Wir nehmen eine Nummer kleiner - und machen eine Dampferfahrt auf der Förde. Wobei die heutigen Fahrgastschiffe natürlich keine "Dampfer" sind, auch wenn sie in Kiel noch so genannt werden.
Und dazu stellen wir uns jetzt - hier, im Lieblingshafen Wilhelm des Zweiten - "Kaiserwetter" vor, blauen Himmel und eine leichte Brise.
Ein Stündchen Seefahrt bis Laboe, wo die Förde in die Ostsee mündet.
Hier, wo sie zwischen Kaimauern endet und unsere Reise beginnt, entsteht - auf dem Ostufer gegenüber - gerade die neue "Kai-City". Eine Fußgängerbrücke führt hinüber. Ein Hochhaus und ein Gebäuderiegel stehen schon da, und im schmalen Hafenbecken davor liegen ein paar Traditionssegler.
Kiel ist Deutschlands nördlichste Landeshauptstadt und mit der alljährlichen "Kieler Woche" Schauplatz des größten Segel-Events weltweit.Von der Förde hat Kiel seinen Namen: Als "Holstenstadt tom Kyle" wurde die Stadt im 13. Jahrhundert gegründet. Mit "Kyl" ist die Ostsee gemeint, die hier wie ein "Keil" ins Land eindringt.
Dieser Naturhafen hat Kiel geprägt und wurde der Marine- und Werftenstadt im Zweiten Weltkrieg zum Verhängnis. Sie wurde bei Luftangriffen zu 80 Prozent zerstört. Mit berühmten Sehenswürdigkeiten kann Kiel nicht auftrumpfen. Seine Schokoladenseite ist die Förde.
Noch immer gilt, was ein Besucher im Jahre 1849 festhielt: "Wenige Städte sind so ungewöhnlich freundlich gelegen wie Kiel. Die tiefe Bucht, welche die Wogen der Ostsee eingewühlt haben in das fruchtbare Küstenland, wird auf beiden Ufern von malerischen, schön bewaldeten Hügeln umgeben und weitet sich gegen das Meer zu so bedeutend aus, dass man schon in geringer Entfernung von der Stadt den Spiegel der Ostsee entdecken kann." - so liest man es in den 1850 erschienenen "Wanderungen an der Nord- und Ostsee" des Romanciers und Publizisten Ernst Willkomm, der 1849 den schleswig-holsteinischen Schauplatz des ersten Deutsch-Dänischen Krieges bereist hatte.
Und als 1881 der französische Schriftsteller Jules Verne und sein Bruder Paul mit ihrer eigenen Yacht durch den Eiderkanal nach Kiel kamen (dem Vorgänger des Nord-Ostsee-Kanals), brachte Paul Verne Folgendes zu Papier:
"Die Kieler Förde ist von einem dichten Rahmen herrlicher Bäume eingefasst. Ulmen, Buchen, Kastanien und Eichen, die oft bis zum Strand herabgehen, erreichen hier eine kaum glaubliche Größe. Zahlreiche Landhäuser schimmern auf den die Bucht umgebenden Hügeln lachend aus dem dunklen Grün hervor, während die verschiedenen Punkte des Hafens durch flinke kleine Dampfer in bequeme Verbindung gesetzt sind."
Heute geht es zuerst am weitläufigen Werftgelände vorbei, das sich am Ostufer entlangzieht. Am Westufer zur Linken liegt die Innenstadt mit dem imposanten Campanile des Kieler Rathauses. Zur Rechten ragen zwei riesige Portalkräne empor. Gerade wird auf der HDW-Werft ein Containerneubau fertiggestellt, ein zweiter liegt im Trockendock. Exportschlager sind U-Boote mit Brennstoffzellenantrieb, die bis zu zwei Wochen unter Wasser fahren können. Wie ein aufgetauchtes Riesen-U-Boot sah die schneeweiße Luxusyacht aus, die hier im Frühjahr für einen russischen Oligarchen gebaut wurde.
