten festzustellen ist oder überhaupt von Syrern ins Ausland, auch womöglich Richtung Türkei. Dorthin begeben sich Personen, die in den grenznahen Gebieten leben, aber dass aus Damaskus jemand in die Türkei flieht, also das wäre mir überhaupt nicht bekannt.
Ulrike Mitter: Aus meiner Sicht kann ich das so nicht bestätigen. Als ich dort war – und die Situation hat sich nicht geändert, wie gesagt, ich stehe in Kontakt noch mit Studenten und Professoren – gibt es zwar kleinere Demonstrationen auch vonseiten der Studenten an der Universität in Damaskus, an der Universität in Aleppo. Aber man kann nicht sagen, dass das von den Studenten ausgeht, sondern es hat einen ganz anderen Ausgangspunkt genommen und ist zum Teil auf die Studenten übergegangen.
Götzke: An den Universitäten, an den Hochschulen läuft alles wie gehabt?
Mitter: Ja, also zurzeit ist Prüfungszeit. Wir sind ja leider, also meine Kollegen und ich sind leider nicht im Lande, aber wir stehen im Kontakt mit unserem Fachbereichsleiter. Wir reichen ihm die Prüfungsfragen per E-Mail weiter, er führt dann die Prüfungen durch. Es ist gerade Prüfungszeit, die Prüfungen werden normal abgenommen, die Universität ist geöffnet, da ist nichts geändert.
Götzke: Wie erleben Ihre Studierenden in Damaskus die Situation? Beteiligen die sich an den regelmäßigen Demonstrationen nach dem Freitagsgebet oder bleiben die lieber zu Hause?
Mitter: Das ist sehr gemischt. Ich würde sagen, wahrscheinlich wie die syrische Bevölkerung da auch sehr gemischt ist. Einige haben mir persönlich erzählt, also auch ohne jegliche Scheu, einfach auf dem Flur der Universität darüber gesprochen, dass sie sich beteiligt haben, dass sie auch nicht unbedingt jetzt den Sturz des Präsidenten möchten, aber dass sie einfach in Freiheit leben wollen und genug haben von dem Geheimdienst und so weiter. Also da haben die sich zum Teil auch beteiligt, andere nicht. Andere haben nach Pro-Assad-Demonstrationen auch Fähnchen noch am nächsten Tag mit herumgetragen. Alle hören immer sehr gespannt dann die Reden des Präsidenten an. Es ist einfach sehr gemischt. Viele halten sich heraus und gehen freitags zum Beispiel nicht auf die Straße. Das ist so bei den meisten, auch bei den jungen Leuten, die ich so kenne, dass sie sagen, wir bleiben freitags lieber zu Hause, warten ab, bis dann die Lage wieder ruhig ist, und dann am Samstag, Sonntag geht ja der Alltag dann wieder los, also die Woche. Da ist dann in Damaskus das Leben völlig normal, was man sich hier auch immer nicht so vorstellen kann. Die Leute gehen einkaufen, gehen auf die Straße, also es ist ganz normales Alltagsleben.
Götzke: Gestern erreichte uns die Meldung, dass 100 Studierende verhaftet worden seien in Damaskus. Vorgestern soll es Tote gegeben haben bei einem Aufruhr in einem Studentenwohnheim – was wissen Sie darüber?
Mitter: In Damaskus selbst, also ich kann da auch sprechen über meine Mitarbeiterin, mit der ich hier auch in engem Kontakt stehe, die wiederum auch Kontakt zu Studenten hat, da ist mindestens nicht bekannt geworden. Man kann jetzt nicht sagen, dass Damaskus jetzt in Unruhe ist, dass die Stimmung irgendwie umgeschlagen hätte. Also es ist alles ganz normal. Man spricht darüber nicht. Für mich hat sich dann daraus der Eindruck ergeben, dass da womöglich ein kleiner Aufruhr war, warum auch immer. Das ist natürlich schon auch häufiger, dass sich vielleicht Studenten nicht beteiligen wollten an den Pro-Assad-Demonstrationen und dass es dann zu Schlägereien gekommen ist mit Sicherheitskräften, also das ist relativ wahrscheinlich. Dass es zu Toten gekommen ist, halte ich eher für unwahrscheinlich, weil man nichts davon gehört hat.
Götzke: In Tunesien und Ägypten war wie gesagt die Perspektivlosigkeit der jungen Leute, auch gut ausgebildeter junger Leute ein Auslöser für die Revolte – wie steht es denn um die berufliche Zukunft junger Syrer?
Mitter: Das ist natürlich auch ein Problem. Die Jugendarbeitslosigkeit, die Arbeitslosigkeit der jungen Leute ist relativ groß. Viele versuchen auch, erst mal im Ausland ein Studium zu absolvieren, weil man dann auch in Syrien sehr gute Chancen hat oder bessere Chancen hat, eine Arbeit zu bekommen. Viele versuchen natürlich auch, nach Deutschland zu kommen. Gerade welche, die schon immer mal im Ausland studieren wollten, die versuchen jetzt, ihr Visum zu beantragen, was übrigens auch relativ normal geht. Auch unsere Stipendiaten gehen zur Botschaft, bekommen ihr Visum, reisen aus, Flugzeuge fliegen normal. Die Aussichten sind schon nicht so sehr gut, aber wir hatten bisher immer den Eindruck, dass es in Syrien vielleicht noch ein bisschen besser geht als in anderen Ländern, jedenfalls nicht, dass die Mehrheit der Studenten den Umsturz möchte oder die auch Verzweiflung so sehr groß ist wie jetzt in anderen Ländern, dass kein anderer Ausweg bleibt.
Götzke: Verlassen denn momentan mehr junge Leute, mehr Studierende das Land als sonst?
Mitter: Ich denke mal. Es versuchen jetzt vermehrt auch welche, das Schengenvisum zu bekommen, weil das einfacher zu bekommen ist. Aber die Botschaft guckt sich das dann noch genauer an, die prüft sehr genau, ob die Rückkehrwilligkeit auch gegeben ist, und da ist dann schon festzustellen, dass viele versuchen, auch in Deutschland dann zu bleiben. Aber es ist nicht so, dass man sagen kann, dass es in großem Ausmaß ist. Was auf jeden Fall nicht gegeben ist, dass jetzt eine Abwanderung von Studenten festzustellen ist oder überhaupt von Syrern ins Ausland, auch womöglich Richtung Türkei. Dorthin begeben sich Personen, die in den grenznahen Gebieten leben, aber dass aus Damaskus jemand in die Türkei flieht, also das wäre mir überhaupt nicht bekannt.