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Kenias Flüchtlingslager Dadaab
Wie Vögel im Käfig

Das Flüchtlingslager Dadaab in Kenia existiert bereits seit 25 Jahren und beherbergt rund 350.000 Menschen. Nun will Kenia das Lager schließen - ungeachtet der Appelle der internationalen Gemeinschaft. Der Vorwurf: In Dadaab würden Terroristen ausgebildet und Anschläge geplant. Doch das letzte Wort über das Flüchtlingslager ist wohl noch nicht gesprochen.

Von Linda Staude |
    Ein Kind sitzt neben einer bröckelnden Schlammwand im Flüchtlingslager Dadaab in Kenia.
    Das Flüchtlingslager Dadaab soll nun geschlossen werden. (AFP - TONY KARUMBA)
    Es ist total unsicher in Somalia, wir gehen nicht dorthin zurück. Die Flüchtlinge in Dadaab haben Angst. Und sie sind wütend. Kenia hat jetzt bereits zum dritten Mal gedroht, sie alle hinauszuwerfen – aus dem Lager und aus dem Land. Aber diesmal scheint es ernster zu sein.
    Kenia ist fest entschlossen, Dadaab zu schließen, bekräftigte Innenminister Joseph Nkaissery in der vergangenen Woche. Nachdem das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR, die internationale Gemeinschaft und eine ganze Reihe von Hilfsorganisationen an die kenianische Regierung appelliert hatten, die Entscheidung noch einmal zu überdenken: "Die Regierung hat diese Entscheidung angesichts der Tatsache getroffen, dass das Camp eine Herberge für Terroristen geworden ist, ein Zentrum für Schmuggel und die Verbreitung illegaler Waffen."
    Wer einmal im Lager ist, bleibt dort
    Außerdem sei das Lager eine untragbare finanzielle Bürde für Kenia und eine immense Belastung für die Umwelt. Dadaab existiert bereits seit 25 Jahren und beherbergt rund 350.000 Menschen. Mohammed Abd Abdullahi war erst zwei, als seine Mutter mit ihm aus Somalia geflüchtet ist: "Ich kenne nur dieses Camp, keinen anderen Ort. Wir kennen unser Land Somalia nicht. Wir sind wie Vögel im Käfig, die nirgends anders hin können."
    Eine Einbürgerung gibt es nicht in Kenia. Wer einmal im Lager ist, bleibt dort – selbst "Flüchtlinge" der zweiten oder sogar dritten Generation. Die Menschen sitzen fest – und haben es satt, dass sie nach jedem Terroranschlag unter Generalverdacht stehen. "Der Verantwortliche für den Anschlag auf die Universität von Garissa war ein gebildeter Kenianer aus Mandera. Niemand aus dem Flüchtlingslager war an diesem Anschlag beteiligt."
    Die kenianische Regierung hat bisher keinen einzigen Beweis für ihre Behauptung vorgelegt, dass in Dadaab Terroristen ausgebildet oder Anschläge geplant wurden. Den Innenminister kümmert dieses Argument nicht: "Es kommt eine Zeit, zu der wir uns in erster Linie um die Sicherheit unseres eigenen Volkes kümmern müssen. Und das ist jetzt."
    Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen
    Warum gerade jetzt, könnte damit zusammenhängen, dass der Präsident kürzlich seine Kampagne für seine Wiederwahl im kommenden Jahr gestartet hat. Ein demonstrativer Einsatz für die nationale Sicherheit macht sich da gut. Selbst wenn er gegen internationales Recht verstößt, so Duke Mwancha vom UNHCR: "Eine Rückumsiedlung von Flüchtlingen muss freiwillig geschehen. Die Menschen müssen sich selbst für eine Rückkehr entscheiden können. Nach internationalem Recht kann sie niemand dazu zwingen."
    Auch wenn die kenianische Regierung das mit der kühlen Bemerkung zurückweist, dass Europa sich in der Flüchtlingsfrage genauso wenig um internationale Konventionen kümmert: Das letzte Wort über Dadaab ist wohl noch nicht gesprochen. Eine Delegation des UN-Sicherheitsrates ist auf dem Weg nach Kenia, um unter anderem über die Zukunft des Camps zu reden. Der UN-Generalsekretär persönlich hat Präsident Uhuru Kenyatta telefonisch gebeten, am Abkommen über eine freiwillige Rückkehr der Flüchtlinge festzuhalten. Ban Ki Moon will noch in diesem Monat seinen Stellvertreter nach Nairobi senden, um Kenias Beschwerden zu diskutieren.