Unser erster Landgang: Am Anleger steht ein Jugendstilgebäude mit Spitzbogendach, Kiels alte Fischhalle. Der kleine Rettungskreuzer davor hat über 800 Menschen aus Seenot gerettet. Ein Oldtimer im Ruhestand, genau wie der Tonnenleger daneben, der früher für die Seezeichen zuständig war, von der Flensburger Förde bis zur Lübecker Bucht zuständig war.
Die Fischhalle dient heute als Schifffahrtsmuseum. Hier wird mit Bildern und Modellen von der Geschichte von Stadt und Hafen, Marine und Werften erzählt. Echolot und Kreiselkompass sind Kieler Erfindungen. Auch das erste U-Boot wurde hier von einem bayrischen Unteroffizier ausgetüftelt und 1850 gebaut.
Die Geschichte der Personenschifffahrt auf der Kieler Förde begann, noch bevor 1860 die ersten Dampfer eingesetzt wurden, im Jahre 1857 mit einem Fischerboot und einer Frau namens Beeke Selmer, Mutter von zehn Kindern und damals schon 59 Jahre alt. Zwei Mal die Woche - wenn in Kiel Markt war - segelte sie mit Fahrgästen, Gemüse und Federvieh von Laboe nach Kiel, was bei günstigem Wind gut eine Stunde dauerte - etwa so lange, wie heute das Fördeschiff braucht.
Beeke Selmers Boot war ein für die westliche Ostseeküste typisches Fischerboot mit zwei Masten und rechteckigen Sprietsegeln. Ein solches Fahrzeug wurde von ein paar Jahren auf Initiative des "Vereins Museumshafen Propstei" von Langzeitarbeitslosen nachgebaut. Ab und zu werden kleine Törns auf der Förde angeboten, bei denen jeder mitanfassen muss, auch Fahrten von Laboe nach Kiel wie zu Beeke Selmers Zeiten. Und wie damals gilt: Bei Flaute wird gerudert. Wenn man Glück hat, kann man dabei Schweinswale begegnen, den kleinen Delfinen der Ostsee.
Unsere Fördefahrt geht weiter: Wir kommen an den gläsernen Passagierbrücken des Ostseekais vorbei. Zwei Kreuzfahrer von über 300 Metern Länge können hier zur gleichen Zeit anlegen. Vor der langen Promenade am Westufer der Förde, "Kiellinie" genannt, kreiseln Optimistenjollen mit Kindern in knallroten Schwimmwesten. Gleich nach dem nächsten Anleger steht nahe dem Ufer ein trutziger Backsteinbau, unterm Kaiser als Marine-Akademie erbaut und heute "Landeshaus" genannt:.Dort tagt das schleswig-holsteinische Landesparlament. Im Glaskubus befindet sich der Plenarsaal. Und die weiße Säule davor, mit leuchtend orangerotem Kopf wie ein Streichholz, ist kein Seezeichen, sondern ein Kunstwerk - mit dem Titel "Arbeitslampe".
Am Olympiahafen von 1936 mit seinen schnittigen Hochseeyachten überragen hohe Baumkronen die Villen am Ufer. Geht man am Anleger "Bellevue" an Land, kann man einen kleinen Waldspaziergang machen. Es geht ordentlich bergab und bergauf. Das "Düsternbrooker Gehölz" mit seinen waldigen Hängen hat im 18. Jahrhundert den Kieler Professor Christian Hirschfeld inspiriert, dessen "Theorie der Gartenkunst" wir das Ideal naturnaher Landschaftsgestaltung verdanken.
Heute ist Düsternbrook ein Nobelviertel mit Parkanlagen am Uferhang, von dem sich ein weiter Blick auf die Förde bietet. Man könnte sie für einen Binnensee halten, gäbe es da nicht die schmale Ausfahrt in der Ferne, beim Laboer Ehrenmal, und die großen Frachter vor der Einfahrt zum Nord-Ostsee-Kanal.
