Arndt Reuning: Vor sechzehn Jahren wurde ein alter Metallkessel gefunden - in einem Grabhügel nicht weit entfernt von der Heuneburg, einer alten Keltensiedlung im heutigen Oberschwaben. Dieser Bronzekessel stammt aus der Hallstattzeit und hatte einst ein alkoholisches Getränk enthalten, das man offenbar dem Verstorbenen mit ins Grab gegeben hatte.
Die Überreste im Inneren enthielten Pollen zweier Pflanzen: Zum einen die von Minze und zum anderen die von echtem Mädesüß. Das ist ein Staudengewächs, das zum Würzen von Honigwein verwendet wurde.
Einem Team aus den USA ist es nun gelungen, diesen Trank aus dem Kessel nachzubrauen. Mit Hilfe einer Brauerei und unter der Leitung von Bettina Arnold. Sie ist Professorin an der Universität von Wisconsin in Milwaukee. Von ihr wollte ich wissen, woher sie das Rezept für den Trank hatte?
Bettina Arnold: Wir wissen das natürlich zumindest einigermaßen. In diesem Fall enthielt der Kessel 14 Liter von diesem Getränk, und dann musste man eben einigermaßen das über den Daumen peilen, also wie viel Wasser und wie viel Honig und so weiter.
Hoher Alkoholgehalt und unerwartet trocken im Geschmack
Reuning: Und entstanden ist so eine Art Mischung aus Met, Honigwein und Bier - wie schmeckt das Ganze dann?
Arnold: Ja, komischerweise nicht so wie zum Beispiel Met, das man, sagen wir mal, so auf einem mittelalterlichen Fest oder sowas normal bekommen würde, was eher ein bisschen süßlich ist. Also die Hefe war da ziemlich glücklich in diesem Gemisch und hat wirklich alles, den ganzen gesamten Zucker quasi aufgefressen, was natürlich auch heißt, dass der Alkoholgehalt dementsprechend ziemlich hoch war.
Also eher trocken; ich würde fast sagen, wie fast so eine ziemlich trockene Mostart, aber interessanterweise hat man … Also die Minze, die haben wir frisch mit reingemischt. Die Minze hat man eigentlich geschmeckt, das hätte ich eigentlich nicht gedacht, und zwar ganz am Anfang, und dann wurde es eben dann doch ein bisschen … Dann kam das Mädesüß zur Geltung, was eher ein bisschen bitter ist. Das ist natürlich auch vom Hopfen dann noch mal als, ja, auf Englisch sagt man preservative, Konservierungsmittel, und das wurde … auch um eben diesen ziemlich süßen Honig dann einigermaßen nicht ganz so stark durchkommen ließ. Das war dann eher schon ein bisschen bitter, aber nicht schlecht. Also sagen wir mal so: Die Kombination war eigentlich ganz interessant, also eher trocken.
Reuning: Gibt es denn Pläne, dieses Getränk aus der Keltenzeit tatsächlich zu vermarkten?
Arnold: Ja, wir sind jetzt mit Lakefront dabei, uns zu überlegen, wie wir das jetzt weiter vielleicht machen wollen, und wenn wir es vermarkten würden, dann auf jeden Fall nicht 8,2 Prozent Alkohol. Das war das erste, das wir uns überlegt haben, das müsste man schon hinkriegen können anhand von den Brauverfahren, also dass man das dann ein bisschen niedriger gestaltet. Aber vom Geschmack her, glaube ich schon, dass man diese zwei Zutaten eben, das Mädesüß und die Minze, dass man die auf jeden Fall produzieren könnte als ein Getränk, das Lakefront dann verkaufen könnte.
Also da müssen wir wahrscheinlich schon auch ein bisschen noch mit dem Getränk selber experimentieren, aber wir wollen es versuchen. Es sind schon vielleicht 15 sogenannte Barrels für nächstes Jahr im Gespräch. Dann gibt es natürlich auch einige zusätzliche eisenzeitliche Befunde auch aus Bronzegefäßen, die wir theoretisch auch nachbrauen könnten, weil Mädesüß nämlich nicht die einzige Zutat ist, die man bis jetzt kennt für solche Getränke.
"Bring your own beer"-Party nach dem Tod?
Reuning: Ich denke, da kann man nur Vermutungen anstellen, aber warum haben die Kelten damals dem Verstorbenen gut 15 Liter eines alkoholischen Getränks mit ins Grab gegeben?
Arnold: Ja, das ist auch so eine Sache: Also hier in den Staaten, wenn man zum Beispiel zu einer Party eingeladen wird, steht oft auf der Einladung "BYOB", also das heißt "bring your own beer", und man muss sich diese andere Welt quasi oder die nächste Welt eben bei den Kelten so ähnlich vorstellen.
Um als Elite wieder einigermaßen dort anzutreten, musste man nicht nur die Gefäße, sondern auch das eigentliche Getränk mitbringen, um sofort sozusagen einer Gefolgschaft dieses Getränk dann vorstellen zu können oder vorlegen zu können, und das gehörte offenbar dazu. Was interessant ist an diesem Grab, ist, dass es kein Zentralgrab gewesen ist, sondern ein sogenanntes Sekundärgrab.
Es war also nicht eins von den wirklich herausragenden reichen Gräbern, aber trotzdem haben sie eben diesen Kessel mit diesem Gemisch in das Grab gestellt. Also es war schon eine ungewöhnliche Person, sagen wir mal so, ja. Das hat eben, glaube ich, dazu geführt, dass man ihm dieses Getränk dann auch mitgegeben hat in diese nächste Welt.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.