Überfahrt zum Ostufer: Wir lassen die lange Dampferbrücke bei "Bellevue" hinter uns, werfen noch einen Blick auf den Pfahlbau der Seebadeanstalt und erkennen - links an der "Tirpitzmole" - das Segelschulschiff "Gorch Fock". Gerade ist es 50 geworden. Und dahinten das Backsteingebäude: Da hat "Tatort"-Kommisar Borowski sein Büro.
Sehen Sie den alten Speicher am Kai von Holtenau? Der stammt noch aus der Zeit des Eider-Kanals, dem Vorgänger des Nord-Ostsee-Kanals, der einst von Wilhelm dem Zweiten pompös eingeweiht wurde, dort drüben am Holtenauer Leuchtturm.
Haltestelle Mönkeberg am Ostufer: Von hier führt der Förde-Wanderweg direkt am Ufer entlang nach Norden, an Villen in großzügigen Gärten vorbei und kleinen Strandabschnitten mit Badesteg. In Möltenort - Kieler Vorort und Badeort in einem - sieht man noch Hafenidylle mit Fischkisten und Netzen. Es gibt Fisch frisch vom Kutter, und man spürt noch die dörfliche Sommerfrische vergangener Zeiten.
Von Möltenort aus fährt an Werktagen schon morgens um 5 Uhr 55 ein Fördeschiff zum Westufer - eine ganzjährige Verbindung für Berufspendler und Schüler. Die Mannschaft unseres Fördeschiffs spricht vom "Winterdreieck": Laboe-Möltenort-Friedrichsort.
Nun geht es also wieder quer durchs Fahrwasser, in dem das Lotsenboot von Holtenau gerade auf ein Containerschiff zusteuert, das vor der Kanaleinfahrt wartet. Der Anleger Friedrichsort liegt gleich neben den Docks und Kränen der Lindenau-Werft. Spezialität: Doppelhüllentanker.
Anschließend fährt unser Dampfer um die Landspitze mit dem Friedrichsorter Leuchtturm. Hier, an der schmalsten Stelle - die Förde ist hier nur gut 900 Meter breit -, ließ Dänenkönig Christian IV während des Dreißigjährigen Krieges einen Flottenstützpunkt anlegen, eine Zitadelle, die später geschleift wurde, erneut errichtet und unter preußischer Herrschaft mit der Anlage von Kasematten weiter ausgebaut. Paul Verne, der Bruder von Jules Verne, schrieb nach ihrem Kiel-Besuch 1881:
"Wir brauchen wohl nicht besonders zu bemerken, dass der Kieler Busen sorgsam und zweckmäßig befestigt ist. Die sehr enge Einfahrt zu demselben wird von furchtbaren Batterien beherrscht, welche jene über's Kreuz bestreichen. Die berühmte Kanone - von Preußen 1867 zur Internationalen Pariser Ausstellung geschickt -, welche ein Geschoß von zehn Centnern schleudert, ist auf einer Bastion an der engsten Stelle des Hafens aufgestellt."
Heute sind nur noch wenige Reste der Festungsgräben und -wälle erhalten. Auf Luftbildern ist der gezackte Grundriss der früheren Zitadelle in Teilen noch gut zu erkennen - am Südende des Strandes von Falckenstein, dem breiten Hausstrand der Kieler. Der dazugehörige Anleger wird von den Fördedampfern nur im Sommer angelaufen. Dann fährt er auch bis Schilksee - mit dem Olympiahafen von 1972 - und nach Strande. Hier ist in den Sommermonaten Endstation.
Unsere Fahrt endet im Ostseebad Laboe: Strandkörbe, Musikmuschel, grüne Gärten - und allerlei Bausünden, mit denen sich der alte Badeort aufgebrezelt hat. Aber zwei Kilometer Strand und ein weiter Horizont stimmen versöhnlich, und erst recht der Blick vom Marine-Ehrenmal aus 70 Metern Höhe, über Wiesen und Felder, Strände und Sandbänke - und bis zum Leuchtturm Kiel weit draußen in der See.
Und dazu stellen wir uns jetzt - hier, im Lieblingshafen Wilhelm des Zweiten - "Kaiserwetter" vor, blauen Himmel und eine leichte Brise.
Ein Stündchen Seefahrt bis Laboe, wo die Förde in die Ostsee mündet.
Hier, wo sie zwischen Kaimauern endet und unsere Reise beginnt, entsteht - auf dem Ostufer gegenüber - gerade die neue "Kai-City". Eine Fußgängerbrücke führt hinüber. Ein Hochhaus und ein Gebäuderiegel stehen schon da, und im schmalen Hafenbecken davor liegen ein paar Traditionssegler.
Kiel ist Deutschlands nördlichste Landeshauptstadt und mit der alljährlichen "Kieler Woche" Schauplatz des größten Segel-Events weltweit.Von der Förde hat Kiel seinen Namen: Als "Holstenstadt tom Kyle" wurde die Stadt im 13. Jahrhundert gegründet. Mit "Kyl" ist die Ostsee gemeint, die hier wie ein "Keil" ins Land eindringt.
Dieser Naturhafen hat Kiel geprägt und wurde der Marine- und Werftenstadt im Zweiten Weltkrieg zum Verhängnis. Sie wurde bei Luftangriffen zu 80 Prozent zerstört. Mit berühmten Sehenswürdigkeiten kann Kiel nicht auftrumpfen. Seine Schokoladenseite ist die Förde.
Noch immer gilt, was ein Besucher im Jahre 1849 festhielt: "Wenige Städte sind so ungewöhnlich freundlich gelegen wie Kiel. Die tiefe Bucht, welche die Wogen der Ostsee eingewühlt haben in das fruchtbare Küstenland, wird auf beiden Ufern von malerischen, schön bewaldeten Hügeln umgeben und weitet sich gegen das Meer zu so bedeutend aus, dass man schon in geringer Entfernung von der Stadt den Spiegel der Ostsee entdecken kann." - so liest man es in den 1850 erschienenen "Wanderungen an der Nord- und Ostsee" des Romanciers und Publizisten Ernst Willkomm, der 1849 den schleswig-holsteinischen Schauplatz des ersten Deutsch-Dänischen Krieges bereist hatte.
Und als 1881 der französische Schriftsteller Jules Verne und sein Bruder Paul mit ihrer eigenen Yacht durch den Eiderkanal nach Kiel kamen (dem Vorgänger des Nord-Ostsee-Kanals), brachte Paul Verne Folgendes zu Papier:
"Die Kieler Förde ist von einem dichten Rahmen herrlicher Bäume eingefasst. Ulmen, Buchen, Kastanien und Eichen, die oft bis zum Strand herabgehen, erreichen hier eine kaum glaubliche Größe. Zahlreiche Landhäuser schimmern auf den die Bucht umgebenden Hügeln lachend aus dem dunklen Grün hervor, während die verschiedenen Punkte des Hafens durch flinke kleine Dampfer in bequeme Verbindung gesetzt sind."
Heute geht es zuerst am weitläufigen Werftgelände vorbei, das sich am Ostufer entlangzieht. Am Westufer zur Linken liegt die Innenstadt mit dem imposanten Campanile des Kieler Rathauses. Zur Rechten ragen zwei riesige Portalkräne empor. Gerade wird auf der HDW-Werft ein Containerneubau fertiggestellt, ein zweiter liegt im Trockendock. Exportschlager sind U-Boote mit Brennstoffzellenantrieb, die bis zu zwei Wochen unter Wasser fahren können. Wie ein aufgetauchtes Riesen-U-Boot sah die schneeweiße Luxusyacht aus, die hier im Frühjahr für einen russischen Oligarchen gebaut wurde.
Unser erster Landgang: Am Anleger steht ein Jugendstilgebäude mit Spitzbogendach, Kiels alte Fischhalle. Der kleine Rettungskreuzer davor hat über 800 Menschen aus Seenot gerettet. Ein Oldtimer im Ruhestand, genau wie der Tonnenleger daneben, der früher für die Seezeichen zuständig war, von der Flensburger Förde bis zur Lübecker Bucht zuständig war.
Die Fischhalle dient heute als Schifffahrtsmuseum. Hier wird mit Bildern und Modellen von der Geschichte von Stadt und Hafen, Marine und Werften erzählt. Echolot und Kreiselkompass sind Kieler Erfindungen. Auch das erste U-Boot wurde hier von einem bayrischen Unteroffizier ausgetüftelt und 1850 gebaut.
Die Geschichte der Personenschifffahrt auf der Kieler Förde begann, noch bevor 1860 die ersten Dampfer eingesetzt wurden, im Jahre 1857 mit einem Fischerboot und einer Frau namens Beeke Selmer, Mutter von zehn Kindern und damals schon 59 Jahre alt. Zwei Mal die Woche - wenn in Kiel Markt war - segelte sie mit Fahrgästen, Gemüse und Federvieh von Laboe nach Kiel, was bei günstigem Wind gut eine Stunde dauerte - etwa so lange, wie heute das Fördeschiff braucht.
Beeke Selmers Boot war ein für die westliche Ostseeküste typisches Fischerboot mit zwei Masten und rechteckigen Sprietsegeln. Ein solches Fahrzeug wurde von ein paar Jahren auf Initiative des "Vereins Museumshafen Propstei" von Langzeitarbeitslosen nachgebaut. Ab und zu werden kleine Törns auf der Förde angeboten, bei denen jeder mitanfassen muss, auch Fahrten von Laboe nach Kiel wie zu Beeke Selmers Zeiten. Und wie damals gilt: Bei Flaute wird gerudert. Wenn man Glück hat, kann man dabei Schweinswale begegnen, den kleinen Delfinen der Ostsee.
Unsere Fördefahrt geht weiter: Wir kommen an den gläsernen Passagierbrücken des Ostseekais vorbei. Zwei Kreuzfahrer von über 300 Metern Länge können hier zur gleichen Zeit anlegen. Vor der langen Promenade am Westufer der Förde, "Kiellinie" genannt, kreiseln Optimistenjollen mit Kindern in knallroten Schwimmwesten. Gleich nach dem nächsten Anleger steht nahe dem Ufer ein trutziger Backsteinbau, unterm Kaiser als Marine-Akademie erbaut und heute "Landeshaus" genannt:.Dort tagt das schleswig-holsteinische Landesparlament. Im Glaskubus befindet sich der Plenarsaal. Und die weiße Säule davor, mit leuchtend orangerotem Kopf wie ein Streichholz, ist kein Seezeichen, sondern ein Kunstwerk - mit dem Titel "Arbeitslampe".
Am Olympiahafen von 1936 mit seinen schnittigen Hochseeyachten überragen hohe Baumkronen die Villen am Ufer. Geht man am Anleger "Bellevue" an Land, kann man einen kleinen Waldspaziergang machen. Es geht ordentlich bergab und bergauf. Das "Düsternbrooker Gehölz" mit seinen waldigen Hängen hat im 18. Jahrhundert den Kieler Professor Christian Hirschfeld inspiriert, dessen "Theorie der Gartenkunst" wir das Ideal naturnaher Landschaftsgestaltung verdanken.
Heute ist Düsternbrook ein Nobelviertel mit Parkanlagen am Uferhang, von dem sich ein weiter Blick auf die Förde bietet. Man könnte sie für einen Binnensee halten, gäbe es da nicht die schmale Ausfahrt in der Ferne, beim Laboer Ehrenmal, und die großen Frachter vor der Einfahrt zum Nord-Ostsee-Kanal.
Überfahrt zum Ostufer: Wir lassen die lange Dampferbrücke bei "Bellevue" hinter uns, werfen noch einen Blick auf den Pfahlbau der Seebadeanstalt und erkennen - links an der "Tirpitzmole" - das Segelschulschiff "Gorch Fock". Gerade ist es 50 geworden. Und dahinten das Backsteingebäude: Da hat "Tatort"-Kommisar Borowski sein Büro.
Sehen Sie den alten Speicher am Kai von Holtenau? Der stammt noch aus der Zeit des Eider-Kanals, dem Vorgänger des Nord-Ostsee-Kanals, der einst von Wilhelm dem Zweiten pompös eingeweiht wurde, dort drüben am Holtenauer Leuchtturm.
Haltestelle Mönkeberg am Ostufer: Von hier führt der Förde-Wanderweg direkt am Ufer entlang nach Norden, an Villen in großzügigen Gärten vorbei und kleinen Strandabschnitten mit Badesteg. In Möltenort - Kieler Vorort und Badeort in einem - sieht man noch Hafenidylle mit Fischkisten und Netzen. Es gibt Fisch frisch vom Kutter, und man spürt noch die dörfliche Sommerfrische vergangener Zeiten.
Von Möltenort aus fährt an Werktagen schon morgens um 5 Uhr 55 ein Fördeschiff zum Westufer - eine ganzjährige Verbindung für Berufspendler und Schüler. Die Mannschaft unseres Fördeschiffs spricht vom "Winterdreieck": Laboe-Möltenort-Friedrichsort.
Nun geht es also wieder quer durchs Fahrwasser, in dem das Lotsenboot von Holtenau gerade auf ein Containerschiff zusteuert, das vor der Kanaleinfahrt wartet. Der Anleger Friedrichsort liegt gleich neben den Docks und Kränen der Lindenau-Werft. Spezialität: Doppelhüllentanker.
Anschließend fährt unser Dampfer um die Landspitze mit dem Friedrichsorter Leuchtturm. Hier, an der schmalsten Stelle - die Förde ist hier nur gut 900 Meter breit -, ließ Dänenkönig Christian IV während des Dreißigjährigen Krieges einen Flottenstützpunkt anlegen, eine Zitadelle, die später geschleift wurde, erneut errichtet und unter preußischer Herrschaft mit der Anlage von Kasematten weiter ausgebaut. Paul Verne, der Bruder von Jules Verne, schrieb nach ihrem Kiel-Besuch 1881:
"Wir brauchen wohl nicht besonders zu bemerken, dass der Kieler Busen sorgsam und zweckmäßig befestigt ist. Die sehr enge Einfahrt zu demselben wird von furchtbaren Batterien beherrscht, welche jene über's Kreuz bestreichen. Die berühmte Kanone - von Preußen 1867 zur Internationalen Pariser Ausstellung geschickt -, welche ein Geschoß von zehn Centnern schleudert, ist auf einer Bastion an der engsten Stelle des Hafens aufgestellt."
Heute sind nur noch wenige Reste der Festungsgräben und -wälle erhalten. Auf Luftbildern ist der gezackte Grundriss der früheren Zitadelle in Teilen noch gut zu erkennen - am Südende des Strandes von Falckenstein, dem breiten Hausstrand der Kieler. Der dazugehörige Anleger wird von den Fördedampfern nur im Sommer angelaufen. Dann fährt er auch bis Schilksee - mit dem Olympiahafen von 1972 - und nach Strande. Hier ist in den Sommermonaten Endstation.
Unsere Fahrt endet im Ostseebad Laboe: Strandkörbe, Musikmuschel, grüne Gärten - und allerlei Bausünden, mit denen sich der alte Badeort aufgebrezelt hat. Aber zwei Kilometer Strand und ein weiter Horizont stimmen versöhnlich, und erst recht der Blick vom Marine-Ehrenmal aus 70 Metern Höhe, über Wiesen und Felder, Strände und Sandbänke - und bis zum Leuchtturm Kiel weit draußen in der See.